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Er stopfte mit dem Daumen die kurzstielige Pfeife, die er dabeihatte, und ließ dann den Ziegenlederbeutel mit Tabak unter den Häuptlingen herumreichen, damit auch sie ihre Pfeifen mit dieser Sorte stopfen konnten. Er hatte nämlich in Caemlyn ein kleines Faß mit dem besten Tabak von den Zwei Flüssen aufgetrieben. Dann zündete er seine Pfeife mit Hilfe der Macht an, während sie einen Donnergänger aussandten, um von einem der Lagerfeuer einen brennenden Zweig zu holen. Als schließlich alle Pfeifen entzündet waren, setzten sie sich bequem zurecht und schmauchten genüßlich. So konnte man miteinander sprechen.

Die Unterhaltung zog sich genauso lang hin wie seine Diskussion mit den Lords, und das nicht, weil es soviel zu besprechen gab, sondern weil Rand allein mit den Feuchtländern gesprochen hatte. Die Aiel waren äußerst empfindlich, was ihren Ehrbegriff anging. Ihr Leben wurde von Ji'e'toh regiert, von Ehre und Pflicht, und die Regeln waren genauso kompliziert und eigenartig wie ihr Humor. So sprachen sie über die Aiel, die sich noch auf dem Weg von Cairhien her befanden, davon, wann Mat ankommen werde und was man, wenn überhaupt etwas, in bezug auf die Shaido unternehmen solle. Sie unterhielten sich über die Jagd und Frauen und ob Branntwein genausogut sei wie Oosquai, und über den Humor. Doch selbst der geduldige Bruan hob schließlich resignierend die Hände und gab es auf, Rand die Witze der Aiel erklären zu wollen. Was beim Licht war lustig daran, wenn eine Frau aus einem Irrtum heraus ihren Mann erstach, gleich unter welchen Umständen, oder wenn ein Mann schließlich mit der Schwester der Frau verheiratet war, die er eigentlich hatte heiraten wollen? Han murrte und schnaubte und weigerte sich, zu glauben, daß Rand solche Witze wirklich nicht verstehe; er lachte so schallend über die Sache mit dem erstochenen Ehemann, daß er beinahe umgefallen wäre. Das einzige, worüber sie sich nicht unterhielten, war der bevorstehende Krieg gegen Illian.

Als sie aufbrachen, blinzelte Rand zur Sonne empor, die bereits den halben Weg zum Horizont zurückgelegt hatte. Han wiederholte noch einmal die Geschichte von dem erstochenen Ehemann, und die aufbrechenden Häuptlinge schmunzelten wieder darüber. Rand klopfte die Pfeife an seiner Handkante aus und zertrat die letzte Glut mit der Ferse im Staub. Es blieb immer noch genug Zeit, um nach Caemlyn zurückzukehren und mit Bashere zu beraten, aber er ging ins Zelt zurück, setzte sich hin und beobachtete unter den geöffneten Zeltwänden durch, wie die Sonne sank. Als sie den Horizont berührte und sich blutrot verfärbte, brachten ihm Enaila und Somara einen Teller Eintopf mit Hammelfleisch, genug für zwei Männer, ein rundes Fladenbrot und eine Kanne Pfefferminztee, die sie zum Abkühlen in einen kleinen Eimer Wasser gestellt hatten.

»Ihr eßt nicht genug«, sagte Somara und versuchte dabei, sein Haar glattzustreichen, bevor er den Kopf wegdrehen konnte.

Enaila beäugte ihn genau. »Wenn Ihr Aviendha nicht so meiden würdet, könnte sie dafür sorgen, daß Ihr genug eßt«

»Erst weckt er ihr Interesse, und dann rennt er vor ihr weg«, knurrte Somara. »Ihr müßt sie wieder für Euch interessieren. Warum bietet Ihr Aviendha nicht an, ihr Haar zu waschen?«

»So offensichtlich sollte er es nicht machen«, sagte Enaila energisch. »Es reicht vollkommen aus, wenn er ihr anbietet, ihr Haar auszubürsten. Er will ja wohl nicht, daß sie ihn für dreist halt.«

Somara schniefte. »Sie hält ihn ganz bestimmt nicht für dreist, wenn er vor ihr wegläuft. Ihr könnt auch zu zurückhaltend sein, Rand al'Thor.«

»Ihr seid Euch doch darüber im klaren, daß keine von Euch meine Mutter ist, oder?«

Die beiden in den Cadin'sor gekleideten Frauen blickten sich verwirrt an. »Glaubst du, das war wieder so ein Feuchtländerwitz?« fragte Enaila und Somara zuckte die Achseln.

»Ich weiß nicht. Er wirkt gar nicht heiter.« Sie klopfte Rand auf den Rücken. »Ich bin sicher, es war ein guter Witz, aber Ihr müßt ihn uns erklären.«

Rand litt schweigend und biß lediglich die Zähne aufeinander. Beim Essen beobachteten sie ihn weiterhin. Sie verfolgten buchstäblich jeden einzelnen Bissen, bis er ihn im Mund hatte. Es wurde auch nicht besser, als sie mit seinem Teller gingen und statt dessen Sulin hereinkam. Sulin gab ihm einige plumpe und äußerst unzüchtige Ratschläge, wie er Aviendhas Aufmerksamkeit wieder auf sich lenken könne. Unter den Aiel war das etwas, wie es beispielsweise eine Erstschwester ihrem Erstbruder raten konnte.

