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»ich weiß, warum Sie hier sind. Sie haben anonyme Briefe bekommen wegen Ihres Diamanten.« Ohne Zweifel hatte ich ins Schwarze getroffen. Sie starrte mich mit offenem Mund an; alle Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen. »Woher wissen Sie das?« stammelte sie. Ich lächelte. »Es schien mir logisch. Miss Marvell hat auch warnende Briefe bekommen... « »Miss Marvell? Ist sie hier gewesen?« »Sie ist gerade weggegangen. Wie ich schon andeutete: Wenn Miss Marvell als Besitzerin des einen der Zwillingsdiamanten mehrere Drohbriefe erhalten hat, dann muß es Ihnen als Besitzerin des zweiten Steines ähnlich ergangen sein. Habe ich mit der Annahme recht, daß Sie dieselben mysteriösen Mitteilungen erhalten haben?«

Einen Augenblick zögerte sie und überlegte sich, ob sie mir trauen könne. Dann hatte sie sich entschieden und lächelte ein wenig. »Sie haben recht«, gab sie zu.

»Wurden Ihre Briefe auch persönlich abgegeben - von einem Chinesen?« »Nein, sie kamen mit der Post. Aber sagen Sie mir doch, was hat sich denn mit Miss Marvell abgespielt?« Ich erzählte ihr die Ereignisse der letzten Stunde. Sie lauschte aufmerksam.

»Das paßt alles zusammen. Meine Briefe waren genau dieselben. Sie kamen zwar mit der Post, aber sie strömten einen merkwürdigen Duft aus - der mich sofort an den Osten erinnerte. Was bedeutet das alles?« Ich schüttelte den Kopf. »Das mü ssen wir erst feststellen. Haben Sie die Briefe bei sich? Vielleicht können wir uns den Poststempel genauer ansehen.« »Leider habe ich sie weggeworfen. Verstehen Sie, ich habe zuerst die ganze Angelegenheit als einen törichten Scherz betrachtet. Ist es denn möglich, daß eine chinesische Bande wirklich versucht, die Diamanten wieder in ihren Besitz zu bringen? Das scheint mir beinahe unglaubhaft.« Wir beleuchteten die Tatsachen von allen Seiten, konnten aber keinen Schritt weiterkommen. Dann erhob sich Lady Yardly. »Ich glaube wirklich nicht, daß es jetzt noch notwendig ist, auf Mr. Poirot zu warten. Sie können ihm ja von unserer Unterhaltung berichten, Mr.... « Sie streckte mir zögernd die Hand hin.

»Captain Hastings«, sagte ich.

»Natürlich. Wie vergeßlich ich bin ... Sie sind ein Freund der Cavendishes, nicht wahr? Mary Cavendish hat mir nämlich Mr. Poirot empfohlen.«

Als Poirot zurückkehrte, berichtete ich ihm stolz mein Erlebnis während seiner Abwesenheit. Er quetschte förmlich jede Einzelheit unserer Unterhaltung aus mir heraus, und ich konnte aus seinem Tonfall bemerken, daß er sich ärgerte, nicht dagewesen zu sein. Ich konnte mir auch vorstellen, daß der gute alte Junge ein ganz klein wenig neidisch war. Es war ihm schon beinahe zur Gewohnheit geworden, meine Fähigkeiten zu unterschätzen. Er war unwillig, das sah ich ihm an, weil er keinen Grund zur Kritik fand. Im stillen war ich sehr zufrieden mit mir, verbarg das aber, um ihn nicht zu verletzen. Denn trotz seiner Absonderlichkeit mag ich meinen komischen kleinen Freund von Herzen gern.

»Bien!« sagte er endlich mit seltsamem Gesichtsausdruck, »Die Geschichte hat Format. Geben Sie mir doch bitte mal den Adelskalender vom obersten Regal dort.« Er blätterte ihn durch. »Ach, da ist er! >Yardly... zehnter Viscount... Teilnehmer des Südafrikanischen Krieges<... das ist unwichtig... verheiratet seit zwanzig Jahren mit Hon. Maude Stopperton, vierter Tochter des dritten Barons Cotteril<... hm, hm, hm,... >zwei Töchter... Clubmitglied bei... Wohnsitze ...<, ... das ist alles. Sagt nicht viel. Aber morgen werden wir diesen Lord besuchen.« »So?« »Ja. Ich habe ihm bereits telegrafiert.«

»Ich dachte. Sie wollen sich mit diesem Fall nicht befassen?« »Ich tue es nicht für Miss Marvell, da sie sich weigert, meinen Rat zu befolgen. Ich handle aus eigenem Interesse. Ich habe mich entschlossen, bei der Sache mitzuspielen.« »Und da verlangen Sie von Lord Yardly, er soll in die Stadt kommen, nur weil Sie Interesse an der Sache haben? Das wird ihn nicht freuen.«

»Im Gegenteil. Wenn ich ihm seinen Familiendiamanten erhalte, müßte er mir doch sehr dankbar sein.« »Dann glauben Sie also nicht an einen Schabernack? Sie glauben, da steckt eine ernste Gefahr dahinter?« fragte ich eifrig. »Das ist beinahe sicher«, entgegnete Poirot ruhig. »Alles deutet darauf hin.« »Aber wie...?«

Poirot stoppte meine neugierigen Fragen mit einer lässigen Handbewegung.

