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Geradeaus ragte hinter weiteren säulengeschmückten Toren das ei­gentliche Montpelier auf, ein pfirsichfarbenes Haus, leuchtend wie ein sanftes Stück Sonnenuntergang, das vom Himmel gefallen war, um sich in den Ausläufern der Südwestkette der Blue Ridge Moun­tains einzunisten. Harry dachte sich Montpelier, das errichtet worden war, während Amerika mit den Strafsteuern von König George III. zu kämpfen hatte, als eine Art Sonnenaufgang, einen verstohlenen Blick über den Horizont einer neuen politischen Kraft, einer Nation, bestehend aus Menschen von überallher, die eine Vision von Demo­kratie einte. Daß die Vision verdunkelt oder verzerrt worden war, minderte nicht den Glanz ihrer Geburt, und Harry, nicht gerade ein politischer Mensch, stand leidenschaftlich hinter der Überzeugung, daß die Amerikaner sich an die Prinzipien ihrer Vorväter und Vor­mütter zu halten hatten.

Einem solchen Prinzip entsprach es, die schönen Momente im Le­ben voll auszukosten. James und Dolley Madison hatten ein gutes Pferderennen zu schätzen gewußt und waren sich darin einig gewe­sen, daß der beste Reiter ihrer Zeit George Washington war. Schon vor James' Geburt 1752 hatten die Siedler schöne Pferde geliebt, auf sie gesetzt und um sie gestritten. Im Gedenken an ihre Geschichte behielten die Virginier diesen Zeitvertreib bei.

Tee Tucker, Harrys Corgihündin, saß auf ihrem Schoß und sah aus dem Fenster. Auch sie liebte Pferde, aber heute war sie besonders aufgeregt, weil ihre beste Freundin und ärgste Rivalin, Mrs. Murphy, eine Tigerkatze von beeindruckender Intelligenz, zu Hause bleiben mußte. Mrs. Murphy hatte aus voller Katzenkehlegemeine Bande< geschrien, doch es hatte nichts genützt; denn Harry hatte ihr erklärt, daß die Menschenmenge sie verwirren und sie entweder ins Auto flüchten und schmollen oder, schlimmer noch, bei sämtlichen geöff­neten Kofferraumklappen die Runde machen würde. Murphy konnte sich nicht beherrschen, wenn es um frische Brathühner ging, und die würde es heute massenhaft geben. Ehrlich gesagt war es auch um Tuckers Selbstbeherrschung geschehen, wenn sie Fleischgerichte witterte, aber sie konnte nicht mitten in den Proviant hineinspringen wie eine Katze.

Oh, die wilde Wonne, ihre feuchte, kalte Nase an die Scheibe zu drücken, als der Falcon die Farm verließ, und Mrs. Murphy auf den Hinterbeinen am Küchenfenster stehen zu sehen. Tucker war über­zeugt, wenn sie am Abend zurückkamen, würde Murphy die Fransen der alten Couch zerrupft, die Vorhänge zerrissen und die Telefon­schnur zerbissen haben, und das wäre noch das mindeste. Dann wür­de die Katze noch mehr Ärger bekommen, während Tucker, gewöhn­lich der Sündenbock, ihren Heiligenschein polierte. Wenn sie einen Schwanz hätte, würde sie damit wedeln, so glücklich war sie. So aber wackelte sie mit dem Hinterteil.

»Tucker, sitz still, wir sind gleich da«, schalt Harry sie.

»Da ist Mim.« Mrs. Hogendobber winkte Marilyn Sanburne zu, de­ren Kombination von Geld und herrischem Gebaren sie zur Queen von Crozet machte. »Gewalkte Wolle, sehe ich. Sie macht heute auf Bayrisch.«

»Die Pfauenfeder an ihrem Hut würde mir auch gefallen.« Harry lächelte und winkte ebenfalls.

»Wie viele Pferde hat sie heute laufen?«

»Drei. Sie hat ein gutes Jahr mit Bazooka, ihrem großen Wallach. Die anderen zwei sind noch roh und entwickeln sich gut.« Harry benutzte den Ausdruck für ein junges Tier, das noch Erfahrungen sammelte. »Es ist großartig, daß sie den Valiants die Chance gibt, ihre Pferde anzutrainieren. Gutes Material ist das A und O, aber das weiß Mim ja.«

»Ich fahre auf Ihren Parkplatz. Dann können Sie zu Fuß zum Führ­ring gehen.«

»Okay.« Harry zog ihre Handschuhe aus der Tasche. Um zehn Uhr morgens betrug die Temperatur sieben Grad. Wenn um zwölf Uhr dreißig das erste Rennen startete, würde sie vielleicht an fünfzehn Grad heranreichen, eine ideale Temperatur für Anfang November.

