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»Es soll sein, wie Ihr wünscht, mein Lord Drache«, sagte Weiramon auf seine pompöse Art. Der Mann war tapfer genug, wenn es zum Kampf kam, aber ein kompletter, blinder Idiot, nicht in der Lage, über den Glanz eines vehementen Angriffs, über seinen Haß gegen die Illianer und seine Verachtung für Cairhien und die Aiel ›Wilden‹ hinauszudenken. Rand war sicher, daß Weiramon genau der Mann sei, den er benötigte. Tolmeran und Semaradrid würden nicht so schnell losmarschieren, solange Weiramon das Oberkommando innehatte. Noch eine lange Zeit über diskutierten sie, und Rand lauschte und stellte gelegentlich Fragen. Es gab jetzt keinen Widerspruch mehr, keine weiteren Vorschläge, den Angriff sofort zu starten. Der Angriff wurde überhaupt nicht mehr besprochen. Was Rand von Weiramon und den anderen wissen wollte, hatte mit Wagen zu tun, mit Wagen und ihrer Fracht. Auf den Ebenen von Maredo gab es nur wenige, weit voneinander entfernte Dörfer und keine Stadt, abgesehen von Far Madding im Norden. Das urbare Land reichte kaum aus, um die Menschen zu ernähren, die bereits hier wohnten. Eine riesige Armee würde einen stetigen Strom von Wagenladungen aus Tear benötigen, mit denen alles befördert wurde, von Mehl für ihr Brot bis hin zu Hufnägeln für die Pferde. Außer Tolmeran waren die Hochlords der Meinung, das Heer könne alles, was es benötigte, mit sich führen und damit die Ebenen durchqueren, und in Illian wollten sie das Heer dann durch Plünderung ernähren. Sie schienen den Gedanken fast zu genießen, das Land ihres uralten Gegners wie ein Heuschreckenschwarm kahlzufressen. Die Männer aus Cairhien waren anderer Meinung, besonders Semaradrid und Meneril. Nicht nur die kleinen Leute hatten in Cairhiens Bürgerkrieg und während der Belagerung ihrer Hauptstadt durch die Shaido Hunger gelitten; das konnte man an ihren eingefallenen Wangen deutlich ablesen. Illian war ein reiches Land und sogar in den Doirlon-Bergen gab es Bauernhöfe und Weinberge, aber Semaradrid und Meneril wollten das Wohlergehen ihrer Soldaten nicht von ungewissen Plünderungen abhängig machen, solange es eine andere Möglichkeit gab. Was Rand betraf, wollte er ohnehin nicht, daß Illian mehr als unbedingt nötig verwüstet würde.

Er übte wirklich nicht viel Druck auf diese Menschen aus. Sunamon versicherte ihm, die Wagen würden gerade zusammengestellt, und er hatte schon lange seine Lektion darüber gelernt, was geschah, wenn er Rand etwas versprach und dann doch etwas anderes tat. In ganz Tear suchte man Proviant zusammen, auch wenn Weiramon ungeduldig und unzufrieden mit dieser Vorgehensweise das Gesicht verzog, und wenn Torean auch verschwitzt etwas über die zu hohen Ausgaben knurrte. Wichtig war aber, daß man mit dem Plan, den er ihnen vorgesetzt hatte, vorwärtskam —und daß man auch an richtiger Stelle diese Fortschritte bemerkte.

Der Abschied bedeutete noch mehr pompöses Geschwätz und schwungvolle Verbeugungen, während er sich wieder die Schufa um die Stirn wickelte und das Drachenszepter in die Hand nahm. Halbherzige Einladungen zu einem Bankett wurden geäußert und genauso verlogene Angebote, ihm bis zu seiner Abreise noch einiges vorzusetzen, wenn er schon nicht bis zu dem Fest bleiben konnte, das sie für ihn veranstalten würden. Ob sie nun aus Tear kamen oder aus Cairhien, mieden sie doch gleichermaßen die Gegenwart des Wiedergeborenen Drachen, soweit sie das konnten, ohne seine Gunst aufs Spiel zu setzen, während sie natürlich so taten, als sei das Gegenteil der Fall. Vor allem aber wünschten sie sich an jeden anderen möglichen Ort, wenn er die Macht benützte. Sie begleiteten ihn natürlich zum Eingang und noch ein paar Schritte nach draußen, aber Sunamon seufzte hörbar erleichtert auf, als er sie verließ, und Rand hörte Tore an tatsächlich vor Freude kichern.

