»Okay, wann ist also unser nächstes Spiel?«, rief ich ihm hinterher.
»Schau nach«, sagte Underskinker. »Ich hab echt nich die Zeit, euch Flaschen alles zu erkläm.«
»Ich weiß, wann's ist, ich weiß, wann's ist!«, rief La pierre und hüpfte dabei handwedelnd auf und ab wie ein kleines Kind. »Nächsten Dienstag nach der Schule, stimmt's, Trainer? Stimmt's? Hä? Hä? Stimmt's?«
»Wurscht«, antwortete Underskinker.
Aber ich hatte noch eine Frage.
»Trainer, hat diese Mannschaft einen Namen?«
Er drehte sich so rasch um, dass er fast über seine Füße fiel. »Wer kennt den Namen dieser Mannschaft nich?«, brüllte er.
»Entschuldigung, Sir, niemand hat ihn mir gesagt«, antwortete ich.
»Ellison, du blöde Flasche, wir ham denselben Namen wie alle Mannschaften an dieser Schule«, sagte Under skinker. »Sagt's ihm, ihr Flaschen!«
Lapierre kratzte sich am Kopf und wandte sich an Brian Blatt. »Kannst du dich erinnern?«, fragte er.
»He, Mann, du bist deijenige, der sich an den Mann schaftsnamen erinnern soll«, sagte Brian. »Ich kann mich nicht um alles kümmern!«
Ein Junge, der wie eine Landschildkröte aussah, sagte:
»Es ist Guns N' Roses, nicht?«
»Das ist eine Rockband, Tracy. Wir sind eine Mann schaft«, gab Lapierre zurück.
»Oh, stimmt«, sagte Tracy, als hätte er soeben eine Entdeckung gemacht. »Jetzt erinnere ich mich.«
»Ich finde trotzdem, dass es ein cooler Name ist«, meinte der Fünfte, der dünn und hinterhältig wie ein Barrakuda aussah. »Lasst uns Guns N' Roses sein!«
»Ihr blöden, dummen, blöden, dummen, blöden, dummen Flaschen!«, tobte Underskinker. »Wir sin die Pfähler! Kapiert?!«
»Danke, Trainer«, sagte ich. »Übrigens: Ich glaube, mein Name ist Elliot. Ich werde zu Hause nachfragen.«
Zwei Jungs lachten. Einer hatte blaue Augen und Aknenarben, die wie Krater von der Schattenseite des Mondes aussahen. Der andere war klein und sah irgendwie weich aus.
»Ihr — Elliot, Pyrek, Falbo. Los jetzt — zeigt ma, was ihr draufhabt!«, sagte Underskinker und steuerte auf sein Büro zu.
»He, Falbo«, sagte der blauäugige Junge mit den Aknenarben, »zeig mir, was du draufhast!«
Falbo, der mollige kleine Typ, sagte irgendwas da rüber, wie Pyrek das herausfinden könne, und wieder brachen alle in Gelächter aus.
Wir hielten uns ein paar Minuten am Beckenrand fest und genossen das Gefühl, Underskinker geneckt zu ha ben. Ich fragte mich, ob das bedeutete, dass ich dazuzu gehören anfing.
Dann sagte der Barrakuda: »Weißt du, Stoker, das hier war eine echt tolle Mannschaft, bis du aufgetaucht bist.«
»Das sehe ich«, gab ich zurück, als hätten seine Worte mich nicht verletzt.
Er glitt wie eine Schlange aus dem Becken, schlich zum Umkleideraum und spähte hinein.
Dann kam er zurück und hob den Daumen.
»In Ordnung, Barzini«, sagte Lapierre.
»Halt den Mund«, gab Barzini zurück. »Oder willst du ihn aufwecken?«
Alle anderen verließen das Schwimmbecken und nach einem Moment tat ich es ihnen nach. Ich wäre gerne ein Weilchen allein geschwommen, aber noch lieber wollte ich Justin finden und ihn fragen, was ein Stoker war.
Nach dem Unterricht trieb sich ein Haufen Kids im Schülerklub herum. Es war nicht schwierig, jemanden zu finden, der mir sagen konnte, wo Justin war.
»Freitagnachmittag arbeitet er in der Bibliothek, wenn ich mich nicht irre«, sagte mir ein Jenti-Junge, der Anatol hieß und in meiner Englischklasse war. »Weißt du, wo das ist, Stoker?«
»Ich werd's schon finden«, gab ich zurück.
Man konnte die Bibliothek kaum verfehlen. Sie be fand sich am anderen Ende des Campus und war rie sig. Sie bestand aus zwei großen Flügeln, die sich von einem Eingang aus erstreckten, der wie ein römischer Tempel aussah. Über dem Tor stand: D E R H Ö C H S T E
R U H M EINES VOLKES LIEGT IN SEINEN AU
T O R E N .
