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»Etwas Schönes?« sagte Min zweifelnd. »Na ja, ich weiß, daß du nicht über Rand sprechen möchtest, aber von dir und mir abgesehen, ist das im Augenblick immer noch das wichtigste Thema auf der Welt. Und das schönste. Verlorene fallen tot um, wenn er erscheint und die Nationen stehen Schlange, um sich vor ihm zu beugen. Die Aes Sedai hier sind bereit, ihn zu unterstützen. Ich weiß es, Elayne, sie müssen einfach! Denk mal, als nächstes wird Elaida ihm die Schlüssel zur Weißen Burg überreichen, Elayne. Wir gewinnen. Wirklich!«

Elayne ließ die Quelle los und sackte zurück. Sie starrte in einen Himmel, der genauso wolkenlos war wie zuvor. Ihre Stimmung entsprach dieser Leere. Man mußte wirklich nicht erst in der Lage sein, die Macht zu gebrauchen, um die Handschrift des Dunklen Königs darin zu erkennen, und wenn er bereits die Welt in solchem Maße beeinflussen konnte, sie überhaupt beeinflussen konnte... »Tatsächlich?« fragte sie, aber so leise, daß Min es nicht verstand.

Das Herrenhaus war noch nicht fertig, im Empfangsraum war die Holztäfelung noch ungestrichen, hell und neu, aber Faile ni Bashere t'Aybara hielt trotzdem hier jeden Nachmittag Hof, wie es der Frau eines Lords gebührte. Sie saß dann auf einem massiven Sessel mit hoher Lehne, in dessen Holzrahmen Falken geschnitzt waren, genau vor einem leeren, fest gemauerten Kamin, dem Spiegelbild eines anderen am hinteren Ende des Saals. In dem unbesetzten Sessel an ihrer Seite, mit Bildern von Wölfen beschnitzt und einem großen Wolfskopf ganz oben über der Lehne, hätte eigentlich ihr Mann sitzen sollen, Perrin t'Bashere Aybara, Perrin Goldauge, Herr über die Zwei Flüsse.

Natürlich war das Herrenhaus eigentlich nur ein übergroßes Bauernhaus. Der Empfangsraum maß weniger als fünfzehn Schritt der Länge nach. Wie Perrin sie mit großen Augen angeblickt hatte, als sie auf dieser Mindestgröße bestand! Er war halt daran gewöhnt, sich selbst nur als einfachen Schmied zu betrachten, oder sogar nur als den Lehrling eines Schmieds. Und der Name, den man ihr bei ihrer Geburt gegeben hatte, lautete Zarine und nicht Faile. Diese Dinge spielten aber keine Rolle. Zarine war ein Name, der zu einer verzogenen Frau paßte, die hingegeben über Gedichten seufzte, die ihrem Namen gewidmet waren. Faile, der Name, den sie selbst bei ihrem Eid als Jägerin des Horns von Valere angenommen hatte, bedeutete in der Alten Sprache soviel wie ›Falke‹. Niemand, der ihr Gesicht wirklich eingehend betrachtete, die kühn geschwungene Nase und die hohen Backenknochen, und dazu die schrägstehenden Augen, die so zornig blitzen konnten, zweifelte daran, welcher Name besser zu ihr paßte. Was alles Übrige betraf, zählten eben die guten Absichten. Also tat sie, was recht und billig war.

In diesem Augenblick blitzten ihre Augen gerade. Das hatte nichts mit Perrins Sturheit zu tun und wenig mit der außergewöhnlichen Hitze. Um allerdings der Wahrheit die Ehre zu geben: Immerzu umsonst einen Fächer aus Fasanenfedern zu schwenken, um ein wenig Luftzug für die schweißtriefenden Wangen zu erzeugen, verbesserte ihre Laune auch nicht gerade.

So spät am Nachmittag blieben nicht mehr viele aus der Menge, die gekommen war, um durch ihre Hilfe Streitigkeiten schlichten zu lassen. Eigentlich kamen sie ja, damit Perrin sie anhörte, aber schon der bloße Gedanke daran, Urteile über Menschen fällen zu müssen, unter denen er aufgewachsen war, entsetzte ihn. Wenn sie ihn nicht gerade zu packen bekam, verschwand er wie ein Wolf im Nebel, wenn die Zeit für die tägliche Audienz herannahte. Glücklicherweise hatten die Leute nichts dagegen, wenn statt Lord Perrin eben Lady Faile ihre Probleme anhörte. Jedenfalls störte das nur wenige, und die wenigen hüteten sich, das offen zu zeigen.

»Ihr habt dies vorgebracht und wollt Euch meinem Urteil unterwerfen«, sagte sie mit ausdrucksloser Stimme. Die beiden Frauen, die da vor ihrem Sessel schwitzten, traten nervös von einem Fuß auf den anderen und betrachteten den glänzenden Holzboden.

