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»Mal sehen, was ich mit den Kleinen hier machen kann, aber ich käme wirklich gern.«

»Es ist Adelias einundzwanzigster Geburtstag. Ich dachte, wir könnten dort feiern und ihre Probleme hinter uns lassen.«

»Gute Idee.«

30

Graue Wolken hingen so tief, daß Harry meinte, hinauflangen und eine fassen zu können. Die Temperatur hielt sich bei sieben Grad, und der leichte rauhe Wind ließ Harry schaudern.

Sie hastete während ihrer Mittagspause aus der Bank, gerade, als Boom Boom hineinhastete.

»Harry.«

»Boom Boom.«

»Tut mir leid, daß ich im Supermarkt die Beherrschung verloren habe.«

»Naja, bei einer Klopapierlawine kann das schon mal passieren.« Harry ging weiter die Treppe hinunter.

Boom Boom legte ihr die manikürte Hand auf die Schulter und hielt sie auf. »Miranda sagt, du kannst die nächste Stunde frei ha­ben.«

»Hä?«

»Ich war gerade im Postamt und habe sie gefragt, ob ich dich für eine Stunde ausleihen kann.«

»Wozu?«

»Um dich mit zu>Lifeline< zu nehmen.«

»Nein.«

»Harry, auch wenn du's schrecklich findest, es ist ein Erlebnis, über das du später lachen kannst.«

Harry hätte Miranda gern verdroschen sowie Boom Boom, heute eine magentarote Vision in Kaschmir und Wolle, erwürgt. »Nein. So was kann ich nicht machen.«

»Du mußt auf andere Menschen zugehen. Deine Ängste loslassen. Wir sind alle verknotet vor Angst.«

Harry atmete tief durch und schob Boom Booms Hand von ihrer Schulter. »Ich habe Angst zu sterben. Ich habe Angst, daß ich meine Rechnungen nicht bezahlen kann. Ich habe Angst vor Krankheit, und ich glaube, wenn ich schonungslos ehrlich bin, daß ich Angst habe, alt zu werden.«

»>Lifeline< kann diese Angst nicht nur bannen, es kann dich sogar lehren, sie in lebensintensivierende Erfahrungen zu verwandeln.«

»Guter Gott.« Harry schüttelte den Kopf.

Mickey Townsend trat hinter sie, einen Kreditbrief in der behand­schuhten Hand. »Harry. Boom Boom. Harry, ist alles in Ordnung?«

»Nein! Boom Boom liegt mir permanent in den Ohren, daß ich mit ihr zu>Lifeline< gehen soll. Ich will da nicht hin.«

»Ihr würdet staunen, wie viele Leute da hingehen.« Boom Boom klimperte mit den Wimpern. Harry nahm an, das galt Mickey.

»Ich bin nie zu>Lifeline< gegangen, aber.« Er hielt inne. »Als Marylou verschwand, war ich bei Larry Johnson. Er hat mir Antide­pressiva verschrieben, die mir das Gefühl gaben, als wäre ich von einem Bulldozer überfahren worden, bloß, ich funktionierte einiger­maßen. Ich haßte dieses Gefühl deswegen habe ich eine Therapie gemacht.«

»Sie?«

»Da hast du's!« triumphierte Boom Boom.

»Halt den Mund, Boom.>Lifeline< ist keine Therapie.«

»Hat es geholfen? Bestimmt.« Boom Boom lächelte überschweng­lich.

Mickey senkte seine ohnehin schon leise Stimme »Ich habe he­rausgefunden, daß ich ein richtiger Schweinehund bin, und wissen Sie, was ich noch herausgefunden habe?« Er neigte sich Boom Boom entgegen und flüsterte: »Das gefällt mir.«

Harry lachte, und Boom Boom trällerte, über die Situation erhaben: »>Lifeline< könnte Ihnen guttun.«

»Ein einfacher Scotch könnte mir auch guttun.« Er tippte an seinen Hut. »Meine Damen.«

Noch lachend verabschiedete sich Harry von ihrer verbesserungs­wütigen Peinigerin.

»Weißt du was, Harry?« rief Boom Boom ihr nach »Es geht hier um Prozesse, nicht bloß um Individuen. Prozesse. Die Wege, nicht die Ziele. Es gibt positive Prozesse und negative Prozesse. Nimm Mickey Townsend. Seit die ganze Stadt sich gegen ihn gewendet hat, weil er Marylou den Hof machte -negativer Prozeß.«

Harry blieb stehen und drehte sich um. »Was hast du gesagt?«

»Prozeß!« rief Boom Boom.

