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Man kriegt immer einen Schreck, wenn man sich allein glaubt und merkt, dass man in Wirklichkeit beobachtet wird.

Und außerdem: Was machte diese fremde Frau in unserem Garten?

Ich bemerkte, dass sie einen kleinen schwarzen Hut aufhatte und an den Händen schwarze Handschuhe, die ihr fast bis zu den Ellbogen reichten.

Handschuhe! Sie trug Handschuhe! Ich erstarrte.

«Ich habe ein Geschenk für dich», sagte sie, wobei sie nicht aufhörte, mich anzustarren und zu lächeln und ihre Zähne und das Zahnfleisch zu zeigen.

Ich gab keine Antwort.

«Komm von dem Baum herunter, kleiner Junge», sagte sie. «Dann kriegst du von mir das tollste Geschenk deines Lebens.» Ihre Stimme hatte einen merkwürdigen rasselnden Klang. Sie klang nach Metall, so als ob sie den ganzen Hals voller Stecknadeln hätte.

Ohne die Augen von meinem Gesicht zu lösen, schob sie eine ihrer behandschuhten Hände langsam, langsam in ihre Handtasche und zog eine kleine grüne Schlange heraus. Sie hielt sie in die Höhe, damit ich sie sehen konnte.

«Sie ist zahm», erklärte sie.

Die Schlange begann, sich um ihren Unterarm zu ringeln. Sie war leuchtend grün.

«Wenn du herunterkommst, dann schenke ich sie dir», versprach sie.

O Großmama, dachte ich, komm und hilf mir!

Dann verlor ich vor lauter Angst den Kopf. Ich ließ den Hammer fallen und sprang wie ein Affe in das Laubwerk dieses gewaltigen Baumes. Ich kletterte und kletterte und hörte nicht auf, bis ich so hoch oben war, dass ich nicht weiter konnte, und da blieb ich einfach hocken und zitterte am ganzen Leibe. Ich konnte die Frau nicht mehr sehen. Zwischen ihr und mir lagen ganze Blätterwolken.

Ich blieb Stunden dort oben und verhielt mich mucksmäuschenstill. Es begann, dunkel zu werden. Schließlich hörte ich meine Großmutter meinen Namen rufen.

«Ich bin hier oben», rief ich zurück.

«Komm auf der Stelle herunter!», antwortete sie. «Du hättest längst Abendbrot essen sollen.»

«Großmama!», rief ich. «Ist diese Frau weg?»

«Was für eine Frau?», rief meine Großmutter zurück.

«Die Frau mit den schwarzen Handschuhen!»

Unter mir herrschte Schweigen. Es war das Schweigen von jemandem, der so verblüfft ist, dass es ihm die Sprache verschlägt.

«Großmama!», rief ich noch einmal. «Ist sie weg?»

«Ja», erwiderte meine Großmutter schließlich. «Sie ist fort. Ich bin hier, mein Schätzelchen. Ich passe auf dich auf. Du kannst jetzt herunterkommen.»

Ich kletterte hinunter. Mir schlotterten alle Glieder. Meine Großmutter schloss mich in ihre Arme. «Ich habe eine Hexe gesehen», flüsterte ich.

«Komm herein», sagte sie. «Bei mir kann dir nichts geschehen.»

Sie führte mich in das Haus und machte mir eine Tasse Kakao mit viel Zucker.

«Jetzt erzähl mir alles ganz genau», sagte sie.

Ich gehorchte ihr, aber als ich fertig war, hatte meine Großmutter das Zittern gekriegt. Ihr Gesicht war aschgrau, und ich sah, dass sie ihre Hand betrachtete, die keinen Daumen besaß. «Du weißt, was das bedeutet», sagte sie schließlich. «Es bedeutet, dass eine hier in unserer Gegend lebt. Von jetzt an werd ich dich nicht mehr allein zur Schule gehen lassen.»

«Glaubst du, dass sie vor allem hinter mir her ist?», fragte ich.

«Nein», antwortete sie. «Das bezweifle ich. Für diese Kreaturen ist ein Kind wie das andere.»

Es ist nicht weiter erstaunlich, dass ich danach ein sehr hexenbewusster kleiner Junge wurde. Wenn ich zufällig einmal allein auf der Straße war und eine Frau sah, die auf mich zukam und Handschuhe trug, so hüpfte ich rasch auf die andere Seite. Und da das Wetter in diesem Monat immer noch ziemlich kalt blieb, sah ich fast niemanden ohne Handschuhe. Merkwürdigerweise traf ich jedoch die Frau mit der grünen Schlange niemals wieder. Das war meine erste Hexe. Aber es war nicht meine letzte.

