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Während er herankam, um mit>den Mädels<, wie er sie nannte, zu plaudern, nickte und winkte Arthur den Leuten zu. Der beliebte Rechtsanwalt war nicht nur Rennbahndirektor von Montpelier, son­dern häufig auch Bahnrichter bei anderen Hindernisrennen. Als Te­stamentsvollstrecker von Marylou Valiant war er zudem der Vor­mund ihrer beiden Kinder - der Vater lebte nicht mehr -, bis Adelia in diesem Monat einundzwanzig würde und ihr beträchtliches Erbe antrat. Obwohl Chark älter war als seine Schwester, kam auch er vor Addies Geburtstag nicht an sein Geld heran. Seine Mutter war der Meinung gewesen, daß Männer, da sie langsamer reifen, ihr Erbe später antreten sollten. Sie hätte nicht falscher liegen können, was ihre Sprößlinge betraf, denn Charles war besonnen, wenn nicht gar geizig, wogegen Addies Lebensphilosophie das finanzielle Äquiva­lent zum Bibelspruch>schauet die Lilien auf dem Felde< war. Doch Marylou, die vor fünf Jahren verschwunden und für tot erklärt wor­den war, hatte entscheidende Jahre in der Entwicklung ihrer Kinder verpaßt. Sie hatte nicht wissen können, daß ihre Theorie in diesem Fall umgekehrt zutraf.

»Ah, wie aus dem Ei gepellt«, neckte Addie ihren Vormund, wäh­rend sie seine Weste und sein Sakko aus feinem englischen Tweed begutachtete.

»Ich kann nicht schäbig herumlaufen. Mrs. Scott würde zurück­kommen und mir die Hölle heiß machen. Harry, es freut uns, daß Sie uns heute aushelfen.«

»Mach ich doch gern.«

Er legte seine Hand auf Addies schmale Schulter und murmelte: »Morgen - eine kleine Sitzung.«

»Ach, Arthur, du willst immer nur über Aktien reden und Obliga­tionen und«, sie äffte seine ernste Stimme nach, als sie rezitierte: »NIE DAS KAPITAL ANRÜHREN. Das hängt mir zum Hals raus! So was Langweiliges.«

Er kicherte. »Trotzdem, wir müssen vor deinem Geburtstag noch einmal über deine Verantwortung reden.«

»Warum? Wir reden einmal im Monat über diesen Mist.«

Arthur zuckte die Achseln, seine strahlenden Augen suchten Unter­stützung bei Harry. »Wein, Weib und Gesang sind die Laster der Männer. In deinem Fall sind es Pferde, Jockeys und Gesang. Du wirst keinen Penny mehr übrig haben, wenn du vierzig bist.« Sein Ton war locker, doch sein Blick war eindringlich.

Bedachtsam trat Addie einen Schritt zurück. »Fang bloß nicht von Nigel an.«

»Nigel Danforth ist so attraktiv wie eine Investition in der Wüste Gobi.«

»Ich mag ihn.« Sie preßte die Lippen zusammen.

Arthur schnaubte. »Sich zu verantwortungslosen Männern hinge­zogen fühlen ist ein Laster der Frauen in eurer Familie. Nigel Dan­forth ist deiner nicht wert, und...«

Addie schob ihren Arm durch Harrys, während sie Arthurs Satz für ihn beendete: ».er hat es bloß auf dein Geld abgesehen, glaub mir.« Sie seufzte aufgebracht. »Ich muß mich fertigmachen. Wir können nach den Rennen darüber streiten.«

»Es gibt nichts zu streiten. Absolut nichts.« Arthurs Ton wurde milder. »Hals- und Beinbruch. Wir sehen uns nach den Rennen.«

»Bestimmt.« Addie bugsierte Harry zur Waage, während Arthur sich zu Fair und den anderen vergnügten Bahnrichtern begab. »Du wirst Nigel mögen - du kennst ihn noch nicht, oder? Arthur ist ein alter Trottel, wie immer.«

»Er ist besorgt um dich.«

»Na, prima.« Addies Miene hellte sich auf. »Nigel reitet für Mi­ckey Townsend. Hat gerade bei ihm angefangen. Ich hab ihm aber geraten, sich am Ende jedes Tages auszahlen zu lassen. Mickey hat gute Pferde, aber er ist ständig pleite. Nigel ist neu, verstehst du - er kommt aus England.«

Harry lächelte. »Amerikaner nennen ihre Söhne nicht Nigel.«

Addie überhörte die spöttische Bemerkung. »Er hat eine ganz wei­che Stimme. Wie Seide.«

»Wie lange bist du schon mit ihm zusammen?«

»Zwei Monate. Chark kann ihn nicht leiden, aber Charles der Sech­ste kann manchmal so verbohrt sein. Ich wollte, er und Arthur wür­den mich nicht dauernd bevormunden. Bloß weil ein paar von mei­nen früheren Freunden sich als Knallfrösche erwiesen haben.«

Harry lachte. »Tja, du weißt, man sagt, du mußt eine Menge Frö­sche küssen, bevor du den Prinzen findest.«

»Besser ein armer Prinz als ein reicher Frosch.«

»Addie, Geld spielt dabei keine Rolle.« Sie hielt inne. »Aber Dro­gen. Nimmt Nigel welche? Man kann nicht vorsichtig genug sein.« Harry war immer dafür, das Kind beim Namen zu nennen.

