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Als Tucker merkte, daß Harry ihr nicht nachjagen würde, beschloß sie, den Katzen zu folgen, die sie wie gewöhnlich in Versuchung führten.

Chark Valiant saß mit den Sanburnes und Arthur Tetrick in der er­sten Reihe. Rick und Cynthia standen an der Seite. Harry, die keinen Platz fand, lehnte sich an die Wand und hoffte, unauffällig Blickkon­takt mit Rick oder Cynthia aufnehmen zu können.

Mrs. Hogendobber trat vor zu ihrem Solo. Ihre volle Altstimme überzog den Raum wie mit dunklem Honig.

»Mrs. H.?« Mrs. Murphy war so verblüfft, die gute Frau zu hören, daß sie ganz nach vorn ging und sich vor Miranda hinsetzte, den hübschen kleinen Kopf schräg in die Höhe gerichtet, um ihrer Freun­din zuzuhören, der Dame, die früher keine Katzen leiden konnte.

Miranda sah Mrs. Murphy, der sich nun Pewter und Tucker zuge­sellten. Die zwei Kätzchen und der Hund, hingerissen, verharrten reglos. Hier und da quirlte ein Kichern durch die Zuhörer, aber ins­gesamt waren die Menschen seltsam berührt von den Tieren, die Miranda lauschten, als sie eines der schönsten Spirituals sang, ein harmonisches Zeugnis von einer bitteren Zeit, die nur durch die hei­lende Kraft der Musik erträglich war.

Herb, ebenfalls in der ersten Reihe, einem Ehrenplatz, den ihm die Kirche zugestand, staunte über die Szene.

Als Miranda geendet hatte, trat einen Moment lang ehrfürchtige Stille ein, gefolgt von tosendem Applaus.

»Du warst wunderbar«, rief Mrs. Murphy, dann trottete sie den Mittelgang entlang und blickte im Vorbeigehen prüfend in jedes Gesicht.

»Wonach suchen wir?« fragte Pewter.

»Nach jemand, der schuldig ist wie die Sünde.«

»Ooh-lala«, trällerte sie.

»Und das in der Kirche«, kicherte Tucker.

»Kommt ihr wohl hierher!« flüsterte Harry.

»Hört nicht auf sie. Egal, wie rot sie anläuft, hört einfach nicht auf sie.«

»Du kriegst Ärger«, warnte Pewter.

»Sie muß mich erst mal fangen, und denkt daran, sie hat mich nicht nach Montpelier und nach Camden mitgenommen. Ich bete nur« - ihr fiel ein, daß sie in einer Kirche war -,»daß wir sie hier rauskrie­gen können, bevor die Fetzen fliegen.«

Der nächste Gesang, ein Bach-Choral, fesselte aller Aufmerksam­keit. Mrs. Murphy sprang auf einen niedrigen Tisch nahe der hinte­ren Wand in Harrys Nähe, jedoch weit genug von ihr entfernt, so daß sie fortspringen konnte, falls Harry auf sie zukam. Pewter folgte ihr. Tucker blieb zurück.

»Zähl die Ausgänge.«

»Flügeltür am Eingangsportal, je eine Tür an jeder Seite des Mit­telschiffs. Von der Empore gibt es eine Hintertreppe, aber die führt wahrscheinlich zu den Türen vom Mittelschiff.«

»Und ich möchte wetten, es gibt einen Hintereingang.« Sie ließ die Schnurrhaare vorschnellen.»Tucker, komm hier rauf. Es gibt vier Ausgänge. Einen hinten, zwei an der Seite und einen hinter dem Al­tarraum, nehme ich an. Wenn was schiefgeht, wenn er es mit der Angst kriegt oder so was, können wir schneller rennen als er. Du gehst zum Mittelschiffausgang, wir bleiben an diesem hier. Wenn was passiert, bleib bei Mom, und wir gehen aus unserer Tür raus und holen euch dann ein. Wir sind aus der Tür, bevor die Menschen merken, was los ist.«

»Oh, laßt uns hoffen, daß nichts passiert.« Pewter, nicht gerade ei­ne sportliche Katze, wollte bleiben, wo sie war.

Rick schob sich zu Harry hinüber, sorgsam darauf bedacht, keinen Lärm zu machen. Cynthia ging zum Haupteingang.

Harry zog das Fax aus ihrer Gesäßtasche. »Kommen Sie einen Moment mit nach draußen.«

Der Sheriff und seine Stellvertreterin schlichen auf Zehenspitzen mit Harry hinaus. Miranda beobachtete sie scharf, während sie sang. Einige Leute bemerkten es aus dem Augenwinkel.

»Harry, Sie haben sich doch nicht schon wieder eingemischt«, sag­te Rick leise, als sie die Tür hinter sich schlossen.

