Man den betrübten Besitzer an Gold und Silber erinnert,
Das geschmolzen im Schutt nun überblieben zerstreut liegt.
Wenig ist es fürwahr, doch auch das wenige köstlich;
Und der Verarmte gräbet ihm nach und freut sich des Fundes.
Und so kehr ich auch gern die heitern Gedanken zu jenen
Wenigen guten Taten, die aufbewahrt das Gedächtnis.
Ja, ich will es nicht leugnen, ich sah sich Feinde versöhnen,
Um die Stadt vom Übel zu retten; ich sah auch der Freunde,
Sah der Eltern Lieb' und der Kinder Unmögliches wagen;
Sah, wie der Jüngling auf einmal zum Mann ward, sah, wie der Greis sich
Wieder verjüngte, das Kind sich selbst als Jüngling enthüllte.
Ja, und das schwache Geschlecht, so wie es gewöhnlich genannt wird,
Zeigte sich tapfer und mächtig und gegenwärtigen Geistes.
Und so laßt mich vor allen der schönen Tat noch erwähnen,
Die hochherzig ein Mädchen vollbrachte, die treffliche Jungfrau,
Die auf dem großen Gehöft allein mit den Mädchen zurückblieb;
Denn es waren die Männer auch gegen die Fremden gezogen.
Da überfiel den Hof ein Trupp verlaufnen Gesindels,
Plündernd, und drängte sogleich sich in die Zimmer der Frauen.
Sie erblickten das Bild der schön erwachsenen Jungfrau
Und die lieblichen Mädchen, noch eher Kinder zu heißen.
Da ergriff sie wilde Begier, sie stürmten gefühllos
Auf die zitternde Schar und aufs hochherzige Mädchen.
Aber sie riß dem einen sogleich von der Seite den Säbel,
Hieb ihn nieder gewaltig; er stürzt' ihr blutend zu Füßen.
Dann mit männlichen Streichen befreite sie tapfer die Mädchen,
Traf noch viere der Räuber; doch die entflohen dem Tode.
Dann verschloß sie den Hof und harrte der Hülfe, bewaffnet.»
Als der Geistliche nun das Lob des Mädchens vernommen,
Stieg die Hoffnung sogleich für seinen Freund im Gemüt auf,
Und er war im Begriff, zu fragen, wohin sie geraten?
Ob auf der traurigen Flucht sie nun mit dem Volk sich befinde?
Aber da trat herbei der Apotheker behende,
Zupfte den geistlichen Herrn und sagte die wispernden Worte:
«Hab ich doch endlich das Mädchen aus vielen hundert gefunden,
Nach der Beschreibung! So kommt und sehet sie selber mit Augen;
Nehmet den Richter mit Euch, damit wir das Weitere hören!»
Und sie kehrten sich um, und weg war gerufen der Richter
Von den Seinen, die ihn, bedürftig des Rates, verlangten.
Doch es folgte sogleich dem Apotheker der Pfarrherr
An die Lücke des Zauns, und jener deutete listig.
«Seht Ihr«, sagt' er,»das Mädchen? Sie hat die Puppe gewickelt,
Und ich erkenne genau den alten Kattun und den blauen
Kissenüberzug wohl, den ihr Hermann im Bündel gebracht hat.
Sie verwendete schnell, fürwahr, und gut die Geschenke.
Diese sind deutliche Zeichen, es treffen die übrigen alle;
Denn der rote Latz erhebt den gewölbeten Busen,
Schön geschnürt, und es liegt das schwarze Mieder ihr knapp an;
Sauber ist der Saum des Hemdes zur Krause gefaltet
Und umgibt ihr das Kinn, das runde, mit reinlicher Anmut;
Frei und heiter zeigt sich des Kopfes zierliches Eirund,
Und die starken Zöpfe um silberne Nadeln gewickelt;
Sitzt sie gleich, so sehen wir doch die treffliche Größe
Und den blauen Rock, der, vielgefaltet, vom Busen
Reichlich herunterwallt zum wohlgebildeten Knöchel.
Ohne Zweifel, sie ist's. Drum kommet, damit wir vernehmen,
Ob sie gut und tugendhaft sei, ein häusliches Mädchen.»
Da versetzte der Pfarrer, mit Blicken die Sitzende prüfend:
«Daß sie den Jüngling entzückt, fürwahr, es ist mir kein Wunder,
Denn sie hält vor dem Blick des erfahrenen Mannes die Probe.
