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„Ja, Sir“, antwortete die Robotschwester.

Ross betrachtete das Bild solange, bis er das Bewußtsein verlor und der Deckel über ihm geschlossen wurde.

15.

Während er schlief, absorbierte seine Graswelt Kohlensäure und Stickstoff aus Erde und Luft. Im Laufe der Jahrzehnte verdoppelte sich der Sauerstoffgehalt der Luft. Einer längeren Trockenperiode folgte ein plötzlicher Gewittersturm. Ein Blitzbündel fuhr in das nunmehr schon sechs Meter hohe Gras. Innerhalb weniger Minuten raste eine viele Hektar Land umfassende Flammenwand mit Windgeschwindigkeit dahin und schleuderte Funken und Rauch zum Himmel empor. In der sauerstoffreichen Luft brannte selbst nasses Gras, und das Feuer fand mühelos immer neue Nahrung. Es fegte über Länder und Kontinente, wurde zwar manchmal langsamer, aber fraß sich trotz zahlreicher Regenstürme wie ein Lavastrom immer weiter. Einige wenige Inseln im mittleren Pazifik entgingen ihrem Schicksal, doch all die andern verwandelte das Feuer in Scheiterhaufen. Der Sturm trieb die Funken und Glutwolken des Feuers in die entlegensten Gebiete und Landstrecken.

Ross wünschte, er wäre nie mehr erwacht. Der Kreis hatte sich geschlossen, wieder war alles um ihn Rauch und Asche.

Ehe er etwas sagen konnte, erklärte ihm die Robotschwester, was in der Welt vorgegangen war. Die freigewordene Kohlensäure hatte den Sauerstoffgehalt der Luft wieder normalisiert. Die Asche würde mit der Zeit wieder verschwinden.

„Und warum wurde ich geweckt?“ fragte Ross maßlos enttäuscht.

„Es handelt sich um Veränderungen des Seegrases, Sir“, antwortete die Robotschwester.

Gefährliche und durch die große Erdnähe des Mondes verursachte Flutwellen hatten das Gras gezwungen, sich weiter ins tiefere Meer zurückzuziehen. Hier, unter starken Druckverhältnissen, Dunkelheit und einer ständig ansteigenden Temperatur, hatte es sich im Wuchs verändert. Auch unter erschwerten Umständen dem Gebot des Lebens folgend, hatten die Pflanzen große Mengen von Mineralien aufgesogen und zur gleichen Zeit leicht Wurzeln geschlagen. War die Stelle,abgegrast’, mußten sie weiterziehen.

Unlängst hatten sich diese beweglichen Pflanzen teppichartig miteinander verbunden und bildeten jetzt einige hundert Kolonien, die wie wandernde Teppiche über den Meeresboden krochen und sich unaufhörlich auf der Suche nach neuen Mineralien befanden.

„Laßt ein paar Millionen Jahre alles so bleiben wie es ist“, seufzte Ross, — „mal sehen, was dabei herauskommt.“

Er wollte wieder zum Lift gehen und nach unten fahren. Zugegeben, diese wandernden Teppiche auf dem Meeresboden verrieten schon so etwas wie Leben, aber Ross hatte eben nicht die Geduld eines Elektronengehirns.

Die Robotschwester verstellte ihm den Weg und sagte: „Es ist besser, wenn Sie jetzt einige Zeit wachbleiben, Sir.“

Das hörte sich eher nach einem Befehl an, als nach einem Rat.

Frechheit, dachte Ross und brummte: „Warum soll ich wachbleiben?“

„Aus psychologischen Gründen, Sir“, war die respektvolle Antwort.

„Ich fühle mich nirgends wohler als im Tiefschlaf, Schwester.“

„Sie sollten zumindest einen Monat wachbleiben“, war die Antwort.

„Einen Monat? Du mußt berücksichtigen, daß mir jede Stunde wie ein Jahr vorkommt!“

„Sie müssen begreifen lernen und untersuchen, was wirklich geschehen ist, Sir.“

„Das hast du mir doch erzählt. Genügt das etwa nicht?“

„Sie dürfen nicht aufgeben, Sir. Sie müssen wieder Interesse finden. Wir… wir fürchten um Ihre Gesundheit, Sir.“

Ross schwieg. In der gegenwärtigen Situation, dachte er, ist Bettruhe entschieden von Nachteil.

