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Der Roboter tickte wie besessen und schien schließlich zu der Überzeugung zu kommen, daß die Sterne für dieses Vorhaben günstig standen. Um den Elevatorschacht frei zu machen, war die Hilfe der schwereren Bewachungsroboter erforderlich. Es waren fünf Schächte nebeneinander. Die Roboter gehorchten nur menschlichen Befehlen. Sie waren nicht so glänzend wie der Schwesterntyp. Ein Wort genügte zwar, um sie in Bewegung zu setzen, aber es waren eine Menge Worte erforderlich, um ihnen begreiflich zu machen, was zu tun war. Und Ross durfte nicht früher einsteigen, bis die Roboter eine Probefahrt gemacht hatten. Diese und ähnliche Verzögerungen veranlaßten Ross, noch einmal in dem Diarium zu blättern. Jetzt kannte er den Sinn dieser Notverordnungen: es hatte ein Krieg stattgefunden. Nach den Aufzeichnungen von Doktor Pellew hatte der Krieg fünf Monate gedauert. In den ersten fünf Wochen nach Kriegsende durfte sich kein Lebewesen auf der Erdoberfläche blicken lassen…

Ross wollte heraus, egal, was ihn oben erwartete. Nur weg von diesen gespenstischen Robotern und der tödlichen Stille der einzelnen Räume. Er rechnete nicht mehr damit, oben noch Menschen anzutreffen oder sonstige Lebewesen. Aber er würde Insekten, Gräser und Bäume sehen, dazu einen Himmel mit Sonne und Wolken; auch die frische unverfälschte Luft würde ihm schmecken. Nein, er glaubte an keine Überlebenden mehr — und doch gab er insgeheim die Hoffnung nicht auf.

Jede Etappe der Fahrt nach oben war die gleiche. Überall erkundigte sich Ross bei dem Wachroboter, ob noch Menschen vorhanden seien. Wurde diese Frage verneint, so erkundigte er sich nach dem Roboterpersonal der Etage. Innerhalb weniger Minuten umringten ihn die zylinderförmigen Wesen vollzählig, und ihre Stimmen klangen so echt menschlich, daß Ross eine Gänsehaut bekam.

Der Lift hielt auch in der Etage, die zu der Zeit, als Ross im Tiefschlaf lag, am tiefsten gelegen war. Im Korridor dieser Sektion des unterirdischen Hospitals lag der Staub von Jahrhunderten wie grauer Schnee auf dem Fußboden. Die Roboter, die Ross herbeirief, entfachten einen regelrechten Staubsturm.

Die erste Etappe von oben lag immerhin noch hundert Fuß unter der Erdoberfläche. Sie sah aus wie ein Schrottlager und die Roboter darin nicht viel besser. Die Decke hatte breite Risse und die Wände wiesen Löcher auf, die an Unterstände erinnerten. Aber Ross sah auch einen Tunnel, der schräg aufwärts verlief und einen verschwommenen grauen Lichtschein erkennen ließ. Ross konnte nicht sagen, ob die Leute dieser Etappe den Tunnel gegraben hatten, um an die Erdoberfläche zu gelangen, oder ob die Leute von oben dem Grauen des Krieges entgehen wollten, indem sie versuchten, so tief wie möglich im Erdinnern zu verschwinden.

Ross ging auf den Lichtschein zu. Der ihn begleitende Roboter hatte Mühe, ihm auf den Fersen zu bleiben, zumal er nur drei Räder besaß.

Kurz vor der Öffnung des Tunnels brach Ross erschöpft zusammen. Er sah Erdbrocken, Felsgestein und Scherben, die wie geschmolzene Glassplitter aussahen. Die Luft hatte einen eigenartigen Geruch, den seine noch vom Staub gereizte Nase nicht identifizieren konnte. Die Öffnung des Tunnels war nur wenige Meter entfernt; Ross lag schon im Bereich des grauen Lichtscheins. Der Helligkeit nach zu urteilen, mußte es dem Abend oder der Morgendämmerung zugehen.

Er ruhte sich noch ein paar Minuten auf dem Bauch liegend aus, rappelte sich auf und lief taumelnd ins Freie.

* * *

Forschend blickte er herum. Ein Windstoß hüllte ihn in eine Staubwolke, und er konnte kaum weiter als vierzig Meter sehen. Die Erde war dunkelgrau und schwarz. Überall geschmolzenes Gestein. Es sah aus, als habe jemand die Felsen mit einer schwarzglänzenden Glasur überzogen. Der Wind ließ Aschenwirbel entstehen und zerfliegen. Die ganze Landschaft erinnerte an einen plötzlich zu Glas erstarrten Ozean.

Die Sonne stand hoch am Himmel und hatte einen breiten Hof aus schmutzig-rötlicher Farbe. Die Wellen des echten Ozeans rauschten in einer Entfernung von einer halben Meile.