»Vergessen Sie Ihr Abzeichen nicht.« Mrs. Hogendobber, erheblich älter als Harry, neigte dazu, sie zu bemuttern.

»Keine Bange.« Harry steckte ihr Abzeichen an, ein grünes Band, auf das in Gold>Richter< aufgeprägt war. »Ich hab sogar eins für Tucker.« Sie befestigte es am Lederhalsband des Hundes.

Mrs. H. sah vorsichtig nach links und nach rechts, bevor sie auf Platz 175 fuhr, den Platz der Heptworths, der Familie von Harrys Mutter, die dem ersten Jagdrennen von Montpelier beigewohnt hatte, das 1928 auf einer Geländestrecke stattfand.

Harry und Tucker sprangen aus dem Wagen, duckten sich unter der weißen Absperrung hindurch, sprinteten über den weichen, gepfleg­ten Rasen zu den anderen Bahnrichtern im Führring, den hohe Ei­chen zierten, deren Blätter noch orangerot und gelb gesprenkelt wa­ren. In der Mitte standen ein kleines grünes Gebäude und ein Zelt, wo die Jockeys ihre Seidendressen anzogen und ihre Nummerndecken in Empfang nahmen. Entlang des Führrings waren in einem für die Sponsoren der Veranstaltung reservierten Bereich große gestreif­te Zelte aufgestellt. Harry konnte den Schinken riechen, der in einem Zelt brutzelte, und hoffte, daß sie Zeit haben würde, hineinzuhu­schen, um frische Schinkenbrötchen und eine Tasse heißen Tee zu sich zu nehmen. Obwohl es sonnig war, ließ ein leichter Wind ihr Gesicht frösteln.

»Harry!« Fair Haristeen, ihr Exmann und der Rennbahntierarzt, schritt auf sie zu; er sah aus wie Thor persönlich.

»Hi, Schatz. Ich bin zu allem bereit.«

Bevor der blonde Riese antworten konnte, kamen Chark Valiant und seine Schwester Adelia vorbei.

Chark, so genannt, weil er der sechste Charles Valiant war, umarm­te Harry. »Wie schön, dich zu sehen, Harry. Das ist ein großartiger Tag für Hindernisrennen.«

»Allerdings.«

»Ach, sieh an, Tucker.« Addie kniete sich hin, um sie zu streicheln. »Deinem Richterspruch vertraue ich allezeit.«

»Einem Corgirichter oder einem Richter Corgi?« fragte Chark in neckischem Ton.

»Dem besten Corgi«, antwortete der kleine Hund lächelnd.

»Bist du bereit?« Harry sah Addie an, die demnächst einundzwan­zig wurde und ihrem älteren Bruder in die Welt der Hindernisrennen gefolgt war. Er war der Trainer, sie der Jockey, begabt und mutig.

»Das ist unser Montpelier.« Sie strahlte, Sonne und Wind hatten bereits Falten in ihr junges Gesicht gegraben.

»Mim ist am aufgeregtesten von allen.« Chark lachte, weil Mim Sanburne, die mehr Pferde besaß, als sie zählen konnte, vor den Rennen nervöser auf und ab trippelte als die Pferde.

»Wir haben sie unterwegs überholt. Hatte den Anschein, als wollte sie zum großen Haus.« Harry meinte Montpelier.

»Ich weiß nicht, wie sie mit ihren Dutzenden von Komitees klar­kommt. Ich dachte, Monticello sei ihr Lieblingsprojekt.« Fair fuhr sich mit den Händen durchs Haar, dann setzte er seine Kappe wieder auf.

»Ist es auch, aber sie hat versprochen, einige Kandidaten herumzu­führen, und das Personal von Montpelier ist überlastet.« Harry mußte nicht erklären, daß in diesem Wahljahr jeder, der für ein öffentliches Amt kandidierte, und sei es als offizieller Hundefänger, eher sterben würde, als die Rennen zu verpassen und sich die Gelegenheit entge­hen zu lassen, ein Foto von sich am Haus der Madisons in die Lokal­zeitung zu bringen.

»So, ich muß in den Stall.« Chark klopfte Harry auf die Schulter. »Komm zu mir, wenn die Rennen vorbei sind. Ich hoffe, wir werden was zu feiern haben.«

»Klar.«

Fair, der von Colbert Mason, dem Präsidenten des Nationalen Jagd- und Hindernisrennverbandes, fortgerufen wurde, winkte und ließ Harry und Addie allein.

»Adelia!« rief Arthur Tetrick, dann bemerkte er Harry, und ein breites Lächeln ging über sein kantiges, feines Gesicht.