Addie sagte rasch: »Ich nehme keine Drogen mehr.« dann wechsel­te sie das Thema. »Sag, kommt Susan heute?«

»Später. Reverend Jones will auch kommen. Die ganze Crozet- Truppe. Wir müssen Bazooka anfeuern.«

Chark winkte seine Schwester zu sich.

»Hups. Der große Bruder sieht mich an.« Sie ließ Harrys Arm los. »Harry, wir sehen uns nach den Rennen. Ich möchte dir Nigel vor­stellen.«

»Also dann, bis nach den Rennen.« Harry ging, um sich ihren Po­sten zuweisen zu lassen.

Harry war wie üblich am östlichen Hindernis eingeteilt, das so hieß, weil es dem Osteingang zum Haupthaus am nächsten lag. Sie schwang sich über den Zaun zu den Zelten der Sponsoren, nahm sich ein Schinkenbrötchen und eine Tasse Tee, drehte sich zu schnell um, ohne hinzusehen, und stieß mit einem schlanken dunkelhaarigen Mann zusammen, der in Begleitung eines ihr bekannten Jockeys war.

»Verzeihung«, sagte sie.

»Schon wieder eine Frau, die über dich herfällt«, sagte Coty La­mont süffisant.

»Coty, du benutzt nicht das richtige Parfüm. Alter Mist zieht keine Frauen an.« Der andere Mann sprach mit leichtem englischem Ak­zent.

Harry, die Coty - den derzeit besten Jockey - flüchtig kannte, lä­chelte ihn an. »Ich rieche das gern, Coty.«

Er erkannte sie, weil sie gelegentlich bei anderen Hindernisrennen arbeitete. »Die Dame von der Post.«

»Mary Minor Haristeen.« Sie streckte die Hand aus.

Er schüttelte sie. Er konnte seine Hand nicht ausstrecken, bevor sie ihm ihre reichte... so ungehobelt Coty auftrat, er beherrschte doch ein Minimum an Anstandsregeln.

»Und dies ist Nigel Danforth.«

»Freut mich, Mr. Danforth.« Harry gab ihm die Hand. »Ich bin eine Freundin von Addie.«

Ihre Mienen entspannten sich.

»Ah«, sagte Nigel nur und lächelte.

»Dann rein ins Vergnügen«, sagte Coty.

»Ah ja«, sagte Harry leise, ein wenig verwirrt über den plötzlichen Enthusiasmus der Männer.

»Also, bis später.« Coty steuerte auf das Umkleidezelt der Jockeys zu.

Nigel blinzelte. »Addies Freunde.« Dann eilte auch er in das Zelt.

Harry sah den schmächtigen Männern nach, erstaunt, was für win­zige Pos sie hatten. Sie wußte nicht, was sie von den beiden halten sollte. Ihr ganzes Auftreten hatte sich verändert, als sie Addie er­wähnte. Als hätte sie das Kennwort eines exklusiven Clubs genannt.

Sie blinzelte, trank einen Schluck Tee, dann ging sie zur Ostseite des Zeltbereichs und stieg über die Absperrung. Tucker duckte sich unten durch.

»Komm, Tucker, überprüfen wir unser Hindernis, bevor die Hor­den einfallen.«

»Gute Idee«, sagte Tucker.»Du weißt ja, alle bleiben dauernd ste­hen, um ein paar Worte miteinander zu wechseln. Wenn du jetzt nicht da rüberkommst, kommst du nie rüber.«

Harry sah zu dem Hund hinunter. »Du hast eine Menge zu sagen.«

»Ja, aber du hörst nicht zu.«

Vom östlichen Hindernis aus konnte Harry die anfahrenden Autos nicht sehen, aber sie konnte den stetig anwachsenden Lärm hören. Froh, allein zu sein, biß sie in das saftige Schinkenbrötchen. Sie be­merkte Mim, die durch das Tor zum großen Haus in Richtung Renn­bahn ging. Der wahltaktische Rundgang war wohl zu Ende, dachte sie, ein weiterer Grund, weshalb es ihr gefiel, im Hintergrund zu bleiben - kein Händeschütteln.

Die Arbeit im Postamt von Crozet bescherte Harry freie Wochen­enden und ein Minimum an Plackerei. Das Postamt war samstags von acht bis zwölf geöffnet. Sally Dohner und Liz Beer wechselten sich samstags ab, so daß Harry zwei volle freie Tage genoß. Ihre Bekannten nahmen ihre Arbeit mit nach Hause, rieben sich auf, schufteten bis spät in die Nacht. Harry schloß die Tür des kleinen Postgebäudes auf der Hauptstraße von Crozet ab, fuhr nach Hause und vergaß die Arbeit bis zum nächsten Morgen. Wenn sie sich auf­rieb, dann für ihre Farm am Fuß des Yellow Mountain oder wegen eines Problems mit einem Freund oder einer Freundin. Oft wurde ihr mangelnder Ehrgeiz vorgehalten, und sie gab ihren Kritikern ohne weiteres recht. Ihre Kommilitoninnen vom Smith College, die soeben anfingen, in New York, Boston, Richmond und weit entfernten Städ­ten im Mittelwesten und Westen die Karriereleiter zu erklimmen, erinnerten sie daran, daß sie beim Schulabschluß zu den oberen zehn Prozent ihrer Klasse gehört hatte. Sie fanden, daß sie ihr Leben ver­geudete. Sie fand, daß sie ihr Leben von innen heraus lebte. Es war ein erfülltes Leben. Sie legte einen anderen Maßstab an als ihre ehe­maligen Kommilitoninnen.