Sharmad Zeffar mit dem kupfernen Teint hatte wohl ihre molligen Kurven verhüllt, aber keineswegs verborgen. Sie trug ein hochgeschlossenes und ein wenig durchscheinendes Domanikleid, dessen blaßgoldene Seide allerdings an Säumen und Manschetten abgewetzt war und das einige kleine Flecken von ihrer Reise her aufwies, die nicht mehr herausgewaschen werden konnten, doch Seide blieb letzten Endes eben Seide, und die konnte man hier nur selten bekommen. Patrouillen, die man in die Verschleierten Berge schickte, um nach Überresten der Trolloc-Invasion vom vergangenen Sommer zu suchen, fanden nur wenige dieser bestialischen Trollocs und, dem Licht sei Dank, keine Myrddraal, aber dafür spürten sie beinahe täglich Flüchtlinge auf, mal hier zehn, dort zwanzig, oder fünf irgendwo anders. Die meisten kamen aus der Ebene von Almoth, aber eine ganze Anzahl kam auch aus Tarabon und, wie Sharmad, aus Arad Doman. Alle waren aus Ländern geflohen, die von einer durch Bürgerkriege ausgelösten Anarchie zerrissen wurden. Faile wollte lieber nicht daran denken, wie viele in den Bergen ums Leben gekommen sein mochten. Es gab dort ja weder Straßen oder noch wenigstens Pfade, und der Weg durch diese Berge war auch in besten Zeiten äußerst beschwerlich. Die Zeit jetzt gehörte gewiß nicht zu den besten.

Rhea Avin war kein Flüchtling, obwohl sie die Kopie eines Taraboner Kleides aus feingesponnener Wolle trug, dessen weiche graue Falten sich an ihren Körper schmiegten und die richtigen Stellen genauso betonten wie das viel dünnere Kleid Sharmads. Diejenigen, die diese lange Wanderung über die Berge überlebt hatten, brachten mehr mit als nur beunruhigende Gerüchte: handwerkliche Fertigkeiten, die man an den Zwei Flüssen noch nie gesehen hatte, und Hände, um auf Bauernhöfen in Landstrichen zu arbeiten, die von den Trollocs entvölkert worden waren. Rhea war eine hübsche Frau mit rundem Gesicht, die keine zwei Meilen von dem Ort entfernt geboren war, an dem jetzt dieses Herrenhaus stand. Ihr dunkles Haar hing ihr in Form eines dicken Zopfes geflochten bis zur Hüfte herunter. An den zwei Flüssen flochten die Mädchen ihr Haar erst dann zum Zopf, wenn die Versammlung der Frauen bestimmte, sie seien nun alt genug zum Heiraten, ob sie nun fünfzehn oder dreißig waren. Doch nur wenige mußten älter als zwanzig werden, um das zu erleben. Tatsächlich war Rhea gute fünf Jahre älter als Faile und trug den Zopf seit vier Jahren. Im Moment allerdings wirkte sie, als trüge sie das Haar immer noch lose um die Schultern und habe gerade gemerkt, daß das, was ihr vorher absolut wundervoll vorgekommen war, in Wirklichkeit so ziemlich das Dümmste war, was sie hätte tun können. Was das betraf, schien Sharmad aber noch verlegener, denn sie war ein oder zwei Jahre älter als Rhea. Für eine Domani mußte es wirklich demütigend sein, sich in einer solchen Lage zu befinden. Faile hätte am liebsten beide geohrfeigt, bis sie schielten —aber eine Lady konnte so etwas wohl nicht machen.

»Ein Mann«, begann sie so ernsthaft wie möglich, »ist weder ein Pferd, noch ein Acker. Keine von Euch kann ihn besitzen, und mich zu fragen, wer ein Recht auf ihn habe...« Sie atmete erst einmal tief durch. »Wenn ich glaubte, Wil al'Seen habe Euch beide an der Nase herumgeführt, hätte ich dazu wohl einiges zu sagen.« Wil hatte so seine eigene Art bei den Frauen, und sie flogen geradezu auf ihn — er hatte wirklich tolle Waden —, doch er machte keiner irgendwelche Versprechungen. Sharmad wirkte, als wolle sie am liebsten im Fußboden versinken vor Scham. Schließlich genossen die Domanifrauen den Ruf, jeden Mann um den Finger wickeln zu können, und nicht andersherum. »Wie die Dinge liegen, urteile ich folgendermaßen: Ihr werdet beide zur Seherin gehen und ihr alles erklären. Ihr werdet nichts auslassen. Sie wird das entscheiden. Ich erwarte, zu hören, daß ihr vor Sonnenuntergang bei ihr wart.«