Harry hob beschwichtigend die Hände. »Ich höre dich. Ich glaube, mir ist etwas entgangen.«

»Eine Menge.«

»Komm auf Marylou zurück.« »Erst, wenn du mit mir zu>Lifeline< gehst.«

»Hör zu, ich muß jetzt packen, ich fahre übers Wochenende nach Camden. Ich hab keine Zeit, mit dir zu>Lifeline< zu gehen. Sprich jetzt mit mir über Prozesse. Ich verspreche dir mitzugehen, wenn ich zurück bin.«

»Gib einen Zeitraum an.«

»Hä?«

»Du könntest zurückkommen und sagen, du gehst nächstes Jahr mit.«

»In einer Woche.«

Boom Boom trat begeistert näher und baute sich, Harry um einiges überragend, vor ihr auf. »In der Isolation geschieht nichts. Alle Emo­tionen sind miteinander verbunden wie Glieder einer Kette. Marylou Valiant kam ohne ihren Mann nicht zurecht. Sie trank zuviel. Ver­schwendete Geld. Das hat Arthur auf den Plan gerufen, der sie liebte. Er hat den gierigen Filmstar weggejagt, und was passiert? Sie ver­liebt sich in Mickey Townsend.«

»Und?«

»Ein Prozeß. Kein Mensch stellt sich unmittelbar seinen Emotionen und läßt sie los. Arthur wird verbittert. Er zieht Chark auf seine Sei­te. Mickey zieht Addie auf seine Seite. Die Männer kämpfen um Marylou und benutzen ihre Kinder als Waffen.«

Harry schwieg eine Weile, dann sagte sie: »Das ist der zweite Akt.«

»Ja - bis alle Beteiligten aufhören, sich an verkrustete, überholte Verhaltensmuster zu klammern. Aber das Ego der Menschen klam­mert sich an ihrer Wut und ihrer Qual fest. Und so geben sie sie wei­ter.«

»Wie eine Nahrungskette«, dachte Harry laut.

»Nicht ganz. Hier geht es um das Aufbrechen von Verhaltensmu­stern.«

»Ich verstehe. Glaube ich.« Sie rieb sich die Schläfen. »Wollte nicht so - hm - simplifizieren.«

»Du kommst mit mir?«

»Hab ich doch gesagt.«

»Hand drauf.«

Harry streckte ihre Hand aus. Sie rannte zum Postamt, stieß die Tür auf. »Miranda, wie konnten Sie?«

Miranda, die ihre Brille am Hals baumeln hatte, sagte zu Herb Jo­nes. »Achten Sie nicht auf sie.«

Harry trat an den Schalter; Murphy, Pewter und Tucker beobachte­ten jede ihrer Bewegungen. »Sie haben zu Boom Boom gesagt, Sie würden mich eine Stunde ablösen, damit ich zu>Lifeline< gehen kann. Wie konnten Sie nur?«

»Ich habe nichts dergleichen getan. Ich habe ihr gesagt, wenn Sie gehen wollen, können Sie. Ist nicht viel los heute.«

»Verdammt, das hätte ich mir denken können.« Harry stützte den Ellenbogen auf den glatten, abgewetzten Schalter. »Also, ich geh hin.« Sie hob abwehrend die Hand. »Nicht heute. Nächste Woche.«

»Harry, ich bin stolz auf Sie.« Der Reverend strahlte.

»Warum?«

»Sie zeigen die ersten Anzeichen von Vergebung.«

»Tu ich das?«

»Ja.« Er langte über den Schalter und klopfte sie auf den Rücken. »Viel Spaß bei den Rennen, Mädels.«

Als er ging, schilderte Harry Miranda ihr komplettes Gespräch mit Boom Boom Craycroft.

»Sie hat nicht von den Morden geredet - sie hat bloß geredet.« Mi­randa schob sich die Brille auf den Nasenrücken.

»Ja, aber ich habe mich gefragt, ob die Morde an Nigel und Coty nicht Teile eines Prozesses sind - etwas, das vor den Drogen an­fing... oder währenddessen. Rennen manipulieren. Wetten. Das war bei allen der erste Gedanke, erinnern Sie sich?«

»Ja. Hat sich als unbegründet erwiesen.«

»Nun, Mrs. H. sie wurden nicht bloß ermordet, weil jemand sie nicht leiden konnte. Sie waren wie Glieder einer Kette.«

»Sie überrascht mich.« Pewter legte sich hin und kreuzte die Pfoten

vor sich.»Menschen können ja doch logisch denken.«