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»Ich warte mit zimtigem Atem - statt angehaltenem Atem.« Harry band den ersten Postsack auf.

»Nigel Danforth hat tausend Dollar auf das erste Rennen gesetzt - Mims Pferd, nicht Mickey Townsends.«

Miranda, die sich an den zweiten Postsack machte, überlegte laut: »Ist das schlimm?«

»Ein Jockey würde nicht gegen sich selbst wetten oder gegen den Stall, für den er reitet, abgesehen davon, daß ein Jockey überhaupt nicht wetten darf. Das gilt für alle Sportarten. Denken Sie an Pete Rose, der hat das beim Baseball gemacht, und das war auch illegal.« Susan, die die Qualen der Verdammten litt, schnappte sich noch ei­nen Zimtdoughnut.

»Würde das nicht heißen, daß er das Rennen manipuliert?«

»Könnte sein, aber nicht unter diesen Umständen.« Susan fuhr fort: »Mickey Townsends Stute hatte so gut wie keine Chance. Natürlich hat Nigel die Wette über einen Dritten plaziert. So habe ich es jeden­falls gehört.« »Ja, aber beim Hindernisrennen - eine Massenkarambolage, und ein Außenseiter könnte siegen.« Harry beugte sich über Mrs. Mur­phy. »Murphy, ich muß die Post reinkippen.«

»Nein.«

»Komm schon, Kätzchen.«

»Nein.« Zum Beweis ihrer Entschlossenheit rollte Murphy sich auf den Rücken und ließ ihren schönen beigen Bauch mit den kräftigen schwarzen Streifen sehen.

»Na gut, Großmaul.« Harry schüttelte ein bißchen Post auf die Kat­ze.

»Ich geh hier nicht weg.« Mrs. Murphy wälzte sich auf die Seite.

»Sturkopf.« Harry langte mit beiden Händen hinein, zog sie heraus und setzte sie in das Tipi aus Fliesstoff, das sie eigens für die Katze gekauft hatte.

Murrend ging Mrs. Murphy drinnen dreimal im Kreis herum und setzte sich dann hin. Sie brauchte ihr Morgennickerchen.

»Klingt in meinen Ohren nicht reell.« Mrs. Hogendobber benutzte gelegentlich Ausdrücke aus ihrer Jugend, die heute aus der Mode geraten waren.

»Nicht gerade ein kluger Schachzug.« Harry kippte den Rest der Post aus ihrem Sack in den Karren, dann schob sie ihn zu den Postfä­chern.

»Ich würde mir weniger darum Gedanken machen als darüber, wo­her ein Jockey tausend Dollar Bargeld hat.« Susan ging bei den Drucksachen zur Hand. »Die Jungs kriegen nur fünfzig Dollar pro Rennen. Wenn sie gewinnen, Sieg oder Platz, erhalten sie einen Pro­zentsatz vom Renngewinn.«

Harry lachte. »Der Sold der Sünde.«

»Wißt ihr.« Susans Stimme verklang.

»Wir sollten mittags zu Mims Stall gehen«, sagte Harry. »Larry kommt heute her.« Dr. Larry Johnson, im Teilruhestand, übernahm in der Mittagspause die Vertretung, damit Harry und Mrs. Hogen­dobber Besorgungen machen oder sich bei einem Essen in der Pizze­ria ausruhen konnten.

»Nun mal langsam, Mädels. Sie haben ein Gerücht gehört, Susan, keine Tatsache. Sie sollen niemanden verleumden, auch nicht, wenn er tot ist.« »Ich verleumde ihn nicht. Ich habe es nur weitererzählt, und ich glaube nicht, daß es schadet, wenn wir ein bißchen herumschnüf­feln.«

»Das Schnüffeln ist mein Ressort«, teilte Tucker ihnen mit.

»Wir könnten mit den Pferden reden. Die wissen, was vorgefallen ist. Zu schade, daß keine mehr im Stall waren, als Nigel erdolcht wurde«, ließ sich Mrs. Murphy schleppend aus ihrem Tipi verneh­men.

»Selbst wenn eins dagewesen wäre, Murph, hätte man das Pferd höchstwahrscheinlich in seinen Stall zurückgefahren, und wie woll­ten wir dorthin kommen? Vor allem, wenn es ein Pferd aus Maryland war?« Tucker legte sich vor das Tipi und steckte die Nase hinein. Mrs. Murphy hatte nichts dagegen.

Die Vordertür ging auf. Reverend Herb Jones und Market Shiflett kamen geschäftig herein.

»Ist die Post schon sortiert?« fragte Market.

»Ist es schon acht?« Harry warf Post in Fächer.

