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Argwöhnisch kniff Riccio die Augenbrauen zusammen. »Na und? Das hat schließlich sogar in der Zeitung gestanden.« Mosca stieß ihm noch einmal den Ellbogen in die Seite, aber Riccio war viel zu aufgebracht, um es zu bemerken.

»In der Zeitung?« Victor hob die Augenbrauen. »Ach, du meinst wahrscheinlich den Einbruch im Palazzo Contarini?« Er lachte. »Unsinn. Hat Scipio euch etwa erzählt, dass er das war?« »Was soll das heißen, zum Teufel?« Riccio ballte die Fäuste, als wollte er auf Victor losstürzen, aber Wespe hielt ihn zurück. »Das soll heißen«, antwortete Victor gelassen, »dass euer Scipio zwar ein raffinierter Bursche ist und ein unglaublich einfallsreicher Lügner, aber keinesfalls der, für den ihr ihn haltet.« Mit einem Aufschrei riss Riccio sich von Wespe los. Prosper bekam ihn erst zu fassen, als er Victor schon die magere Faust auf die Nase gedroschen hatte.

»Schluss, Riccio!«, rief Prosper und hielt den immer noch wutschnaubenden Riccio im Schwitzkasten fest. »Lass ihn ausreden. Und Sie«, fuhr er Victor an, »hören auf, in Rätseln zu reden! Sonst lass ich Riccio wieder los.«

»Was für eine Drohung!«, brummte Victor. »Bo, gib mir mal dein Taschentuch.«

Hastig zog Bo es aus seiner Hosentasche.

»Also gut, reden wir Klartext«, sagte Victor und putzte sich die schmerzende Nase. Wenigstens blutete sie nicht. »Wie habt ihr Scipio kennen gelernt?« Ohne die ratlosen Gesichter der Kinder zu beachten, sammelte er ein paar Schrauben auf und warf sie in Moscas Werkzeugkasten. Riccio war rot geworden. »Nun erzähl schon«, sagte Mosca.

»Ich hab ihm was gestohlen«, knurrte Riccio. »Das heißt, ich hab es versucht, aber er hat mich erwischt. Da hab ich ihm gedroht, dass er Ärger mit meiner Bande kriegt, wenn er mich nicht loslässt, und er hat gesagt, er lässt mich laufen, wenn ich ihm die Bande vorstelle.«

»Wir hausten damals im Keller eines verfallenen Hauses«, erklärte Mosca. »Riccio, Wespe und ich. Drüben in Castello, da findet man immer einen Unterschlupf, weil da keiner mehr wohnen will. Es war scheußlich feucht, wir waren ständig krank und zu essen hatten wir auch nicht gerade viel.« »Sag es ruhig, es ging uns dreckig«, unterbrach Riccio ihn ungeduldig. »>In so einem Rattenloch könnt ihr doch nicht wohnen!<, hat Scipio gesagt und uns hierher gebracht, ins Sternenversteck. Er hat das Schloss vom Notausgang geknackt und uns gesagt, dass wir die Vordertür verrammeln sollen. Und seitdem, ging es uns gut. Bis du aufgetaucht bist.«

»Ja, ja, schon gut. Victor, der Spielverderber.« Victor sah Prosper an. »Und als Wespe dich und Bo auflas«, sagte er zu ihm, »hat der Herr der Diebe euch beide auch noch mit durchgefüttert.«

»Er hat uns sogar Jacken besorgt und Decken. Und die hier hat Scip mir auch geschenkt.« Bo setzte sich neben Victor und hielt ihm eine von seinen kleinen Katzen unter die Nase. Geistesabwesend kraulte Victor ihr die Ohren, bis sie zu schnurren begann und ihm mit der rauen Zunge die Finger leckte. »Wieso hast du gesagt, Scipio ist ein Lügner?«, fragte Wespe. »Ach, vergesst, was ich gesagt habe.« Victor strich Bo über das schwarz gefärbte Haar. »Erklärt mir nur noch eins. Bo hat mir erzählt, dass ihr bald sehr viel Geld haben werdet. von einem Auftrag war die Rede. ihr habt doch wohl nicht irgendwelche größeren Dummheiten vor?«

»Verdammt, Bo, konntest du schon wieder deine verdammte Klappe nicht halten?« Riccio riss sich von Prosper los, aber der fing ihn gleich wieder ein.

»He, Riccio, so redest du nicht mit meinem kleinen Bruder, verstanden?«, sagte er.

»Dann pass du besser auf ihn auf!«, rief Riccio ärgerlich und stieß Prospers Hände weg. »Er wird dem Kerl noch alles verraten!«

»Bo, du erzählst gar nichts mehr, klar?«, sagte Prosper, ohne Riccio aus den Augen zu lassen.