Die Bibliothek war leer. Ich schätze, nicht einmal Vam pirkids treiben sich an einem Freitagnachmittag in einer Bibliothek herum. Aber ich hörte ein paar gedämpfte Ge räusche aus dem linken Flügel, also ging ich dorthin.
Es war Justin, der neben einem mit Büchern belade nen Holzkarren stand und sie sorgfältig in die Regale einordnete.
Er war überrascht mich zu sehen, vielleicht sogar ver legen.
»O hallo, Cody«, sagte er irgendwie zu laut für eine Bibliothek. »Einen Moment. Ms Shadwell, es ist jemand hier.«
Plötzlich bog eine Ratte um die Ecke der Bücher regale. U n d ihr auf den Fersen war ein riesiger, geduckt laufender roter Wolf, der knurrte.
Ich schrie auf und machte einen Satz, doch der Wolf stürmte an mir vorbei hinter der Ratte her und außer Sicht.
Justin errötete. »Das ist Ms Shadwell«, sagte er. »Sie wird gleich da sein, sobald sie sich angezogen hat.«
Die Ratte quiekte, Kiefer schnappten zusammen und ein Knurren ließ die Bücherregale erzittern. Oder viel leicht auch bloß mich.
Ein heiseres Knurren war zu hören: »'tschldgung, daff ich hia effe.«
Ich hörte ein Rumsen und Rascheln. Einige Augen blicke später sah ich eine große rothaarige Frau mit einem breiten weißen Lächeln und ausgestreckter Pfote —
ich meine: Hand — auf mich zukommen.
»Hallo«, sagte sie mit einer bedeutend netteren, aber wirklich kräftigen Stimme. »Sie müssen der neue Gadjo aus der Englischklasse meines Mannes sein. Willkom men, Master Cody.«
»Guten Tag, Ma'am«, sagte ich so höflich wie nur ir gend möglich.
»Entschuldigung bitte wegen des Wolfs gerade«, fuhr sie fort. »Ich versuche seit einer Woche diese Ratte zu fangen und das geht bedeutend leichter, wenn man ein Wolf ist.«
»Klingt so, als hätten Sie sie erwischt, Ms Shadwell«, schaltete Justin sich ein.
Ms Shadwell leckte sich die Lippen.
»Das war das letzte Buch, das sie je angenagt hat«, er widerte sie.
Mir drehte sich der Magen um.
»Also, wie kann ich Ihnen helfen, Master Cody?«, fragte Ms Shadwell.
»Oh, ich wollte bloß Justin was fragen«, antwortete ich und versuchte nicht daran zu denken, dass ich einem Werwolf gegenüberstand.
»Schön«, sagte sie und lächelte noch breiter. »Wenn Sie irgendetwas brauchen, ich bin dort drüben am Schreibtisch. Fragen Sie nur. Ich liebe es, Leuten dabei zu helfen, etwas zu finden.«
»Vielen Dank, Ma'am.«
Sobald sie außer Hörweite war, sagte ich: »Mein Gott, Justin, warum hast du mir nicht gesagt, dass es hier Wer wölfe gibt?«
»Werwölfe? So was gibt es nicht«, antwortete Justin.
»Meines Wissens nach jedenfalls nicht. Ms Shadwell ist einfach eine gute Lykanthropistin.«
»Jetzt k o m m schon! Du weißt doch genau, ich hab keinen Schimmer, was das bedeutet!«
»Es bedeutet einfach, dass sie sich in einen Wolf ver wandeln kann, wenn ihr danach ist«, sagte Justin. »Viele von uns können das.«
»Ich dachte, Vampire - ich meine Jenti - verwandeln sich in Fledermäuse«, erwiderte ich. »He, könnt ihr euch in alles verwandeln?«
»Nun, es ist kompliziert«, antwortete Justin. »Schau mal, wenn du dich in etwas anderes verwandelst, bleiben dein Gewicht und deine Masse gleich. Das heißt, nie mand kann sich tatsächlich in eine Fledermaus verwan deln. Ich meine — warum würde jemand so was machen?
Eine Fledermaus mit siebzig Kilo kann nicht mal fliegen.
N u n gut, einige von uns können sich in etwas verwan deln, das einer Fledermaus ähnlich ist.«
»Aber größer, stimmt's?«, fragte ich.
»Sehr viel größer.« Justin konzentrierte sich ganz auf seine Bücher und wich meinem Blick aus. »Darum zie hen viele von uns Wölfe vor. Es ist bequemer.«
»Ja, ist ja irgendwie auch klar«, sagte ich. Ich stellte mir Justin vor, wie er im Licht des Vollmonds über New Sodom flatterte. »Und was ziehst du vor?«