Unbeholfen murmelte er: „Dann habe ich dich schlecht behandelt.“
„Es war nur ein Versehen, Sir, das weder bei Ihnen noch bei mir Folgen hinterlassen hat. Bedenken Sie, daß alle Roboter Ihre Diener sind. Ihren Anweisungen zu folgen und Sie zu beschützen, ist unser einziges Vergnügen und unsere Bestimmung. Sollten Sie jemals sterben, würde uns das sehr leid tun.“
„Also habt ihr doch so etwas wie Gefühl“, murmelte Ross. Sollten Sie jemals sterben… Diese Worte gefielen ihm nicht besonders. Der Roboter wußte doch, daß alle Menschen sterblich waren.
Ross erhob sich langsam und blieb einige Minuten auf der Stelle stehen, bis sich sein Schwindelgefühl wieder gelegt hatte. Dann ging er auf die Robotschwester und den Instandhaltungsroboter zu.
„Ich werde die Reparatur in zwanzig Minuten beendet haben“, sagte der Instandhaltungsroboter. Er hatte eine tiefe, männliche Stimme. „Die Schäden sind nur oberflächlicher Natur.“
Ross nickte. „Die meisten Bücher hier sind medizinische Abhandlungen, und die Medizin scheint im Augenblick eine tote Wissenschaft zu sein. Aber hier gibt es eine Bibliothek für Patienten, wenn ich mich nicht irre. Sie liegt in der zweiten Etappe, und ich bin überzeugt, daß sie noch vorhanden ist. Ich gehe jetzt hinauf.“
Als er den Raum verlassen und den Korridor betreten hatte, schloß sich ihm ein Aufwarteroboter an, um ihn gegen Gefahren zu schützen. Ross lächelte sarkastisch und begann den Roboter über seine weiteren Pflichten und Aufgaben auszufragen.
7.
Während der folgenden Monate hielt Ross die Roboterscharen in Trab. Die meisten Reinigungs- und Reparaturroboter räumten die erste Etappe auf, auch die anderen fanden zweckdienliche Verwendung. Ross erfand immer neue Arbeiten, die von den Robotern viel zu rasch erledigt wurden. Schließlich gab es kaum noch eine Arbeit, die er diesen dienstbaren Geistern nennen konnte. Ross war vollauf damit beschäftigt, sich immer wieder eine neue Tätigkeit auszudenken. Kaum hatte er einen Auftrag erteilt, kam schon die Vollzugsmeldung und gleichzeitig die Frage nach weiteren Tätigkeiten. Ross hatte kaum Zeit, an sich selbst zu denken, und das wollte er damit auch erreichen.
Die Roboter überbrachten ihm auch die gewünschten Informationen.
Schließlich stand alles auf dem alten Platz und das Hospital war, mechanisch gesehen, wieder voll betriebsfähig. Doch die Blutbank und die medizinischen Vorräte waren nicht mehr brauchbar. Das Kraftstromnetz wurde mittels Atomkraft gespeist, ein nahezu unbegrenzter Vorrat an Energie. Es gab auch noch in jeder Etappe Lebensmittelvorräte, und obwohl die Wasservorräte im Augenblick nicht groß waren, konnte neues Trinkwasser aus dem Ozean gewonnen werden, der seine Radioaktivität verloren hatte. Die Erdkruste war verharscht, doch unter dieser Aschendecke war der Boden normal und hätte Feldfrüchte tragen können. Leider gab es keine Saat.
Ein in der ersten Etappe gefundenes Tagebuch gab Ross die Erklärung:
Der Krieg war mit schweren nuklearen Waffen geführt worden. Einen Monat nach Kriegsausbruch war alles Leben auf der Erde erloschen. Zuerst starben die Tiere, dann die Insektenwelt und schließlich die Pflanzen. Die ungeheure Anzahl der Bomben und die Regelmäßigkeit, mit der sie explodierten, bewies, daß auch noch während des Krieges weitere Bomben und Abschußrampen gebaut wurden. Roboter hatten die menschliche Arbeitskraft nicht nur ersetzt, sondern auch die Plätze der Menschen eingenommen. Sie waren unempfindlich gegen Strahlungen und konnten nur vernichtet werden, wenn sie in ein Hitzefeld gerieten und schmolzen. So wurde die Welt systematisch vernichtet, und das zu einer Zeit, in der die Menschen selbst schon so gut wie ausgestorben waren. Was die Explosionen nicht getötet hatten, holte die Luftverseuchung nach.
