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Gestrandet in New Sodom

Alles begann an jenem Tag, als ich lauter Sechsen nach Hause brachte. Eine Sechs in Englisch, eine Sechs in Ma the, eine Sechs in Sozialkunde, eine Sechs in Physik. Ich hatte es sogar geschafft, in Turnen und Klassenversamm lung eine Sechs zu kriegen. Darauf war ich stolz.

Meine Eltern allerdings nicht.

»Was ist das?«, tobte mein Vater, als ich ihm meine Noten zeigte.

»Ein Zeugnis«, gab ich zurück. »Sie tragen diese Zif fern ein, siehst du, und das zeigt, was für Noten man be kommen hat.«

»Ich sehe die Ziffern«, sagte er. »Und die Anmerkun gen daneben auch. >Cody hat neun Wochen lang keine einzige Hausaufgabe gemachte — >Cody kam in diesem Quartal jeden Tag entweder gar nicht oder zu spät zum Unterrichte O h , das hier ist ein Klassiker. >Cody hat je den Tag, den er in der Klasse war, zu beweisen versucht, dass Sir Isaac N e w t o n sich in Bezug auf das Gesetz der Schwerkraft geirrt hat. Seine diesbezüglichen Experi mente bestanden darin, wiederholt von meinem Pult zu springen und dabei mit den Armen zu flattern. Das wirkt sich störend auf die anderen Schüler aus. Ansonsten hat er nichts zum Unterricht beigetragene U n d Klassenver Sammlung. Es gibt keine Anmerkung von deinem Lehrer für Klassenversammlung, also werde ich wohl dich selbst fragen müssen — wie, um Himmels willen, hast du es ge schafft, bei Klassenversammlung durchzurasseln?«

»Das war leicht. Ich bin nie hingegangen«, gab ich zu rück.

»Und was ist das da?«, fragte Dad. »Ein Sondervermerk des Direktors? Ja. >Ihr Sohn hat die intellektuelle Ent wicklung eines analphabetischen Leierkastenmanns und die Aufmerksamkeitsspanne von dessen Affen an den Tag gelegt. Es ist unmöglich, seine Leistung zu beurteilen, weil keine Leistung existiert. Er ist faul, durchtrieben und allgemein nutzlos. Ich bin überzeugt davon, dass er den Rest seines Lebens in der neunten Klasse verbringen wird. Ich hoffe bloß, an einer anderen Schule. Gehen Sie nach Kalifornien zurück.<«

Dieser letzte Teil hörte sich für mich nach einem gu ten Rat an. Aber ich bezweifelte, dass Dad ihn befolgen würde.

Wir starrten uns auf jene Art an, die wir entwickelt hatten, seit er uns von unserem Zuhause in dieses Kaff namens New Sodom, Massachusetts, verfrachtet hatte.

Er würde die Augen nicht senken und ich auch nicht.

Das war das Stichwort für Mom, mit ihrem erschro ckenen leisen Luftschnappen und Wimmern aufzuhören und damit anzufangen, Entschuldigungen für mich zu suchen. Diesen Teil mochte ich.

»Es ist nicht seine Schuld, Jack«, sagte sie.

Richtig.

»Es ist dieser O r t hier.«

Und wieder richtig.

»Seit wir hierhergezogen sind, ist er unglücklich.«

Drei Richtige. Dad ist erledigt.

Aber Dad wusste nicht, dass er erledigt war.

»Beth, er schneidet sich ins eigene Fleisch«, sagte er.

»Das kann ich nicht dulden.«

Ja, klar. Und du kannst auch nichts dagegen unternehmen.

Dad warf seinen Kopf in den Nacken, als würde er den Geschworenen erklären, warum nur ein Idiot die Dinge anders als er sehen und seinem Klienten verweigern würde, was er für ihn wollte.

»Jetzt hör mal gut zu, junger Mann«, sagte er. »Dieser U m z u g ist das Beste, was uns je passiert ist. Bei Billings, Billings und Billings wäre ich nie weitergekommen. Jack Elliot war zwar gut genug, ihre wirklich schwierigen Fälle zu übernehmen, aber nicht gut genug, auch beför dert zu werden. O nein - schließlich heiße ich nicht Bil lings und das war's. Als sich diese Möglichkeit bei Leach, Swindol und Twist ergab, wusste ich, dass das die größte Chance war, die sich mir je bieten würde, um die Kar riere zu machen, die ich wollte. Hier sind wir also. U n d hier bleiben wir. Gewöhn dich gefälligst daran.«

In Ordnung. Und ich werde schön mit Durchrasseln weiter machen. Und daran kannst du dich gefälligst gewöhnen.