»Ich bitte Sie ... jetzt nicht fragen. Wir wollen uns doch nicht konfus machen. Nun schauen Sie mal, wo Sie den Adelskalender hingestellt haben! Die großen Bücher stehen im obersten Regal, die nächstgroßen in dem darunter... nur so haben wir Ordnung. - Methode, die, wie ich Ihnen schon oft gesagt habe ... «

»Ich weiß!« sagte ich schnell und stellte das Buch an seinen richtigen Platz.

Lord Yardly war eine sportliche Erscheinung mit lauter Stimme und rotem Gesicht. Er wirkte jovial und gemütlich - also ausgesprochen sympathisch.

»Komische Sache das, Mr. Poirot. Ich kann nicht daraus schlau werden. Meine Frau bekommt merkwürdige Briefe. Miss Marvell auch. Was bedeutet das alles?«

Poirot reichte ihm die Ausgabe vom Gesellschaftsklatsch. »Zuerst, Mylord, möchte ich Sie fragen, ob das, was hier steht, stimmt?«

Der Lord las den Artikel, und sein Gesicht wurde dunkelrot vor Ärger.

»Verfluchter Quatsch!« bellte er. »Es gab nie eine romantische Geschichte um diesen Diamanten. Er stammt ursprünglich aus Indien, soviel Ich weiß. Das Märchen von einem chinesischen Gott habe ich nie gehört.«

»Immerhin ist der Stein bekannt als The Star of the East.«

»Na und?« fragte er zornig.

Poirot lächelte ein wenig, gab aber keine direkte Antwort. »Ich möchte Sie bitten, Mylord, mir uneingeschränkt zu vertrauen. Wenn Sie das tun, bin ich fest davon überzeugt, daß wir eine Katastrophe verhindern können.« »Dann glauben Sie also, daß an diesem Ammenmärchen tatsächlich etwas dran ist?« »Werden Sie tun, um was ich Sie bitte?« »Natürlich, aber...«

»Bien! Erlauben Sie mir, daß ich einige Fragen stelle. Ist diese Angelegenheit mit Ihrem Schloß zwischen Ihnen und Mr. Rolf perfekt?«

»Oh! Hat er Ihnen davon erzählt? Nein, das ist noch nicht perfekt!« Er dachte angestrengt nach, und seine rote Gesichtsfarbe wurde wieder dunkler. »Ich erzähle Ihnen am besten von der Sache. Ich habe da einige Dummheiten gemacht, Mr. Polrot, und stecke deshalb bis über die Ohren in Schulden. Da will ich wieder rauskommen. Ich hänge sehr an meinen Kindern und will ihnen das Schloß erhalten. Gregory Rolf bietet mir viel Geld an - genug, um mir aus der Patsche rauszuhelfen. Ich möchte aber möglichst nichts damit zu tun haben. Schon der 10 Gedanke an den ganzen Filmwirbel hier in meinem Schloß ist mir widerlich. Aber was bleibt mir übrig, wenn nicht -« Er brach ab. Poirot beobachtete ihn nachdenklich. »Sie haben also noch einen anderen Pfeil in Ihrem Köcher? Darf ich eine Vermutung aussprechen? Tragen Sie sich mit dem Gedanken, den Star of the East zu verkaufen?« Lord Yardly nickte. »So ist es! Er ist zwar seit einigen Generationen in der Familie, aber er gehört nicht zum unveräußerlichen Familienbesitz. Aber es ist ziemlich schwierig, rasch einen Käufer für den Stein zu finden. Hoffberg, der Vertreter von Hatton Garden, sieht sich nach einem Käufer um. Wenn er nicht schnell jemand findet, ist es zu spät.« »Darf ich noch etwas fragen? Für welchen Weg ist Lady Yardly?«

»Sie ist dagegen, den Diamanten zu verkaufen. Sie wissen doch, wie Frauen sind. Sie zieht den Filmrummel vor.« »Ich verstehe«, sagte Poirot. Einen Moment blieb er gedankenvoll sitzen, dann stand er abrupt auf. »Sie fahren sofort nach Schloß Yardly zurück? Bien! Sagen Sie niemandem ein Wort -niemand, bitte! Aber erwarten Sie uns heute abend. Wir werden kurz nach fünf Uhr bei Ihnen sein.« »Gut. Aber ich verstehe nicht... «