Aber Bo warf seinem Bruder bloß einen trotzigen Blick zu und flüsterte Victor ins Ohr: »Wir werden mit Scipio in ein Haus einbrechen. Aber da sollen wir nur so einen komischen Holzflügel stehlen.«

»Bo!«, rief Wespe.

»Ihr wollt irgendwo einbrechen?« Victor kam sofort wieder auf die Füße. »Seid ihr verrückt geworden? Wollt ihr alle im Kinderheim landen?« Vorwurfsvoll baute er sich vor Prosper auf. »Passt du so auf deinen kleinen Bruder auf? Indem du ihm beibringst, sich in fremde Häuser zu schleichen?«

»Unsinn!« Prosper wurde blass um die Nase. »Bo macht bei dem Einbruch nicht mit.«

»Mach ich doch!«, rief Bo. »Machst du nicht!«, fuhr Prosper ihn an.

»Hört auf!«, schrie Riccio und zeigte wutbebend auf Victor. »Nur er ist schuld! Nur er! Alles war in Ordnung, alles war bestens. Aber weil er hier rumgeschnüffelt hat, streiten wir uns plötzlich dauernd und brauchen ein neues Versteck.«

»Ihr braucht kein neues Versteck!«, polterte Victor zurück. Das Blut stieg ihm zu Kopf, so sehr regte er sich auf. »Verflucht noch mal, ich habe nicht vor, euch zu verraten! Aber das sieht anders aus, wenn ihr einen Einbruch plant, verstanden? Was passiert denn mit dem Kleinen, wenn ihr alle von den Carabinieri geschnappt werdet? Ein Einbruch! Das ist was anderes als Handtaschen und Fotoapparate zu stehlen!«

»Scipio weiß, wie man so was macht! Der Herr der Diebe klaut keine Handtaschen!«, schrie Riccio. Seine Stimme überschlug sich fast. »Also untersteh dich und mach ihn hier schlecht, du aufgeblasener Ochsenfrosch!«

Victor schnappte nach Luft. »Aufgeblasener Ochsenfrosch? Herr der Diebe? Ich will dir mal was sagen!« Drohend machte er einen Schritt auf Riccio zu. Mosca und Wespe stellten sich schützend vor ihren Freund, aber Victor schob sie ungeduldig zur Seite. »Ihr seid auf den größten Ochsenfrosch hereingefallen, der sich jemals aufgeblasen hat. Unternehmt doch mal einen kleinen Ausflug in die Fondamenta Bollani 233. Dort erfahrt ihr alles über den Herrn der Diebe, was ihr wissen wollt. Oder vielleicht sollte ich besser sagen: was ihr nicht wissen wollt.«

»Fondamenta Bollani?« Riccio biss sich beunruhigt auf die Lippen. »Was soll das werden? Eine Falle?« »Blödsinn.« Victor kehrte ihm den Rücken zu und hockte sich wieder neben das auseinander geschraubte Radio. »Aber vergesst nicht, euren Gefangenen einzuschließen, bevor ihr geht«, sagte er über die Schulter. »Ich werde jetzt dieses Ding reparieren.«

Der junge Herr Massimo

Nicht einer wollte im Kino bleiben, selbst Riccio nicht, obwohl er während des ganzen Weges verkündete, wie schändlich er es fand, Scipio nachzuspionieren. Mosca hatte Victor eingeschlossen, dann waren sie losgelaufen. Und da standen sie nun, vor dem Haus, dessen Adresse Victor genannt hatte: Fondamenta Bollani 233. Auf so ein herrschaftliches Haus waren sie nicht gefasst gewesen. Eingeschüchtert blickten sie hinauf zu den hohen, spitzbogigen Fenstern. Sie fühlten sich klein und schäbig, eingeschüchtert. Nur zögernd traten sie auf den Eingang zu, dicht aneinander gedrängt. »Wir können da doch nicht einfach klingeln!«, flüsterte Wespe. »Aber einer muss klingeln!«, zischte Mosca. »Vom Rumstehen erfahren wir bestimmt nicht, was der Schnüffler gemeint hat.« Keiner rührte sich. »Ich sag es noch mal. Scipio wird schäumen vor Wut, wenn er merkt, dass wir ihm nachspionieren!«, flüsterte Riccio. Unbehaglich musterte er das goldene Namensschild neben dem Portal. Massimo stand in verschnörkelten Buchstaben darauf. »Lassen wir Bo klingeln«, schlug Wespe vor. »Bo ist am unverdächtigsten. Oder?«

»Nein. Ich mach's!« Prosper schob Bo hinter sich und drückte, ohne lange zu überlegen, auf den goldenen

Knopf. Zweimal. Er hörte, wie die Klingel drinnen durchs Haus schrillte. Die anderen versteckten sich zu beiden Seiten des vergitterten Portals. Als ein Mädchen mit schneeweißer Schürze hinter dem Eisengitter erschien, stand nur Prosper auf der Schwelle, hinter sich Bo, der dem Mädchen verlegen zulächelte.