Ich sprach es nicht aus. Ich dachte es nur. Aber ich meinte es.

Dad warf noch einmal einen Blick auf mein Zeug nis.

»Klassenversammlung«, sagte er leise. »Mein Sohn ist in Klassenversammlung durchgefallen.«

M o m kam zu mir und schlang die Arme um mich.

»Es hilft nichts, wenn du jetzt wütend wirst, Jack«, sag te sie. »Diese N o t e n sind ein Hilfeschrei. Cody braucht in seinem Leben etwas, woran er sich festhalten kann. Et was, was er lieben kann.«

Tolle Idee, Mom. Ich würde es lieben, nach Hause zurück zukehren.

»Außerschulische Aktivitäten vielleicht«, meinte Dad.

»Nach der Schule ein Job bei einer Straßengang. Oder freiberuflicher Müllmann. Er muss etwas lernen, womit er seinen Unterhalt bestreiten kann, da das College jetzt wohl nicht mehr in Frage kommt.«

»Das ist nicht fair«, gab M o m zurück. »Du hast uns dreitausend Meilen von zu Hause verschleppt, um beruf lich voranzukommen, und erwartest von uns beiden, dass wir das akzeptieren, als wäre nichts passiert. Also, realis tisch ist das nicht!«

Jetzt hieß es also »wir«. Das klang ziemlich gut. Besser als üblich. Vielleicht würden mich genug »Wirs« nach Kalifornien zurückbringen. Ich überlegte, ob ich noch einmal mit Starren anfangen sollte, senkte stattdessen aber den Kopf.

»Und noch was«, sagte Dad. »Dieser Hut ist einfach obszön.«

M o m musste einen wunden Punkt getroffen haben.

Er wechselte das Thema.

»Dieser Hut verschwindet«, sagte er. »Zumindest aus diesem Haus.«

Es handelte sich um meine Black-Death-Baseball kappe, die ich immer verkehrt herum aufsetzte, weil Dad verkehrt herum aufgesetzte Baseballkappen hasst.

»Wechsle nicht das Thema«, meinte Mom. »Du bist jetzt nicht bei Gericht. Cody braucht etwas in seinem Leben, für das er sich interessiert.«

»Okay, okay«, seufzte Dad. »Also, Cody, fällt dir ir gendwas ein, was du gerne hättest und was dich glück licher machen würde?«

»Tattoos.«

Dad zerknüllte mein Zeugnis.

»Beth, ich stimme teilweise mit dir überein«, sagte er.

»Unser Sohn braucht tatsächlich etwas Neues in seinem Leben. Er braucht eine strengere Schule. Ich werde mor gen anfangen Erkundigungen einzuziehen.«

Am nächsten Tag war ich so beunruhigt, dass die Cotton-Mather-Highschool mir beinahe zu gefallen be gann. Die Risse in der Zimmerdecke, die Holzböden, die knarrten, als täte ihnen etwas weh; sogar das Jungen-Klo, das so finster war wie ein Grab und noch schlechter roch. Der Gedanke, dass ich all das vielleicht nie wieder sehen würde, ließ es im Rückblick in fast freundlichem Licht erscheinen. Nein, das stimmte nicht. Es war nur die Angst, weil — so schlimm das alles auch gewesen sein mochte - Dad fest entschlossen schien etwas noch Schlimmeres zu finden.

Als er an diesem Abend nach Hause kam, lag ein schwaches Lächeln auf seinem Gesicht und er hatte ein paar große braune Umschläge in der Hand.

»Suchet und ihr werdet finden«, sagte er. »Ich habe he rausgefunden, dass es nicht nur eine, sondern sogar zwei wirklich strenge Schulen in dieser ausgezeichneten Stadt gibt. Alle Informationen stehen hier drin.«

»Du arbeitest schnell«, sagte M o m und verschränkte die Arme vor der Brust.

»Es hat sich herausgestellt, dass in beide Schulen Kinder von Mitgliedern meines Anwaltsbüros gehen«, erzählte Dad. »Der Sohn und die Tochter von Clancy Kincaid ge hen in >Unsere Liebe Frau von den Immerwährenden Hausaufgaben<. Er äußert sich sehr lobend darüber. U n d es gibt eine staatliche Schule, die genauso gut und wo es sogar noch schwieriger ist, aufgenommen zu werden —

die Vlad-Dracul-Magnet-Schule. Die Tochter von Ha milton Antonescu geht dorthin.«

Unsere Liebe Frau von den Immerwährenden Hausauf gaben?