Ross dachte an seine Träume, in denen Metallarme nach ihm griffen und sich auf Kopf, Brust und Arme legten. So konnte er sich auch in die Lage der anderen Patienten versetzen, und im übrigen war er auch nicht schlecht erschrocken gewesen. Jetzt wußte er, daß es nur zu seinem Besten war. Doch fünf Patienten waren bei der Erweckung durch die Roboter gestorben. Doktor Pellew und Doktor Hanson hatten sie behandelt und alle verfügbaren Kunstgriffe angewandt, um die letzten Überlebenden der Menschheit zu erhalten.
„Du verdammte, blödsinnige Maschine!“ platzte Ross heraus. „Wußtest du nicht, daß es langfristige Patienten gab, die noch keine Roboter kannten und darum vor euch erschrecken mußten? Und warum habt ihr sie nicht wieder in Tiefschlaf versetzt? Ihr habt sie einfach sterben lassen! Nach dem Tod des ersten Patienten hättest du doch eigentlich klüger sein müssen und…!“
„Ich hatte es nur mit kurzfristigen Patienten zu tun, die uns Roboter bereits kannten und nicht erschrocken waren“, sagte die Robotschwester. „Und Doktor Pellew hatte uns versprochen, weitere Instruktionen für die sechs langfristigen Patienten zu erteilen. Aber er starb. Es gibt drei Gründe für seine Verhaltensweise: er wußte nicht, welche Instruktionen er noch geben sollte und glaubte, noch solange zu leben, um den ersten der Patienten selber wiedererwecken zu können; oder er kannte die Instruktionen und vergaß, sie weiterzugeben.“
„Er hatte immer ein Gedächtnis wie ein Elektronenhirn“, unterbrach Ross verärgert. „Ich habe in seinem Diarium gelesen und muß das wissen.“
„Oder“, fuhr der Roboter fort, „Doktor Pellew hat versehentlich eine falsche Instruktion erteilt, die er nicht mehr widerrufen konnte. Unsere wichtigste Aufgabe ist, dem Menschen zu dienen und sein Leben zu beschützen. Wir haben die Patienten geweckt in der Hoffnung, daß einer von ihnen leben bleiben würde.“
„So, so! Ihr hättet genauso gut einen Baum absägen können in der Hoffnung, daß er wieder Wurzeln schlägt.“
„Dann fanden wir Sie“, sagte der Roboter, „und standen vor einem schwierigen Problem. Ein Patient, der ewig schläft, ist tot. Erweckten wir Sie aber wieder zum Leben, bestand die Gefahr, daß Sie ebenfalls sterben würden. Und wenn wir Sie, den letzten Menschen, getötet hätten, wären wir unserer Aufgabe nicht gerecht geworden und hätten auch den Inhalt unseres Lebens zerstört. Wir können keinem Menschen dienen, wenn keine Menschen mehr da sind. Aus diesem Grunde haben wir eine eigene Methode entwickelt. Als wir die Wiederbelebung einleiteten, zeigten Sie die gleichen Symptome, indem Sie mit den Armen um sich schlugen, um eine vermeintliche Gefahr abzuwenden. Daher versetzten wir Sie mehrfach erneut in Tiefschlaf und warteten ein ruhigeres Erwachen ab. Es war die einzige Möglichkeit, Sie nicht sterben zu lassen.“
Der Roboter erging sich in komplizierten technischen Einzelheiten und schilderte die in zahlreichen Roboterkonferenzen gefaßten Beschlüsse. Als der intelligenteste Roboter des Hospitals, geschaffen von dem großen Erfinder Courtland, trug er die Verantwortung für die Lösung außerplanmäßiger’ Probleme. Und er hatte diese Probleme gelöst. Der Patient mußte allein erwachen und sich auch allein in seinem neuen Dasein zurechtfinden! ohne zunächst mit den Robotern in Berührung zu kommen. Aus diesem Grunde wurde die sprechende Beethovenbüste erfunden, die zwar unheimliche, doch immerhin noch menschliche Züge aufwies.
„Eigentlich wollten wir erst dann in Erscheinung treten, wenn Sie das Diarium Doktor Pellews gelesen hatten“, führte der Roboter aus. „Aber durch Ihr lautes Schreien…“
„Ihr habt richtig gehandelt“, sagte Ross müde. „Besonders auf dich würde Mister Courtland sehr stolz sein.“
„Danke, Sir.“
„Aber in meinem Fall hättet ihr euch wohl am besten jede Mühe sparen können.“
Der Roboter tickte nichtverstehend.