»Ich konnte nicht anders. Ich dachte mir, wenn wir die Spur der Messer verfolgen könnten, wären wir einen großen Schritt weiter.«

Cynthia betrachtete mit einer kleinen Taschenlampe das Fax. Rick hielt es mit den Händen fest, und Harry sagte ihm, um wessen Hand­schrift es sich handelte. »Das überrascht mich nicht«, antwortete er.

»War der Leichnam Marylou Valiant?« fragte Harry.

»Ja«, antwortete Cynthia. »Dr. Yarbrough hat uns vor einer halben Stunde die Zahnunterlagen vorbeigebracht. Es ist Marylou.«

»Haben Sie etwas geahnt?« fragte Harry Rick.

»Ja, aber ich dachte, hier ginge es um Geld. Das stimmt aber nicht.« Er rieb sich die kalte Nasenspitze. »Die Spielkarten und das Messer in Mickey Townsends Wagen - das war zuviel des Guten. Das brachte mich auf das wirkliche Motiv: Eifersucht.« Er schüttelte den Kopf. »Bei näherer Betrachtung sind Motive simpel. Verbrechen mögen kompliziert sein, aber Motive sind immer simpel.«

»Was machen wir jetzt?« Harry scharrte mit den Füßen.

»Wir machen gar nichts«, sagte Rick, während drinnen erneut Ap­plaus aufbrauste. »Wir warten.«

»Aber wenn Sie jeden der Morde auseinandernehmen, Minute für Minute, würden Sie dann nicht das Schlupfloch finden?«

»Harry, so einfach ist das nicht. Wir haben den Zeitpunkt der Mor­de so genau bestimmt, wie wir können, aber das gibt ihm immer noch einen bequemen Freiraum von dreißig Minuten. Ein guter An­walt kann das ziemlich leicht zerpflücken, verstehen Sie, er kann versuchen, die Geschworenen zu überzeugen, daß der Bericht des Untersuchungsrichters ungenau ist. Dinge wie die Temperatur im Stall im Verhältnis zur Außentemperatur können auf den Leichnam eingewirkt haben, ebenso der Gesundheitszustand des Opfers, als es noch lebte. Man wird den zeitlichen Rahmen eines jeden Mordes untergraben und den Geschworenen Zweifel daran einimpfen, wie der Mann in Montpelier der Aufmerksamkeit entgehen konnte. Dann wird man sich in Charakterschelte sämtlicher Zeugen der Anklage ergehen. Im Moment ist es ein Kinderspiel für ihn, mit einem guten Anwalt davonzukommen. Der Fall beruht einzig und allein auf Indi­zien.« Rick war die Art und Weise verhaßt, wie das System funktio­nierte, zumal, wenn ein Angeklagter Geld hatte.

»Ja, aber was ist mit dem Mord an Marylou?« Harrys Lippen zitter­ten, so wütend war sie. »Können wir ihn da nicht festnageln?«

»Vielleicht, wenn Coty noch lebte«, sagte Coop. »Er hat offensicht­lich gewußt, wo Marylou vergraben war.«

»Rick, Siekönnen den Dreckskerl nicht davonkommen lassen.«

»Wenn ich ihn verhafte, bevor ich meinen Fall fest untermauert ha­be, kommt er davon, er kommt ungeschoren davon, Harry.« Rick spannte den Kiefer an. Er faltete das Fax zusammen. »Dies ist eine große Hilfe, und ich danke Ihnen dafür. Ich verspreche Ihnen, ich werde alles tun, was ich kann, um ihn dingfest zu machen.«

Neuerlicher Applaus von drinnen rüttelte Harry auf. »Ich glaube, ich gehe lieber wieder rein und sehe nach, ob Murphy nicht wieder einen Tumult verursacht hat.«

»Eine musikalische Katze.« Cynthia lächelte und klopfte Harry auf den Rücken. »Ich weiß, es ist frustrierend, aber wir können nicht einfach rumgehen und Leute verhaften. Wir arbeiten so lange daran, bis wir einen hieb- und stichfesten Beweis haben. Das ist der Preis, den wir für die Demokratie zahlen.«

»Ja.« Harry atmete durch die Nase aus, dann öffnete sie die Tür ei­nen Spalt und quetschte sich durch.

Die beiden Katzen waren auf dem Tisch geblieben.

Das letzte Stück auf dem Programm, ein brausender Gesang aus Händels>Messias<, ließ die Dachsparren dröhnen. Das Publikum verlangte jubelnd und klatschend nach einer Zugabe. Der Chor sang noch ein wunderschönes Spiritual und machte sodann eine letzte Verbeugung, teilte sich in der Mitte und verließ zu beiden Seiten die Bühne.