Die Aielhäuptlinge gingen schweigend mit Rand davon, und die Töchter, die draußen gewartet und gewacht hatten, schlossen sich Sulin und den anderen dreien an und bildeten mit ihnen einen Ring um die sechs Männer, als sie auf das grüngestreifte Zelt zuschritten. Diesmal gab es nur geringen Jubel und die Häuptlinge sagten überhaupt nichts. Sie hatten auch im Pavillon kaum etwas geäußert. Als Rand sie darauf ansprach, sagte Dhearic: »Diese Feuchtländer wollen uns gar nicht hören.« Er war ein stämmiger Mann, nur vielleicht einen Fingerbreit kleiner als Rand, hatte eine große Nase und auffallende hellere Strähnen im goldenen Haar. In seinen blauen Augen stand Verachtung.

»Sie hören nur auf den Wind.«

»Haben sie Euch von denen berichtet, die sich gegen Euch auflehnen?« fragte Erim. Er war größer als Dhearic, hatte ein kämpferisch vorgestrecktes Kinn und in seinem roten Haar kämpften graue Strähnen um die Vorherrschaft.

»Das haben sie«, sagte Rand und Han sah ihn mit gerunzelter Stirn an.

»Falls Ihr diese Tairener ihren eigenen Landsleuten hinterherschickt, wäre das ein Fehler. Selbst wenn man ihnen vertrauen könnte, glaube ich nicht daß sie ihnen etwas tun würden. Schickt die Speere. Ein Clan reicht bequem aus.«

Rand schüttelte den Kopf. »Darlin und seine Rebellen können warten. Sammael ist das einzig Wichtige.«

»Dann laßt uns jetzt nach Illian marschieren«, sagte Jheran. »Vergeßt doch diese Feuchtländer, Rand al'Thor. Wir haben jetzt schon fast zweihunderttausend Speere hier versammelt. Wir können die Illianer vernichten, bevor Weiramon Saniago und Semaradrid Maravin auch nur den halben Weg dorthin zurückgelegt haben.«

Einen Augenblick lang schloß Rand frustriert die Augen. Wollte denn nun jeder mit ihm streiten? Das hier waren keine Männer, die gleich nachgeben würden, wenn der Wiedergeborene Drache die Stirn runzelte. Der Wiedergeborene Drache war nur eine Legende der Feuchtländer. Sie dagegen folgten Ihm, Der Mit Der Morgendämmerung Kommt, dem Car'a'carn, und er hatte sich mittlerweile daran sattgehört, daß auch der Car'a'carn kein König sei. »Ich will Euer Wort darauf, daß Ihr hierbleibt, bis Mat Euch den Marschbefehl gibt. Jeder von Euch soll es mir einzeln versprechen.«

»Wir werden bleiben, Rand al'Thor.« Bruans so trügerisch sanfte Stimme klang angespannt. Die anderen stimmten in härterem Tonfall zu, aber immerhin gaben sie ihr Wort.

»Aber es ist Zeitverschwendung«, sagte Han und verzog den Mund. »Ich will nie wieder Schatten erleben, wenn das nicht stimmt.« Jheran und Erim nickten.

Rand hatte nicht erwartet, daß sie so schnell nachgeben würden. »Von Zeit zu Zeit muß man eben Zeit verschwenden, um welche zu sparen«, sagte er, und Han schnaubte.

Mittlerweile hatten die Donnergänger die Seitenwände des grüngestreiften Zeltes an Stangen hochgebunden, damit die sanfte Brise durch das schattige Innere wehen konnte. So heiß und trocken es hier auch war, so schienen die Aiel das doch erfrischend zu finden. Rand hatte nicht das Gefühl, er vergösse auch nur einen Tropfen Schweiß weniger als im glühenden Sonnenschein. Er zog sich die Schufa vom Kopf, als er sich auf die Schichten der bunten Teppiche genau Bruan und den anderen Häuptlingen gegenüber niederließ. Die Töchter stellten sich zu den Donnergängern, die das Zelt umgaben. Immer wieder erklang aus ihrer Richtung fröhliches Geflachse und entsprechendes Gelächter. Diesmal schien endlich einmal Leiran die Oberhand zu gewinnen. Zweimal schlugen die Töchter mit ihren Speeren auf die Schilde, um ihm Beifall zu zollen. Rand verstand aber fast nichts von alledem.