„Ja, Sir“, sagte der Senior-Roboter.
„Vielleicht ist dieser Typ so groß, daß er nicht in diese Räume hineinpaßt“, gab die Schwester zu bedenken.
Daran hatte Ross nicht gedacht, fand es aber auch nicht weiter wichtig. „Wir können sie auf der Erdoberfläche unterbringen“, meinte er.
„Ihr vorgeschlagenes Programm ist durchführbar, Sir“, sagte der Roboter. „Ich brauche nur genaue Direktiven und eine Anweisung, wie Ihr Plan schematisch durchzuführen ist.“
Ross fluchte insgeheim, denn die Pläne hatte er selber noch nicht fertig.
Ein paar Stunden später war Ross Zeuge, wie der Senior-Roboter und ein Gehilfe die Einzelteile der Robotschwester auf dem Fußboden verstreuten. Ross war nicht empfindlich, aber Schwester 5 B redete auch in diesem Zustand weiter. Das war doch etwas anderes als eine an einem menschlichen Körper durchgeführte Operation. In einer unglaublich kurzen Zeit hatte der Senior seinen Gehilfen in die neue Tätigkeit eingeweiht, und es dauerte nicht lange, da hatten sie die Robotschwester wieder vollständig zusammengebaut. Das Werk war unheimlich in seiner Präzision. Jeder Handgriff saß perfekt. Courtland, der Erfinder dieser technischen Wunderwerke, mußte wirklich ein Genie gewesen sein.
Ross hatte nun drei Roboter zur Verfügung, die überdurchschnittliche Fähigkeiten besaßen. Innerhalb von drei Wochen würden auch die anderen Roboter diese Fähigkeiten besitzen. Ein großer Augenblick für Ross, doch irgendwie war es ihm unheimlich. Obwohl er sich mit kybernetischen Werken befaßt hatte, hatte er so gut wie gar nichts verstanden und konnte nicht sagen, ob das, was die Roboter vor seinen Augen geleistet hatten, richtig war.
Wenn er gründlich darüber nachdachte, kam er zu dem Schluß, daß er sich in seiner Eitelkeit verletzt fühlte, denn die Roboter waren klüger. Er wollte nicht zugeben, daß er in mancher Beziehung dümmer war als eine Maschine. Er mußte sich gewaltsam einreden, daß es mehr oder weniger nur tote Werkzeuge waren, die die Aufgabe hatten, für ihn zu arbeiten. Er hatte sich darüber zu freuen, daß sie ihm zur Verfügung standen. Sollte er wütend auf sie sein, weil ihr Gehirn besser arbeitete? Nein! Diese Fähigkeit verdankten sie ja letzten Endes dem Erfindergeist der Menschheit.
Nur kurz stellte sich Ross die Frage, ob er auch wußte, was er wirklich tat. Er hatte ein merkwürdiges Gefühl, so, als säße er in einem Gefängnis, dessen Tür zwar noch offenstand, aber sich jeden Augenblick schließen konnte.
Als erste sichtbare Veränderung benötigte jeder Roboter einen Anhänger und ein elastisches Kabel, das den auf dem Anhänger befestigten Kasten mit dem Hauptkörper verband. In den Elektronenzellen des Kastens konnte zusätzliches Wissen aufgespeichert werden. Die Grundidee von Ross war, die durchschnittliche Intelligenz der Roboter zu erhöhen und sie aufnahmefähiger zu machen. Wäre es möglich gewesen, so hätte er am liebsten auch bei sich ein solches Gerät installiert. Die Roboter erledigten alle Aufgaben mit einer erstaunlichen Sicherheit und Zuverlässigkeit. Ross hätte auf jeden Fall länger dazu gebraucht. Er kam sich wie ein Lehrer vor, dessen Schüler bedeutend mehr wußten, was jedoch keineswegs bedeutete, daß er weniger zu tun hatte.
Auf der Erdoberfläche wurde zunächst ein kuppelartiger Zeltbau errichtet, unter dem der Schacht gebaut werden sollte. Fünfzig Roboter waren mit dem Bau beschäftigt. Höher in den Bergen wurde für Ross ein kleineres Zelt errichtet, in dem sich ein Stuhl und funktechnische Geräte befanden. Es bedeckte eine Fläche von etwa fünfundzwanzig Quadratmetern, die von Asche und Geröll befreit worden war. Wenn es regnete und der Wind günstig stand, konnte Ross das Meer sehen, doch gewöhnlich erblickte er einen schmutzigen, grauen Nebel und den trübe verschwommenen roten Kreis der Sonne.
