„Wir haben Raumschiffe gebaut“, erklärte die Robotschwester, „und die Maschine, die Sie dort sehen, kann auch einen Menschen aufnehmen.“
„Das… das ist ja sehr interessant“, stammelte Ross noch immer verblüfft.
„Wenn Sie sich kräftig genug fühlen, würde ich vorschlagen…“
„Ich nehme den Vorschlag an!“ lachte Ross und versetzte der Robotschwester einen freundlichen Klaps auf ihren Metallrumpf.
Er rannte auf die Rakete zu und fiel zweimal der Länge nach ins Gras. Aber das machte ihm nichts aus, und auch der scharfe Sand unter seinen Fußsohlen erhöhte nur noch seine Daseinsfreude.
Dann kletterte er in die kühle Kabine der Rakete und betrachtete die Schalttafeln.
Das Beobachtungsabteil war klein und enthielt einen Polstersessel. Von diesem Platz aus hatte man die beste Sicht und konnte in drei Himmelsrichtungen blicken. Es gab noch ein größeres Abteil, das wie die Miniaturausgabe eines Aufenthaltsraumes aussah. Es enthielt einen Liegestuhl, Toilettenartikel und ein wohlgefülltes Bücherregal.
„Ihr habt wirklich an alles gedacht“, sagte er spontan.
„Danke, Sir“, sagte der Raumschiffroboter durch einen hinter dem Beobachtungssessel angebrachten Lautsprecher. „Ich bin Sucher A 17/3, eines von insgesamt fünf Modellen, die für längere Erkundungsflüge konstruiert wurden. Alle Geschwindigkeiten und Steuermanöver dieses Modells lösen bei einem Menschen keinerlei Unbehagen aus. Die Zentrifugalkraft bei schnellen Kursänderungen wird automatisch aufgehoben. Sie können sich in der Kabine frei bewegen. Wohin möchten Sie fliegen, Sir?“
Für Ross war das der glücklichste Augenblick seines Lebens.
In Höhen, die zwischen zehn Meilen und nur hundert Metern schwankten, raste das Raumschiff über Täler und Höhen. Ross sah die frische, grüne Welt unter sich. Das war seine Welt, denn letzten Endes verdankte sie ihm ihre Wiedergeburt.
Im äquatorialen Afrika und rund um das Amazonasbecken strahlte der Grasteppich im prächtigsten Grün. Die Steppenlandschaften waren smaragdgrüne Ozeane, sonst sah man weder Sträucher noch Bäume. Der Teppich reichte bis zwanzig Meilen an die polarischen Eisregionen heran und machte erst kurz vor den Gipfeln der schneebedeckten Berge halt. Manchmal herrschte auch eine herbstliche Farbtönung vor, das war durch die wechselnden Jahreszeiten in den verschiedensten Ländern bedingt. Es sah aus, als wäre jemand durch die Welt gegangen und hätte mit einem riesigen Pinsel Farbkleckse in die Landschaft getupft.
Gelegentlich unterbrach das tiefe Blau eines Binnensees die Landschaft oder die schneebedeckten Gipfel eines Berges. Es waren immer nur die gleichen wenigen Farbschattierungen, aber sie waren schöner und leuchtkräftiger als grau und schwarz; zwei Farben, die Ross noch unangenehm in Erinnerung hatte.
Am späten Nachmittag überflog er die Karibischen Inseln und sah die schneeweiße Brandung. Eine Insel schien ihm besonders günstig gelegen. Er gab den Befehl, zur Landung anzusetzen.
Die Robotschwester erhob keinen Einspruch und wies ihn lediglich daraufhin, daß er sich nicht übermäßig anstrengen und sich vor einem Sonnenbrand vorsehen möge.
„Werd’s mir merken, Schwester“, sagte Ross. Er stieg aus, rannte über die hellgelbe Strandfläche und sprang mit einem wilden Schrei in die nächste Welle hinein.
Nach einem ausgiebigen Bad ging er ein Stück landeinwärts und ließ sich dabei von der Sonne trocknen. Doch außer der grünen Grasfläche gab es nicht viel zu sehen. So kehrte er.-beizeiten wieder um und legte sich in den heißen Sand. Es mochte eine Stunde vor Sonnenuntergang sein, doch die Hitze hatte noch nicht nachgelassen.
Ross war glücklich und, was die Zukunft anbetraf, wieder sehr optimistisch. Im Augenblick war er allerdings zu müde und zu zufrieden, um weitere Pläne auszuarbeiten. Doch blickte er auf seine Leistungen zurück, so durfte er durchaus ruhig und ohne Gewissensbisse schlafen.
Er rollte sich auf den Rücken, tastete mit der rechten Hand herum, hatte einen Grashalm zwischen den Fingern, steckte ihn in den Mund und kaute darauf herum.
