Выбрать главу

»Was verschafft mir das Vergnügen?«

Fair tat einen langen Zug aus der Flasche. »Man ermittelt gegen mich.«

»Wegen der Ermordung von Nigel Danforth?« platzte Harry her­aus.

»Nein - wegen Pferdedoping. Mickey Townsend ist zu Mim gefah­ren, um es ihr zu sagen, und Mim hat es mir gesagt, und natürlich hat Colbert Mason vom Verband es bestätigt. Er hat freundlicherweise gesagt, daß niemand es glaubte, aber er müsse der Sache pro forma nachgehen.«

»Hat dich jemand formell beschuldigt?«

»Noch nicht.«

»Das ist ja totaler Hirnriß!«

»Ganz meine Meinung.« Die tiefen Falten um seine hellen Augen unterstrichen seine männliche Erscheinung. Er rieb sich die Stirn. »Wer mag so was nur tun?«

»Wer immer dir sagt, daß er es nie tun würde«, bemerkte Harry. »Wer hat etwas davon, dir das anzutun? Ein anderer Tierarzt?«

»Harry, du kennst die anderen Pferdeärzte so gut wie ich. Keiner von ihnen würde so tief sinken. Außerdem arbeiten wir zusammen.«

Murphy schleppte ihre kleine Spielmaus herein, die mit Kaninchen­fell bezogen war, eine von ihren Lieblingsspielsachen. Sie hoffte, Harry dazu verleiten zu können, sie zu werfen, damit sie ihr nachja­gen konnte. Sie sprang auf die Armlehne des Sessels und ließ die Maus in Harrys Schoß fallen.

»Murphy, geh, fang dir eine richtige.«

»Ich hab dieses Haus von Mäusen befreit. Ich bin die Mäusefän­germeisterin«, prahlte sie.

»Ha!« Tucker zwängte sich auf Harrys Fuß.

»Du könntest ja nicht mal 'ne Maus fangen, wenn dein Leben da­von abhinge.«

»Und du könntest keine Kühe hüten, wenn dein Leben davon ab­hinge. So, da hast du's.«

Harry warf die Maus über die Schulter, und die Katze sprang vom Sessel, stürmte durchs Zimmer, schlitterte an der Maus vorbei, weil sie zu spät abgebremst hatte, stieß mit dem Hinterteil gegen die Wand, fuhr herum, zog die Pfoten an und hieb auf die Maus ein.

»Tod dem Geschmeiß!« Sie warf die Maus über ihren Kopf. Sie schlug sie mit ihren Pfoten. Sie warf sie im hohen Bogen in die Luft und fing sie im Herunterfallen.

»Möchtest du nicht einmal auch so sein?« Harry bewunderte Mrs. Murphys hemmungslose Wildheit.

»Freiheit.« Fair lachte, als die Tigerkatze, die Spielmaus im Maul, über die Corgihündin sprang.

»Ich hasse es, wenn du das machst«, knurrte Tucker.

Mrs. Murphy sagte nichts, weil sie ihre Maus nicht fallen lassen wollte, deshalb machte sie kehrt und übersprang Tucker von der anderen Seite. Tucker legte sich flach auf den Teppich, die Ohren angelegt.

»Angeberin.«

Die Katze achtete nicht auf sie, sondern raste ins Schlafzimmer, um die Maus hinter den Kissen verstecken und dann darunter kriechen zu können, um den Feind aufs neue zu vernichten.

Harry kam auf das Thema zurück. »Erinnerst du dich an die Bücher über Kriegsphilosophie, die du früher gelesen hast? Eines war>Die Kunst des Krieges< von>Sunzi<. Eine Passage darin lautetFeuer auf der Ostseite, Angriff vom Western. Vielleicht wird so was mit dir gespielt.«

»Du hast diese Bücher genauer gelesen als ich.«

»Von Clausewitz fand ich am besten.« Sie setzte sich in den Schneidersitz. »Niemand, der dich kennt, niemand, der dich bei der Arbeit an einem Pferd beobachtet hat, kann jemals glauben, daß du Pferden aus Gewinnsucht Medikamente gibst. Weil diese Beschwer­de aus Rennbahnkreisen kommt, muß sie sich nicht unbedingt auf den Mord beziehen, aber es lenkt die Leute schon auf eine falsche Spur, läßt sie den Blick sozusagen nach Osten wenden.«

»Ja - man wird Zeit mit mir verschwenden«, murmelte er.