Glücklich, wem doch Mutter Natur die rechte Gestalt gab!
Denn sie empfiehlst ihn stets, und nirgends ist er ein Fremdling.
Jeder nahet sich gern, und jeder möchte verweilen,
Wenn die Gefälligkeit nur sich zu der Gestalt noch gesellet.
Ich versichr' Euch, es ist dem Jüngling ein Mädchen gefunden,
Das ihm die künftigen Tage des Lebens herrlich erheitert,
Treu mit weiblicher Kraft durch alle Zeiten ihm beisteht.
So ein vollkommener Körper gewiß verwahrt auch die Seele
Rein, und die rüstige Jugend verspricht ein glückliches Alter.»
Und es sagte darauf der Apotheker bedenklich:
«Trüget doch öfter der Schein! Ich mag dem Äußern nicht trauen,
Denn ich habe das Sprichwort so oft erprobet gefunden:
›Eh' du den Scheffel Salz mit dem neuen Bekannten verzehret,
Darfst du nicht leichtlich ihm trauen; dich macht die Zeit nur gewisser,
Wie du es habest mit ihm und wie die Freundschaft bestehe.‹
Lasset uns also zuerst bei guten Leuten uns umtun,
Denen das Mädchen bekannt ist und die uns von ihr nun erzählen.»
«Auch ich lobe die Vorsicht«, versetzte der Geistliche folgend;
«Frein wir doch nicht für uns! Für andere frein ist bedenklich.»
Und sie gingen darauf dem wackern Richter entgegen,
Der in seinen Geschäften die Straße wieder heraufkam.
Und zu ihm sprach sogleich der kluge Pfarrer mit Vorsicht:
«Sagt! wir haben ein Mädchen gesehn, das im Garten zunächst hier
Unter dem Apfelbaum sitzt und Kindern Kleider verfertigt
Aus getragnem Kattun, der ihr vermutlich geschenkt ward.
Uns gefiel die Gestalt, sie scheint der Wackeren eine.
Saget uns, was Ihr wißt; wir fragen aus löblicher Absicht.»
Als, in den Garten zu blicken, der Richter sogleich nun herzutrat,
Sagt' er:»Diese kennet Ihr schon; denn wenn ich erzählte
Von der herrlichen Tat, die jene Jungfrau verrichtet,
Als sie das Schwert ergriff und sich und die Ihren beschützte -
Diese war's! Ihr seht es ihr an, sie ist rüstig geboren,
Aber so gut wie stark; denn ihren alten Verwandten
Pflegte sie bis zum Tode, da ihn der Jammer dahinriß
Über des Städtchens Not und seiner Besitzung Gefahren.
Auch, mit stillem Gemüt, hat sie die Schmerzen ertragen
Über des Bräutigams Tod, der, ein edler Jüngling, im ersten
Feuer des hohen Gedankens nach edler Freiheit zu streben,
Selbst hinging nach Paris und bald den schrecklichen Tod fand;
Denn wie zu Hause, so dort, bestritt er Willkür und Ränke.»
Also sagte der Richter. Die beiden schieden und dankten,
Und der Geistliche zog ein Goldstück (das Silber des Beutels
War vor einigen Stunden von ihm schon milde verspendet,
Als er die Flüchtlinge sah in traurigen Haufen vorbeiziehn),
Und er reicht' es dem Schulzen und sagte:»Teilet den Pfennig
Unter die Dürftigen aus, und Gott vermehre die Gabe!»
Doch es weigerte sich der Mann und sagte:»Wir haben
Manchen Taler gerettet und manche Kleider und Sachen,
Und ich hoffe, wir kehren zurück, noch eh es verzehrt ist.»
Da versetzte der Pfarrer und drückt' ihm das Geld in die Hand ein:
«Niemand säume zu geben in diesen Tagen, und niemand
Weigre sich anzunehmen, was ihm die Milde geboten!
Niemand weiß, wie lang er es hat, was er ruhig besitzet;
Niemand, wie lang er noch in fremden Landen umherzieht
Und des Ackers entbehrt und des Gartens, der ihn ernähret.»
«Ei doch!«sagte darauf der Apotheker geschäftig,
«Wäre mir jetzt nur Geld in der Tasche, so solltet Ihr's haben,
Groß wie klein; denn viele gewiß der Euren bedürfen's.
Unbeschenkt doch laß ich Euch nicht, damit Ihr den Willen