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»Zack Merchant ist auch nicht gerade einer von der edlen Sorte.« Harry fand es schrecklich, wie er mit Pferden umging; vor Kunden und neuen Auftraggebern kehrte er zwar den Tierliebhaber hervor, doch die anderen Pferdezüchter wußten von seinen brutalen Metho­den. Bislang gab es aber keine Möglichkeit, Mißhandlungen beim Rennsport zu ahnden. Es wäre ein bißchen so, als würde man einem Mann verbieten, seine Frau zu prügeln. Man mochte ihn deswegen hassen. Man mochte den Wunsch haben, ihm die Fresse einzuschla­gen, aber irgendwie - man konnte es nicht, solange man ihn nicht auf frischer Tat ertappte.

Die Stimme des Rennbahnkommentators überschlug sich. »Vier Längen voraus in diesem Rennen ist Royal Danzig, Royal Danzig, Royal Danzig, Isotone geht mit Abstand als zweiter über die Zielli­nie, gefolgt von Hercule und Vitamin Therapy.«

»Gratuliere!« Harry gab Mim die Hand; Mim war keine Frau, die man spontan umarmte.

Mim nahm vorsichtig die dargereichte Hand. Ihr Gesicht lief rot an. Sie traute ihrem Glück nicht. Schließlich waren die Ergebnisse noch nicht offiziell. »Danke.« Sie blinzelte. »Ich gehe jetzt zu Chark und Addie. Das hat sie klug angestellt, im Feld zu bleiben bis zur Zielge­raden.«

»Sie haben einen sensationellen Tag.« Harry lächelte. »Und er ist noch nicht zu Ende.«

»Die offiziellen Ergebnisse des Montpelier Cup, zweite Abteilung: Royal Danzig, Isotone und Hercule.« Die Stimme des Rennbahn­sprechers hatte einen rasselnden, metallischen Klang.

Mim entspannte sich. »Ah!« Sie wußte nicht, was sie sagen sollte.

»Gratuliere, Mrs. Sanburne.« Tucker keuchte vor Aufregung.

Mim sagte: »Tucker will etwas.«

»Nein, ich freu mich bloß für Sie«, erwiderte Tucker.

»Tucker.«

»Warum sagst du mir immer, ich soll still sein, wenn ich höflich bin?« Tuckers Ohren zuckten vor und zurück.

»Ich muß machen, daß ich zum Winners' Circle komme. Ah, da kommt mein Ritter in schimmernder Rüstung.«

Jim Sanburne kam im Landrover angefahren. »Komm, steig ein, mein Herz.«

Larry lachte. »Gut gemacht, Mim die Mächtige!«

»Hi, Jungs.« Harry steckte den Kopf zum Fenster hinein. »Sagt Fair, er soll das Pferd untersuchen, das Linda geritten hat. Es sieht sehr mitgenommen aus.«

»Wird gemacht«, sagte Larry Johnson, während Jim seiner Frau, die auf den Vordersitz rutschte, einen Kuß gab.

Larry Johnson stieg nach hinten, und als Mim ihre attraktiven Bei­ne hineinschwenkte und dicht nebeneinander stellte, wie es sich für eine wohlerzogene Südstaatenlady gehörte, hatte Harry einen Au­genblick lang eine Ahnung, wie Mim gewesen sein mußte, als sie jung war: anmutig, zurückhaltend, liebreizend. Der Liebreiz hatte sich in tadellose Aufmachung verwandelt, als sie die 39,999 erreicht hatte und dort verweilte... wie Miranda Hogendobber es ausgedrückt hatte, als sie selbst sechzig wurde. Daß Mim von jeher tyrannisch war, gehörte in dieser Stadt so sehr zu den Selbstverständlichkeiten des Lebens, daß kaum noch jemand ein Wort darüber verlor. Wenig­stens stellte sie ihre Tyranneien in den Dienst von Belangen, die über ihr eigenes Ego hinausgingen.

Harry ging zu Mims Baum und lehnte sich an die rauhe Rinde. Tu­cker setzte sich ihr zu Füßen. Die Temperatur stieg auf fünfzehn Grad, der Himmel war knallblau und mit sahnefarbenen Wolken durchsetzt. Harry fühlte sich seltsam schlapp.

Miranda, deren Golfschuhe ihr festen Halt auf dem Gras gaben, schritt geradewegs über den Hügel, duckte sich unter dem Innenrail hindurch, überquerte die Bahn und duckte sich unter dem Außenrail durch. Ihr Schottenrock, der von einer großen Messingnadel gehalten wurde, vervollständigte einen Aufzug, den sich nur Miranda ausden­ken konnte. Das ganze Outfit raunte>Landleben<, abgesehen von der jägergrünen Baskenmütze, auf der Miranda bestand, weil sie es nicht leiden konnte, wenn der Wind ihre Frisur in Unordnung brachte. »Federn sind nichts für mich«, hatte sie verkündet, als sie Harry auf der Farm abholte. Harrys Vorstellung von einer Kopfbedeckung war ihre Baseballmütze vom Smith College oder ein uralter verbeulter Cowboyhut, den schon ihr Vater getragen hatte.