»Wie gesagt,Feuer auf der Ostseite, Angriff vom Westen<.« Sie hielt inne. »Hast du Nigel gekannt?«

»Er hat nicht viel geredet, wir haben uns meist bloß zugenickt.« Er schwenkte sein Bein über eine Armlehne des Sessels. »Möchtest du ins Kino gehen?«

»Nee. Ich streiche heute abend das Badezimmer. Ich kann es keine Minute länger ertragen.«

»Du arbeitest zuviel.«

»Das mußt du gerade sagen.«

»Kommt denn keiner hier rein und spielt mit mir?« rief Murphy aus dem Schlafzimmer und warf um der theatralischen Wirkung willen ein Kissen auf den Fußboden.

»Sie ist heute abend sehr gesprächig.« Fair trank sein Bier aus. »Bring mir dein Mäuschen.«

Zu beobachten, wie ein fast 1,95 Meter großes Kraftpaket von ei­nem Mann eine Katze bittet, ihm ihr Mäuschen zu bringen, mutete Harry keineswegs seltsam an. Sie und Fair waren beide so auf Tiere eingestellt, daß das Sprechen mit ihnen so natürlich war wie das Sprechen mit Menschen. Im allgemeinen führte es zu besseren Re­sultaten.

Murphy kam aus dem Schlafzimmer geschossen, die Maus wieder im Maul, und ließ das kleine graue Spielzeug auf Fairs Stiefel fallen.

»So einekostbare Maus. Murphy, du bist eine große Jägerin. Du mußt unbedingt auf Safari gehen.« Er warf die Maus in die Küche, und Murphy raste davon.

»Du verwöhnst sie.« Tucker ließ den Kopf auf die Pfoten sinken.

»Miranda und ich wollten eigentlich in der Mittagspause zu Mim, um uns umzuhorchen wegen des Gerüchts, daß Nigel im sechsten Rennen - oder war es das fünfte? - gegen sich selbst gewettet hat.« Sie zuckte die Achseln. »Allerdings, über Linda Forloines kursierte dasselbe Gerücht.«

»Die tausend Dollar?«

»Nehme an, es hat sich rumgesprochen.«

»Ja. Warum seid ihr nicht hingegangen?«

»Larry hat uns erst spät abgelöst. Miranda bekam einen Anruf von ihrer Kirchengruppe, irgendwelche Probleme mit dem Liederfestival, und da bin ich in die Pizzeria gegangen. Es ist sinnlos, Gerüchten hinterherzulaufen, und deswegen kann ich nicht glauben, daß Colbert Mason sich mit dem, was dich betrifft, überhaupt abgibt. Na ja, ich nehme an, er muß der Sache nachgehen.«

»Du hast die Menschen immer besser verstanden als ich. Ich bin nicht bloß Tierarzt, weil ich Tiere liebe. Im tiefsten Innern mag ich die Menschen wohl nicht besonders - oder vielleicht mag ich nur ein paar Auserwählte wie dich.«

»Fang nicht schon wieder damit an«, erwiderte Harry rasch.

»Mom, sei nicht so streng mit ihm.« Mrs. Murphy deponierte ihre Maus neben ihrer Futterschüssel.

»Ja, Mom«, fiel Tucker ein.

»Ich fang nicht damit an.« Er seufzte. »Du weißt, ich habe bereut. Ich hab's dir gesagt. Ich bin dabei, mich zu ändern. Himmel, viel­leicht werde ich sogar erwachsen.«

»Mutter hat immer gesagt, Männer werden nicht erwachsen, sie werden alt. Eigentlich dachte ich, Dad sei ein reifer Mann, aber eine Tochter sieht einen Mann ja nicht so wie eine Ehefrau.«

»Willst du mir damit sagen, ich kann nicht erwachsen werden?«

»Nein.« Sie löste die gekreuzten Beine und beugte sich vor. »Ich kann mit solchen Themen nicht gut umgehen. Im allgemeinen be­hauptet man, daß Frauen über Gefühle sprechen können und Männer nicht. Ich sehe nicht, daß ich das gut könnte, und ich sehe keinen Grund, es zu lernen. Ich weiß schließlich, was ich fühle. Ob ich das ausdrücken kann oder will, ist meine Sache, oder? Jedenfalls, Gefüh­le sind wie Quecksilber, rauf, runter, und wenn du das Thermometer zerbrichst, läuft das Zeug raus. Puff.«

»Mary Minor, sei nicht so widerborstig. Ein bißchen Innenschau kann nicht schaden.«

»Nicht schon wieder die Therapieschiene!« Sie hob die Hände.

Er ging nicht auf die Bemerkung ein. »Zuerst wollte ich ja nicht dahin, aber ich hatte mein Leben so durcheinandergebracht, daß mir nur die eine Wahl blieb: hingehen oder einen Pistolenlauf in den Mund stecken.« Er hielt inne. »Eigentlich freu ich mich auf die Sit­zungen. Ich nehme an einem Collegekurs teil, und das Thema bin ich. Das bedeutet vermutlich, daß ich selbstsüchtig bin.« Er lächelte gequält.