Es gab zuerst noch vereinzelte Grasflächen und Bäume, aber ihre Halme und Blätter hatten eine spätherbstliche Farbe, obwohl es erst Mitte April war. Die unter Wasser erfolgten nuklearen Explosionen hatten das Wasser schwarz gefärbt, denn viele Abschußbasen befanden sich unter der Meeresoberfläche. Unglaubliche Mengen toter Fische wurden angeschwemmt. Doch infolge der Radioaktivität verwesten sie nicht, trockneten zu Staub, wurden vom Wind verweht oder vom Meer weggespült.
Das Meer lag noch im Sterben, die Erde war schon tot, und nachts glühte die Luft wie ein Wetterleuchten, das nicht erlosch. Die Welt war eine einzige riesige Feuersbrunst, die in den ausgedörrten Bäumen, Sträuchern und Gräsern immer neue Nahrung fand. Ein Wolkenbruch hätte das Feuer nicht ersticken, sondern bestenfalls hinauszögern können. Die Inseln hielten sich am längsten, aber dann griff der Feuersturm des Festlandes auch auf sie über. Nur in der südlichen Hemisphäre kam das Feuer vorübergehend zum Stillstand. Dort lag Schnee, der in der Gluthitze zwar rasch schmolz, aber den Boden für eine gewisse Zeit feucht hielt. Doch dann zeichnete sich auch hier das Ende ab, und die Flammen stürzten sich gierig auf jeden Grashalm. Im Sterben, dachte Ross, hat sich die Erde in ein Krematorium verwandelt.
Ross fühlte sich nach der Lektüre des Tagebuchs nicht so entmutigt, wie er befürchtet hatte. Er hatte die Erdoberfläche schon gesehen und somit den größten Schock hinter sich. Er wußte auch ungefähr, wie alles weitergehen würde. Nach und nach würde der Regen die ungeheure Aschenmenge aus der Luft waschen und Morast verursachen, der dann trocknete und wieder in die Luft gewirbelt wurde. Trieb ihn der Wind ins Meer, so würde er dort bleiben. Vielleicht dauerte dieser Kreislauf Jahrhunderte, doch eines Tages würde die Luft wieder klar und sauber sein. Ross kam letzten Endes zu dem Schluß, daß er sich in erster Linie um seine unmittelbare Umwelt kümmern mußte, denn das Leben, als Ganzes betrachtet, hatte ihm nicht viel zu bieten.
Er registrierte dreihundertzweiundsiebzig Roboter, drei große Reparaturwerkstätten und eine beachtliche Anzahl kleinerer Räume. Dennoch reichten sie für die von Ross geplanten Vorhaben nicht aus. Er sagte das der Robotschwester und erklärte alles so einfach und logisch wie möglich.
„Ich bin nur ein menschliches Wesen, das in einem Hospital zurückgeblieben ist, in dem die Roboter für die Behandlung von Tausenden von Patienten geschult sind. Weil diese Patienten nicht mehr existieren, gibt es — auf rein medizinischem Gebiet — keine Arbeit mehr für euch. Ihr seid geschaffen, um dem Menschen zu dienen und fühlt euch glücklich dabei. Aber wenn ihr nichts zu tun habt, seid ihr unglücklich. Ich habe neue Aufgaben für euch. Ihr müßt euch weiterbilden und zusätzliche Erkenntnisse sammeln, die ihr vielleicht einmal verwerten könnt. Bevor ich Einzelheiten bekanntgebe, frage ich: Sind meine Vorschläge praktisch durchführbar?“
Der Roboter schwieg drei Sekunden und sagte dann: „Ich habe Ihre Frage dem Senior-Roboter übermittelt, Sir. Strukturelle Veränderungen sind kein Problem, doch die Fähigkeit, neue Erkenntnisse aufzunehmen, ist von der Kapazität unseres Gedächtnisses abhängig. Eine genaue Antwort können wir ihnen nur geben, wenn wir Art und Umfang der von Ihnen gestellten Aufgaben wissen.“
„Ausgezeichnet“, sagte Ross. „Der Senior-Roboter, wie du ihn nennst, soll zu mir kommen. Ich weiß natürlich, daß du dich auch aus weiter Entfernung mit ihm unterhalten kannst, aber ich würde mich freuen, ihn in meiner Nähe zu haben. Ich habe einige Skizzen und Zeichnungen, die ihr beide sehen sollt.“
Ross ging zum Schreibtisch und öffnete das große Hauptbuch, das seit Monaten seinen Platzt Zwischen einem Diarium und einem Notizbuch hatte. Er nahm Platz. Die Robotschwester nahm hinter ihm Aufstellung, und kurz danach quetschte sich der Senior-Roboter durch die Tür. Seine massige Form schien den ganzen Raum auszufüllen.