Sommerferien

 Die Osterferien kamen und gingen, und die Schule begann wieder. Meine Großmutter und ich hatten uns schon fest vorgenommen, unsere Sommerferien in Norwegen zu verbringen, und des Abends redeten wir fast von nichts anderem. Sie hatte für jeden von uns eine Kabine auf einem Fährschiff von Newcastle nach Oslo für den frühestmöglichen Termin nach Schulschluss gebucht, und von Oslo wollte sie mich zu einem Ort an der Südküste in der Nähe von Arendal bringen, wo sie vor achtzig Jahren, als sie selber noch ein Kind war, auch ihre Sommerferien verlebt hatte.

«Mein Bruder und ich», erzählte sie, «sind immer den ganzen Tag im Ruderboot draußen gewesen. Das Meer ist vor der ganzen Küste von lauter winzigen Inseln gesprenkelt, und keine ist bewohnt. Wir pflegten sie zu erforschen und zwischen den wunderbar glatten Granitfelsen zu tauchen, und manchmal warfen wir auf dem Wege dort hinaus Anker und angelten Dorsche und Strömlinge, und wenn wir Erfolg hatten, machten wir auf einer Insel Feuer und brieten uns die Fische zum Mittagessen. Es gibt keinen besseren Fisch auf der ganzen Welt als frisch geangelten Dorsch.»

«Was für einen Köder habt ihr genommen, Großmama, wenn ihr geangelt habt?»

«Muscheln», erwiderte sie. «In Norwegen benutzt jeder Muscheln als Köder. Und wenn wir keinen Fisch gefangen haben, dann haben wir uns einfach die Muscheln im Topf gekocht und aufgegessen.» - «Haben sie gut geschmeckt?»

«Köstlich», erwiderte sie. «Einfach in Meerwasser kochen, dann werden sie zart und würzig.»

«Was habt ihr noch gemacht, Großmama?»

«Wir sind viel hinausgerudert, und dann haben wir den Krabbenkuttern zugewinkt, die auf dem Heimweg waren, und manchmal haben sie angehalten und jedem von uns eine Hand voll Krabben gegeben. Die Krabben waren noch warm, weil sie auf den Kuttern gleich gekocht werden, und wir saßen dann im Ruderboot und pulten sie aus und futterten sie auf. Das Beste waren immer die Köpfe.»

«Die Köpfe?» fragte ich.

«Man klemmt sie sich zwischen die Zähne und saugt den Saft aus. Das schmeckt wunderbar. Und alles das werden wir in diesem Sommer gemeinsam machen, mein Schätzelchen», sagte sie.

«Großmama», rief ich, «ich kann's gar nicht abwarten. Ich möchte am liebsten gleich losfahren.»

«Ich auch», antwortete sie.

Als es nur noch drei Wochen bis zu den Sommerferien waren, geschah etwas Schreckliches. Meine Großmutter bekam Lungenentzündung. Sie war sehr krank, und eine Schwester zog zu uns, um Großmama zu pflegen. Der Arzt erklärte mir, dass Lungenentzündung heutzutage eigentlich keine gefährliche Krankheit mehr ist, weil es Penizillin gibt, dass es aber für einen Patienten von über achtzig Jahren, was meine Großmutter war, immer noch Besorgnis erregend wäre. Er sagte, er könne es nicht einmal wagen, sie in ihrer Verfassung ins Krankenhaus transportieren zu lassen, und deshalb blieb sie in ihrem Schlafzimmer, und ich trieb mich draußen vor der Tür herum, während Sauerstoffflaschen und alle möglichen anderen Schrecken erregenden Gegenstände zu ihr hineintransportiert wurden.

«Kann ich rein und sie besuchen?», fragte ich.

«Nein, mein Lieber», antwortete die Krankenschwester. «Jetzt nicht.»

Eine dicke und vergnügte Dame, die Missis Spring hieß und jeden Tag zum Putzen zu uns kam, zog jetzt auch ganz und gar zu uns. Missis Spring kümmerte sich um mich und kochte mir mein Essen.

Ich mochte sie sehr gerne, aber mit Großmutter und ihren Geschichten war sie natürlich nicht zu vergleichen.

Etwa zehn Tage später kam eines Abends der Arzt nach unten und sagte zu mir: «Du kannst jetzt hinauf zu ihr, aber nur für ein paar Minuten. Sie hat nach dir gefragt.»

Ich flog die Treppe hinauf und raste in das Zimmer meiner Großmutter und warf mich in ihre Arme.