»Ihr müßt in ihren Augen wohl züchtig und zurückhaltend erscheinen«, sagte ihm die weißhaarige Tochter, »aber auch wieder nicht so zurückhaltend, daß sie Euch für langweilig hält. Bittet sie doch, Euch im Dampfzelt den Rücken zu kratzen, aber ein wenig scheu und mit zu Boden gerichtetem Blick. Wenn Ihr euch zum Schlafen auszieht, tanzt noch ein wenig voller Lebensfreude herum, und dann entschuldigt Euch schnell, als wärt Ihr euch gerade erst bewußt geworden, daß sie zugegen ist. Dann schlüpft flink unter die Decken. Bringt Ihr es fertig, im richtigen Moment zu erröten?«

Er litt schweigend, aber schwer. Die Töchter wußten ja eine Menge, aber eben doch nicht genug.

Als sie nach Caemlyn zurückkehrten, eine ganze Weile nach Sonnenuntergang, schlich Rand mit den Stiefeln in der Hand in seine Gemächer und tastete sich im Dunklen durch den Vorraum ins Schlafzimmer. Selbst wenn er nicht gewußt hätte, daß Aviendha zugegen war und bereits auf ihren Decken am Fußboden nahe der Wand lag, hätte er ihre Gegenwart gespürt. In der Stille der Nacht hörte er ihre Atemzüge. Endlich einmal schien es ihm, er habe lange genug gewartet, so daß sie bereits eingeschlafen war. Er hatte sich bemüht, diesen Zustand zu beenden, doch Aviendha hatte gar nicht auf ihn geachtet, und die Töchter lachten ihn seiner › Schüchternheit und ›Zurückhaltung‹ wegen aus. Gute Eigenschaften für einen Mann, wenn er allein ist, da waren sie sich einig, aber man konnte es auch zu weit treiben.

Er legte sich voller Erleichterung darüber, daß Aviendha schon schlief hin, wenn auch ein wenig mürrisch, weil er kein Licht entzünden konnte, um sich schnell noch zu waschen, aber dann wälzte sie sich auf ihrem Lager herum. Höchstwahrscheinlich war sie doch die ganze Zeit wach gewesen.

»Schlaft gut und erwacht«, war alles, was sie sagte.

Während er ein mit Gänsedaunen gefülltes Kissen unter seinen Kopf stopfte, schalt er sich einen Narren, weil er sich plötzlich so zufrieden fühlte, da eine Frau, die er zu meiden versuchte, ihm gute Nacht gesagt hatte. Aviendha hielt das möglicherweise für einen prachtvollen Scherz. Den anderen bis aufs Blut zu reizen war bei den Aiel beinahe schon eine Kunstform. Je näher der andere daran war, die Nerven zu verlieren, desto lustiger. Der Schlaf überkam ihn dann aber doch langsam, und sein letzter bewußter Gedanke galt dem besten Witz von allen, den aber bisher nur er und Mat und Bashere kannten. Sammael hatte überhaupt keinen Sinn für Humor, aber trotzdem war dieser mächtige Hammer von einem Heer, der da in Tear wartete, der größte Witz, den die Welt je erlebt hatte. Wenn er Glück hatte, würde Sammael sterben, bevor ihm klar wurde, daß er eigentlich lachen sollte.

5

Ein anderer Tanz

Der ›Goldene Hirsch‹ machte seinem Namen mehr oder weniger Ehre. Auf Hochglanz polierte Tische und Bänke, in deren Beine Rosenmuster geschnitzt waren, standen in dem geräumigen Schankraum. Ein Mädchen mit weißer Schürze hatte nichts weiter zu tun, als den weißen Steinboden zu fegen. Gleich unter den mächtigen Balken der hohen Decke zog sich ein Fries mit blauen und goldenen Verzierungen rund um die weißgetünchten Wände. Die Kamine waren aus sauber behauenen Steinen gemauert, und unter den Simsen waren sie mit einigen Zweigen immergrüner Pflanzen dekoriert. Genau über der Mitte jedes Kamins war ein Hirsch in den Stein gemeißelt, der zwischen den Geweihstangen einen Weinbecher hielt. Auf einem der Simse befand sich eine hohe Standuhr, die sogar ein wenig vergoldet war. Auf einem kleinen Podest im Hintergrund spielte eine Musikgruppe auf. Zwei schwitzende Männer in Hemdsärmeln brachten klagende Laute auf ihren Flöten hervor, ein Pärchen zupfte an den neun Saiten ihrer Zithern, und eine Frau mit rotem Gesicht und — einem blaugestreiften Kleid hackte mit kleinen Holzschlegeln auf ein Hackbrett ein, das auf einem Gestell mit dünnen Holzbeinen lag. Mehr als ein Dutzend Serviererinnen in hellblauen Kleidern und weißen Schürzen eilte mit schnellen Schritten geschäftig herein und hinaus. Die meisten von ihnen waren hübsch, obwohl ein paar nahezu genauso viele Jahre auf dem Buckel hatten wie Frau Daelvin, die rundliche kleine Wirtin mit ihrem dünnen grauen Haar, das sie im Nacken zu einem Dutt zusammengebunden hatte. Das war genau die Art von Schenke, wie Mat sie mochte. Sie strömte irgendwie Gemütlichkeit aus und den Duft nach Geld. Er hatte sie wohl ausgewählt, weil sie sich fast genau in der Mitte der Stadt befand, aber das andere konnte ja nicht schaden.