Ross verließ plötzlich das Zimmer, ging den Korridor entlang und die ansteigende Rampe hinauf. Dann stand er vor einer Abteilung mit der Beschriftung,Instandhaltung’ an der Tür. Die Robotschwester auf den Fersen, trat er ein und begann die einzelnen Schrankfächer zu durchsuchen. Er fand einen langen Schraubenschlüssel von ungefähr sieben Pfund Gewicht und über zwei Fuß Länge.
„Ich möchte, daß du etwas für mich tust“, sagte Ross.
„Sie wünschen, Sir?“
„Bleibe einen Augenblick stehen und rühre dich nicht von der Stelle.“
„Ja, Sir.“
Ross packte mit beiden Händen den Schraubenschlüssel und ließ ihn mit aller Kraft auf den Metallrumpf des Roboters sausen.
Seine Handgelenke schmerzten, und der Krach war das lauteste, was er nach seinem Erwachen gehört hatte. Durch die Wucht des Schlages entstand in der Brustpanzerung des Roboters ein Loch, und die daraus hervorquellende Flüssigkeit, die an Blut erinnerte, mußte aus einem Batteriesatz stammen. Der Schraubenschlüssel hatte auch einen Arm des Roboters gestreift und drei Ringe gelockert.
Ross schlug noch einmal zu.
Der zweite Hieb verursachte nur eine Beule, weil der Roboter zurückwich, und der dritte ging völlig daneben.
„Stehenbleiben!“ befahl Ross heiser vor Aufregung, hob den Schraubenschlüssel hoch über den Kopf und zielte auf die Augenlinsen des Roboters. Einer der letzten fünf Patienten war ein neunzehnjähriges Mädchen gewesen. Auge um Auge, dachte Ross mit eiskalter Grausamkeit, und für ein totes Mädchen einen Schrotthaufen!
„Mister Ross“, sagte der Roboter, sich weiter zurückziehend, „Sie sind nicht bei Sinnen, denn was Sie tun, ist…“
„Nur ein rein wissenschaftliches Experiment“, erwiderte Ross ein wenig atemlos. „Ich will nur einmal feststellen, ob du so etwas Ähnliches wie Schmerz verspürst. Und ich bin kein Patient mehr, du kannst mich ruhig wieder,Sir’ nennen!“
Dieser Hinweis war sehr wichtig. Es kam darauf an, daß der Roboter in ihm auch weiterhin seinen,Gebieter’ sah, um so müheloser konnte er ihn in seine einzelnen Bestandteile zerlegen. Abgesehen davon, blieb er dann immer noch der Boß. Fiel es dem Roboter ein, ihn wieder als Patienten zu betrachten, war es natürlich umgekehrt.
Wieder griff Ross an, den schweren Schraubenschlüssel wie eine Keule zum Schlag erhoben. Er bemühte sich, seine Wut zu verbergen und machte ein Gesicht, als betrachte er alles nur von der wissenschaftlichen Warte. Dann hatte er den Roboter in eine Ecke gedrängt.
Plötzlich öffnete sich im Rumpf des Roboters eine Klappe. Ross konnte nichts sehen, nichts fühlen, nichts riechen. Sein Schraubenschlüssel schepperte zu Boden, und er folgte ihm Sekunden später.
Als Ross aus der Betäubung wieder erwachte, sah er ein großes Etwas, das die Form einer Spinne besaß und den Rumpf der Robotschwester reparierte.
Ross grinste, als habe er es nicht so gemeint.
„Ich hätte Ihnen auch mündlich Auskunft erteilen können“, sagte die Robotschwester mit einer ruhigen und durchaus freundlichen Stimme. „Ihr praktisches Experiment, das vorübergehend meine Energie lähmte, war unnötig. Nein, ich fühle keineswegs Schmerzen, obwohl ich mich in der Behandlung dieser Symptome auskenne. In erster Linie bin ich konstruiert worden, um dem Menschen zu dienen. Dieses Bewußtsein verleiht mir die Kraft, über solche Störungen hinwegzusehen.“
„Warum bin ich dann umgefallen?“ fragte Ross. „Das war doch irgendein Betäubungsgas — stimmt’s?“
„Ja, Sir“, gab der Roboter Auskunft.
Ross schüttelte den Kopf. Er schämte sich seines Wutausbruchs gegen diese Maschine, die es offenbar nur gut mit ihm meinte. Am liebsten hätte er sich bei der Robotschwester in aller Form entschuldigt, aber das kam ihm doch ein bißchen komisch vor. Maschinen bat man nicht um Entschuldigung.