Es war sehr warm an der Erdoberfläche, auch nachts wich die Hitze nicht. Das lag sicher an der staubverpesteten Atmosphäre, die die Erde umgab.
Obwohl er die Erde innerhalb des durchsichtigen Transparentzeltes ständig anfeuchten ließ, wurde nicht die Knospe eines Grases sichtbar. Es wuchs einfach nichts mehr.
In den Arbeitspausen füllte Ross die Elektronengehirne seiner Roboterscharen mit weiterem Wissen. Um ihnen zu demonstrieren, was ein Flugzeug sei, faltete er eine Papierschwalbe, die er gegen den Wind fliegen ließ und weihte sie dann in die entsprechenden wissenschaftlichen Werke ein. Schwieriger wurde es schon bei der Seefahrt. Weil seine Schiffsmodelle schwammen, hielten die Roboter das Wasser für einen soliden und kompakten Untergrund und versuchten gewissermaßen über die Wellen zu schreiten. Zum erstenmal nach langer Zeit brach Ross in ein befreiendes Gelächter aus.
Als sich der Minenstollen seiner Vollendung näherte, befahl Ross einem Roboterteam, ein Vielzweckfahrzeug zu entwerfen, nicht ganz so groß wie eine Lokomotive. Er gab ihnen die wenigen Bücher über Kybernetik und eine Reihe Notizen, die Courtland gemacht hatte.
Die Erfolgsmeldungen trafen nur spärlich ein und waren ziemlich enttäuschend. Schlimm war, daß Ross den Robotern nicht sagen konnte, wie sie es besser machen sollten. Er sagte lediglich: „Dann müßt ihr etwas falsch gemacht haben.“
„Was haben wir falsch gemacht, Sir?“
„Hm!… An irgend etwas muß es schließlich liegen.“
„Woran, Sir?“
„Wenn ich das wüßte, würde ich euch ja nicht fragen.“
So ließ Ross sie weiterarbeiten in der Hoffnung, daß sie die Fehlerquellen selbständig finden würden. Er hatte ihnen einen Auftrag gegeben, und sie waren gewohnt, Aufträge auszuführen.
Als Ross eines Tages die Mine inspizierte, stolperte er über einen Erdhaufen und stürzte. Als die Robotschwester ihn wiedersah, sprach sie ihn mit,Mister Ross’ an und steckte ihn ins Bett. Sie hielt ihm noch einen zehnminütigen Vortrag über die Dummheit menschlicher Wesen, die sich einbildeten, wie Roboter ohne Ruhepause arbeiten zu können. Er wäre vor lauter Schwäche gestürzt und müsse berücksichtigen, daß die inneren Organe eines menschlichen Körpers keineswegs auswechselbar seien. Er müsse sie funktionsfähig halten und das möglichst lange. Hierzu sei unbedingt eine strenge Bettruhe erforderlich. Und wenn die Robotschwester von einer,strengen Bettruhe’ sprach, dann meinte sie auch nichts anderes. Seitdem Schwester 5 B zusätzliche Elektronenzellen eingebaut bekommen hatte, nahm sie alles noch gründlicher. Diesmal bedeutete Bettruhe, daß er sich nicht einmal unerlaubt aufrichten durfte, Notizen machen oder wissenschaftliche Werke lesen konnte. Doch nach einigem Hin und Her gestattete sie ihm das Lesen von leichten Unterhaltungsromanen, die sie aus der Bibliothek des Hospitals holen ließ.
Es war beinahe schon ein Jahr her, seitdem man auf diese Weise seine Autorität untergrub. Manchmal kam Ross sich vor wie ein Herrscher, manchmal wie ein Sklave. Er wußte kaum noch, was er nun wirklich war. Gehorchte er den Robotern, oder gehorchten sie ihm? Diese verdammte Bettruhe! Abgesehen davon, hatte er noch eine Menge Arbeit vor sich; der Gedanke, untätig im Bett liegen zu müssen, brachte ihn dem Wahnsinn nahe. Und die Bücher konnten ihn auch nicht trösten, denn alles, was darin geschah, hatte nichts mehr mit der Wirklichkeit zu tun. Das würde es nie mehr geben, das war vorbei. Es gab keine sonnenüberfluteten Lagunen mehr, keine sich im Wind wiegenden Palmen, keinen frischen Grasgeruch, kein lustiges Vogelgezwitscher und überhaupt kein Leben.
Ross klappte diese Bücher bald wieder zu, nicht so sehr, weil sich alle beschriebenen Szenen vor seinen Augen in Schutt und Asche verwandelten, sondern weil von Menschen und deren Schicksalen die Rede war.