„Wir könnten eine weitere Parade abhalten, Sir“, schlug die Robotschwester vor. „Es stehen zwar nicht so viele Roboter zur Verfügung wie beim letztenmal, aber dafür ist die Sicht auch nicht so gut. Wir haben auch daran gedacht, ein Manöver zu veranstalten, um Ihnen Freude zu machen.“

„Manöver?“ staunte Ross. „Wo habt ihr denn das aufgeschnappt?“

„Aus den Kriegsbüchern in unserer Bibliothek, Sir. Wir werden uns nicht mutwillig zerstören, es sei denn, wenn wir ein Menschenleben zu verteidigen haben.“

Ross schüttelte den Kopf.

„Sie können uns dabei unterstützen“, sagte die Robotschwester und begann zum erstenmal seit Tausenden von Jahren wieder zu ticken.

„Wie kann ich euch unterstützen?“ fragte Ross ein wenig stärker interessiert. Ein von Robotern ausgeführtes Manöver — das war schon etwas.

* * *

Ein plötzlicher Wolkenbruch ließ den Erdboden dampfen. Der Himmel klarte verhältnismäßig auf. Durch die über dem Meer hängende Dunstwolke schimmerte ein verschwommenes sichelförmiges Etwas. Das war der Mond. Von der Sonne am westlichen Horizont sah man nur einen nebelhaften Lichtflecken mit in dem Dunst zerfließenden Rändern.

Ross sah noch einen Hoffnungsschimmer, aber diese Hoffnung war aus einer ausweglosen Verzweiflung geboren: die Flucht vor sich selbst.

Es hatte ja alles keinen Sinn mehr, schon lange nicht mehr. Wie konnte ein Staubkorn die Erde vor dem Verfall retten?

Seine Gedanken waren weit weg, und wie aus weiter Ferne drangen auch die Worte der Robotschwester an sein Ohr:

„… haben uns Ihre Anweisungen und Befehle nur wenig Arbeit gebracht, Sir. Auch ein Roboter kann sich langweilen, wenn er keine andere Aufgabe hat, als die Tage und Jahre zu zählen, die Sie im Tiefschlaf verbringen.“

„Dann müßt ihr euch eben eine… eine Freizeitbeschäftigung ausdenken“, sagte Ross und zuckte müde die Achseln.

„Darum haben wir an uns gearbeitet, Sir.“

„Gut,* dann arbeitet weiter; mir fällt nichts mehr ein.“

„Wir haben mittels unseres ungeheuren Vorrats an wissenschaftlichen Daten mit Erfolg nach Methoden gesucht, unsere Kenntnisse weiter auszuwerten. Namentlich auf dem Gebiet der Physik haben wir beachtliche Fortschritte zu verzeichnen…“ Die Robotschwester begann in einer Weise zu ticken, wie sie das angesichts eines schwierigen Problems immer zu tun pflegte.

„Dein Ticken sagt mir, daß dein Elektronengehirn einen außergewöhnlichen Gedanken hat“, sagte Ross apathisch.

„Doch auf sozialem Gebiet und aller damit verwandten Wissenschaften stehen wir vor Problemen, die wir nur unter menschlicher Führung lösen können.“

„Zum Beispiel?“ fragte Ross.

„Ist es zulässig, menschliche Wesen mittels periodischer Kriege auf eine höhere Stufe der Zivilisation zu bringen?“

„Das ist vielleicht eine Frage…!“

„Gesetzt den Fall, sie haben gute, wenn auch nicht lebenswichtige Gründe, diese Stufe der Zivilisation zu erreichen?“

Da bist du in ein ziemlich tiefes Fahrwasser geraten, Schwester, dachte Ross einigermaßen belustigt und sagte mit Nachdruck: „Ich weiß, daß es nur eine utopische Frage ist, denn Menschen gibt es nicht mehr. Ich würde jedoch behaupten, daß Kriege unter keinen noch so außergewöhnlichen Umständen gestattet sind; es sei denn, aus lebenswichtigen Gründen oder um dem geplanten Überfall eines Feindes zuvorzukommen. Andere Gründe gibt es meines Wissens nicht. Sollten die Roboter jedoch auf die blödsinnige Idee kommen, unter ihresgleichen Kriege zu führen, um diese,höhere’ Stufe ihrer Entwicklung zu erreichen…?“

„Nein, Sir“, sagte die Robotschwester.

Doch Ross wurde diesen düsteren Verdacht nicht los. Er erinnerte sich an eine Unterhaltung, die er vor langer Zeit mit der Robotschwester geführt hatte. Er sprach von Freundlichkeit, Lügen und Wortgeplänkel. Namentlich an letzterem schien sie Gefallen gefunden zu haben. Aber sie hatte auch Handlungen ausgeführt, die echte Freundlichkeit verrieten. Sollte sie jetzt…?

„Sagst du mir auch die Wahrheit?“ fragte Ross mit scharfer Betonung.

„Ja, Sir“, sagte die Robotschwester.