Die Robotschwester sah das und klärte ihn auf, daß es sich um eine nicht,eßbare’ Grasart handele, die aber, in kleinen Mengen genossen, kaum schädlich sei.
Ross lachte schallend, stand auf, reckte die Arme der Sonne entgegen und kehrte wieder in das Raumschiff zurück, wo er eine reichliche Mahlzeit zu sich nahm. So endete der glücklichste Tag seines Lebens.
Ross erwachte am nächsten Morgen. Das Raumschiff war noch immer in der Luft und wich gerade einem Hurrikan aus, der von Südwesten heraufzog.
Eine Stunde später sah Ross zweihundert Meilen von der Westküste Panamas entfernt den Kondensstreifen eines weiteren Raumschiffes vom Typ A 17 und trat mit ihm in Funkverbindung, um ein paar kurze Informationen einzuholen. Er hatte gerade abgeschaltet, als er am Horizont eine Anzahl heller Streifen wahrnahm. Innerhalb zehn Minuten hatte sich dieses Rätsel gelöst. Nach dem Graswuchs war dies für Ross die zweite Sensation.
Es handelte sich um eine Formation von einhundert langen, flachen und rechteckigen Schiffen, die sich durch die Wellen des Pazifischen Ozeans kämpften. Es sah aus wie eine gewaltige Kriegsflotte. Andererseits hatten die Schiffe nichts mit früheren Typen gemeinsam. Ross konnte sich nicht entsinnen, jemals solche Seefahrzeuge gesehen zu haben. Das Kielwasser erweckte den Eindruck, als zöge jedes Schiff ein langes Schleppnetz hinter sich her. Die einhundert Schiffe fuhren in einer Formation, die jeden Admiral mit Hochachtung erfüllt hätte.
„Die Pazifik-Forschungsflotte“, erklärte die Robotschwester. „Jedes Schiff ist mit den modernsten Unterwassersuchgeräten ausgerüstet. Wir haben alles berücksichtigt, was wir über diese Ausrüstung in den Nachschlagwerken gefunden haben. Dann haben wir diese und jene Geräte noch weiterentwickelt. Jeweils zehn Schiffe sind in fünfhundert Fuß Tiefe miteinander verbunden und haben außerdem Beobachtungskammern, die…“
„Sehen wir uns diese Ungetüme aus der Nähe an“, schlug Ross vor.
Eine halbe Stunde kreiste er über der Flotte. Es sah seltsam aus, wenn jeweils zehn Schiffe die gleichen Schlingerbewegungen ausführten. Er, Ross, war für die Existenz dieser Flotte verantwortlich. Dieser Gedanke machte ihn ein wenig trunken. Er hätte der Flotte am liebsten Kommandos gegeben und sie bald nach Backbord und bald Steuerbord einschwenken lassen. Oder sie sollten sich so formieren, daß sein Name auf dem Ozean zu lesen war. Aber er unterdrückte diese leise Anwandlung von Größenwahn.
Wenig später schlug die Robotschwester vor, südwestlichen Kurs einzuschlagen, denn sie wollte ihm das interplanetarische Forschungsprojekt zeigen.
Auch das war ein ereignisreicher Tag. Doch Ross wollte endlich wieder arbeiten, was die Robotschwester immer wieder verhinderte. Gab er einen Befehl, so funkte sie einfach dazwischen, und wenn sie ihm wenigstens etwas über den Verlauf der Arbeiten erzählen sollte, erinnerte sie ihn daran, daß er sich auf einer Erholungsreise befand und nicht einmal das Wort,Arbeit’ aussprechen dürfe. Bisher hatte ihn die Robotschwester nur mit zwei Methoden behandelt; erstens als Patient, wenn sie keinen seiner Befehle ausführte, und zweitens als Boß, wenn sie alles tat, was er anordnete. Doch jetzt schien sie noch eine dritte Behandlungsmethode zu haben, sie tat zwar nicht alles, verweigerte aber auch nicht alles oder redete ihm zur Einsicht zu. Zuerst hatte Ross einen technischen Fehler vermutet, zumal sie nicht mehr den Anhänger mit den speziellen Daten mit sich schleppte. Er dachte, sie habe die Kiste im Raumschiff vergessen. Doch die Robotschwester erklärte ihm, daß sie diese Kiste schon seit zehntausend Jahren nicht mehr benötige.
So schwamm und faulenzte Ross an den schönsten Küsten der Welt herum und ließ sich von der Sonne bräunen. Eines Tages ermahnte ihn die Robotschwester wieder zur Arbeit mit dem Hinweis: „Die neuen Forschungsberichte befinden sich im Hospital, Sir. Möchten Sie wieder zurückkehren?“