»Abgeschlafft?« Miranda setzte sich bedachtsam neben sie.

»Hm, mein täglicher toter Punkt.«

»Meiner kommt um vier, was Sie nur zu gut wissen, weil ich mich dann immer auf den Stuhl fallen lasse und Sie zwinge, Tee aufzubrü­hen.« Miranda faltete die Hände. »Ist das ein Trubel dort. Ich habe noch nie so viele Menschen gesehen, und Mim kann keinen Schritt vor oder zurück machen. Das hier istihr Montpelier.«

»Scheint so.«

»Ist das nicht wunderbar mit den Valiant-Kindern?« Miranda be­zeichnete sie als Kinder, obwohl beide über zwanzig waren. »Sie geben Mim, was sie sich wünscht - Sieger!«

»Hm-hm.«

»Wenn ich daran denke, was diese beiden jungen Leute durchge­macht haben - also, unfaßbar. Beide Eltern verloren, als sie noch Teenager waren. Dabei muß ich an den vierzigsten Psalm denken.« Sie verfiel in ihren pastoralen Ton.»>Ich harrte des Herrn; und er neigte sich zu mir und hörte mein Schreien und zog mich aus der grausamen Grube und aus dem Schlamm und stellte meine Füße auf einen Fels, daß ich gewiß treten kann.<« Sie verschnaufte.

Harry warf ein: »Miranda, wie können Sie sich so viel merken? Sie könnten zwei Wochen ohne Pause aus der Bibel zitieren.«

»Ich liebe die Heilige Schrift. Wenn Sie in meine Kirche vom Hei­ligen Licht kämen, würden Sie sehen, weshalb ich meine Stimme erhebe.«

Harry unterbrach sie wieder. Das war nicht ihr Stil, aber sie hatte keine Lust auf einen religiösen Disput. »Ich komme zu Ihren Kon­zerten.«

Miranda, die eine schöne Stimme besaß, erwiderte: »Das ist wahr. Vergessen Sie nicht unser großes Liederfestival am dritten Wochen­ende im November. Ich wünschte, Sie würden zu einem richtigen Gottesdienst kommen.«

»Kann ich nicht. Das heißt, ich könnte, aber Sie wissen ja, ich ge­höre zu Reverend Jones' Herde.«

»Oh, Herbie, der silberzüngige! Wenn er zur Kanzel hinaufsteigt, glaube ich, die Engel beugen sich herab, um zu lauschen. Trotzdem, die protestantische Kirche hat viele Makel, die« - sie bemühte sich, vorurteilslos zu klingen - »sich im Laufe der Jahrhunderte zwangs­läufig einschleichen mußten.«

»Miranda, Sie wissen, wie ich bin.« Harry schlug einen entschlos­senen Ton an. »Aus irgendeinem Grund bin ich heute die Zielscheibe des Tages. Boom Boom ist aufgekreuzt, um mir eine offene Aus­sprache aufzuzwingen. Ätzend! Dann kam Senator Satterwaite, aber ich hab ihm keine Gelegenheit gegeben, seinen Leierkasten anzu­schmeißen. Und jetzt Sie.«

Miranda blinzelte. »Sind Sie heute mit dem falschen Bein zuerst aufgestanden?«

»Nein.«

»Sie sollten Ihre Stimmung nicht von Boom Boom beherrschen lassen.«

»Tu ich gar nicht«, konterte Harry, mit dem leisen Verdacht, daß es wahr sein könnte.

»Ah ha«, kam es bedeutungsvoll zurück. Miranda verschränkte die Arme.

Harry wechselte das Thema. »Sie haben recht, die Valiants haben eine Menge durchgemacht. Diese Siege müssen süß sein.«

»Mich würde es quälen, nicht zu wissen, wo die Leiche meiner Mutter ist. Wir wissen alle, daß sie tot ist. Man kann nur eine gewis­se Zeit hoffen, und es ist fünf Jahre her, daß Marylou verschwand. Aber wenn man nicht weiß, wie oder wo jemand gestorben ist, kann man sich damit nicht abfinden. Ich kann meinen George besuchen, wann ich will. Ich lege ihm gerne Blumen aufs Grab. Das hilft mir.« George, Mirandas Mann, war seit neun Jahren tot. Er war Posthalter in Crozet gewesen, bevor Harry seinen Posten übernahm.

»Vielleicht denken sie nicht darüber nach. Sie sprechen nicht dar­über - zumindest habe ich es nie gehört, aber ich kenne sie ja auch nur von gesellschaftlichen Anlässen.«