»Nein.«

»Ich hab deine gleich hier. Hab mit ihr angefangen, weil ich dichso gern habe«, zog Harry ihn auf.

Als Market zum Vordereingang hereingestürmt kam, schneite Pew­ter hinten herein.

»Was ist mit mir?« fragte Herb.

»Sie habe ich auchsoo gern.« Harry lachte und reichte ihm einen Haufen Zeitschriften, Rechnungen, Briefe und Kataloge.

Pewter ging um Tucker herum und steckte den Kopf in das Tipi. Dann zwängte sie sich hinein und rollte sich neben Mrs. Murphy zusammen.

»Mann, bist du fett«, murrte die Tigerkatze.

»Das sagst du immer.« Pewter schnurrte, denn sie hatte es gern ku­schelig.»Aber ich wärme dich.«

»Sagen Sie, ich habe gehört, daß Linda Forloines tausend Dollar auf das fünfte Rennen gegen das Pferd gesetzt hat, das sie ritt.« Herb Jones warf unerwünschte Werbeprospekte in den Papierkorb.

»Na also«, rief Miranda triumphierend, während sie mit dem Sor­tieren fortfuhr.

»Also was?« fragte er.

»Susan hat dasselbe von Nigel Danforth gesagt«, rief Miranda hin­ter den Postfächern hervor.

»Oh!« Herb stapelte seine Post ordentlich und machte ein Gummi­band darum. »Wieder Nährstoff für die Gerüchteküche.«

»Nun, irgend jemand muß tausend Dollar auf das fünfte Rennen gesetzt haben.« Susan, das Kinn vorgeschoben, gab nicht so leicht auf.

Market beugte sich über den Tresen. »Ihr wißt, wie so was läuft. Als nächstes werdet ihr hören, daß die Leiche verschwunden ist.«

13

Fair stand in der Tür und sah so ernst aus wie ein Herzinfarkt. Nor­malerweise hätte Harry mit ihm geschimpft, weil sie es überhaupt nicht mochte, wenn er bei ihr hereinschneite, ohne vorher anzurufen. Manchmal vergaß er, daß sie nicht mehr verheiratet waren, eine in­teressante Wendung, denn als sie verheiratet waren, hatte er auch das manchmal vergessen.

Als sie seine blassen Lippen sah, blieb ihr der Protest im Halse stecken.

»Daddy!« Tucker huschte herbei, um Fair mit Liebe zu überschüt­ten.

»Schleimscheißerin.« Mrs. Murphy kehrte ihm den Rücken zu, und ihre Schwanzspitze zuckte. Sie hatte Fair gern, aber nicht so sehr, daß sie sich zum Narren machte, indem sie zu seiner Begrüßung eilte. Auch fühlte Murphy, die selbst einst unter einem Schwerenöter von Gatten zu leiden gehabt hatte, dem hübschen schwarzweißen Paddy, von ganzem Herzen mit Harry.

»Mach die Tür zu, Fair. Es ist kalt.«

»Das kann man wohl sagen.« Er schloß leise die Tür hinter sich, zog sein dickes grünkariertes Arbeitshemd aus und hängte es an ei­nen Haken bei der Tür.

»Bei mir gibt's heute abend nur Käse und Cracker, weil ich seit Wochen nicht im Supermarkt war. Du kannst gern was abhaben.«

»Kein Appetit. Hast du 'n Bier?«

»Klar.« Sie holte eine kalte Flasche Sol aus dem Kühlschrank, öff­nete sie, nahm ein Henkelglas und gab es ihm, worauf er ins Wohn­zimmer ging. Er ließ sich in den prall gepolsterten Sessel fallen, ein Überbleibsel aus den vierziger Jahren. Harrys Mutter hatte ihn bei einem Ramschverkauf erstanden. Er war so oft neu bezogen worden, daß von dem ursprünglichen Muster, goldene Sterne auf schiefer­grauem Grund, nur an den Ecken noch Reste übrig waren, wo die Polsternägel vereinzelte Originalfäden festhielten. Das letzte Mal war der Bezug vor sieben Jahren erneuert worden. Mrs. Murphy hatte mit ihren Krallen das Holz unter dem Stoff freigelegt, weshalb man auch die Polsternägel sehen konnte. Die stete Ausübung ihres kätzischen Zerstörungswillens zwang Harry, den Sessel mit einem Überwurf zu bedecken. Nachdem sie sich daran gewöhnt hatte, gefiel ihr die dunkelgrüne, gold eingefaßte Decke ganz gut, die einst dazu gedient hatte, bei bitterer Kälte die Hinterhand von Pferden warm zu halten.