An jenem Strand hatte Ross oft in der Sonne gelegen, mit andern Studenten und mit Alice. Das waren herrliche Tage gewesen…

Ross ging in Richtung des Strandes. Er kam sich selber wie ein seelenloser Roboter vor, der mechanisch einen Fuß vor den andern setzte. Am Stand schien die Sonne heller, und ihre rote Scheibe war auch deutlicher zu erkennen. Der vom Ozean kommende Wind war frei von Asche. Ja, es gab auch noch Wellenberge, aber sie waren schwarz wie Tinte. Rollten sie am Ufer aus, so blieben schmutzige Schaumkronen liegen. Das Wasser in den Tümpeln des Strandes war von einem dünnen schwarzen Film bedeckt. Nirgendwo ein Halm Seetang, keine Algen, überhaupt nichts, was eine grüne Farbe hatte.

Man hatte im Verlauf dieses Krieges auch das Meer getötet.

Ross setzte sich auf einen Felsen, den die Wellen geglättet und eine glänzende Politur verliehen hatten. Er blieb sehr lange sitzen. Es begann zu regnen, und die Aschenwolken wurden aus der Luft gewaschen. Jetzt konnte Ross auch landeinwärts blicken und sah eine Gruppe Roboter, die im Gänsemarsch aus dem Tunnel kamen. Er beobachtete sie und überlegte, ob er seine Toga ausziehen und ein Bad nehmen sollte. Doch das hätte vielleicht seinen Tod bedeutet. Und wenn schon, dachte er. Die Welt hatte aufgehört zu existieren; er war wahrscheinlich das einzige menschliche Lebewesen auf diesem verwüsteten Planeten. Was konnte ihm die Zukunft schon bringen? Einsamkeit oder Wahnsinn. Dabei war Ross erst zweiundzwanzig Jahre.

Die Roboter hatten Ross nun erreicht und umringten ihn.

„Sie müssen jetzt in Ihr Bett zurückkehren, Mister Ross“, sagte sein Leibwächter.

Sekunden später wurde er behutsam von den Armen eines Roboters ergriffen und auf dessen Rücken gehoben. Auf diese einfache Weise gelangte Ross zur Tunnelöffnung. Er brauchte einige Minuten, um zu begreifen, daß man ihn einer gründlichen Untersuchung unterzog und über die beim Sturz erlittenen Kratz- und Schnittwunden ernsthaft diskutierte. Er wurde seines Postens als,Gebieter’ enthoben und zum,Patienten’ degradiert. Aus dem,Sir’ war wieder ein,Mister Ross’ geworden.

Nach eingehender Beratung verurteilte man ihn zu einer siebzehntägigen Bettruhe.

6.

Ross durfte nicht früher das Bett verlassen, bis die letzte Wunde verheilt war und der Schorf sich gelöst hatte. Während dieser Zeit beachteten die Roboter seine Anweisungen nicht, es sei denn, sie hingen mit seiner Genesung zusammen. Noch weniger beachteten sie seine ungeduldigen Drohungen und Verwünschungen. Schon am zweiten Tag bekam Ross einen leichten Tobsuchtsanfall, weil man ihm nicht gestattete, sich außerhalb des Bettes zu bewegen. Er war ungemein wütend, daß man wegen dieser lächerlichen Verletzungen soviel Aufhebens machte. Es half ihm auch nichts, daß er fortwährend beteuerte, in der nächsten Minute wahnsinnig zu werden und den Robotern die Frage stellte, ob sie das verantworten könnten. Die Roboter redeten sachlich auf ihn ein und bestanden hartnäckig auf weiterer Bettruhe. Der Ausflug an die Erdoberfläche habe an seinen Kräften gezehrt, behaupteten sie. Ross hätte vor Verzweiflung nicht einmal Selbstmord begehen können, weil ihn ständig ein Roboter bewachte.

Ross bemühte sich, nicht an die Zukunft zu denken. Er hätte sich gern mit jemand über belanglose Dinge unterhalten, und zwar mit einem menschlichen Wesen. Doch die Robotschwester durfte sich während des Dienstes mit dem Patienten nicht über solche Dinge unterhalten — und Ross war jetzt ein Patient. Drei- oder viermal täglich bekam er ein paar aufmunternde Worte zu hören; das waren immer die gleichen.

Schloß er die Augen, tauchten gespenstische Bilder vor ihm auf; so hielt er sie nach Möglichkeit offen und starrte die Decke an. Um seinen Geist zu beschäftigen, betrachtete er manchmal auch die Bettdecke und versuchte die chemische Beschaffenheit der Gewebefasern zu enträtseln. Hin und wieder suchte er auch nach einem Punkt auf der schneeweißen Decke. Aber er entdeckte nicht das winzigste Stäubchen und erreichte nur, daß ihm vor Anstrengung die Augen schmerzten. Nirgendwo sah er auch nur einen Schatten, den seine Phantasie hätte weiter ausmalen und beleben können. Der einzig interessante Gegenstand war der Roboter: an ihm fanden seine Augen einen Halt. Ein glatter, eiförmiger, halsloser Rumpf mit einer feststehenden unfeiner drehbaren Augenlinse. So seltsam der Roboter aussah, war er doch ein wahres Wunderwerk der Technik, der seine Entstehung einem Verzweiflungskampf der aussterbenden Menschheit verdankte. Man brauchte Roboter, und man brauchte immer mehr…