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»Ja, aber du weißt schon, was ich meine«, sagte Justin.

Ich wollte ihn gerade fragen, was er eigentlich meinte, aber Ileana läutete mit einer kleinen Kristallglocke, die vor ihr stand, und der ganze R a u m war von diesem zar ten Klang erfüllt.

Die Musik verstummte und jeder sah zu ihr hin.

Sie erhob sich.

»Meine Freunde, verzeiht mir, wenn ich Englisch spreche und nicht in der Zunge unserer Vorfahren«, be gann sie. »Aber es sind heute einige unter uns, die unsere Muttersprache nicht beherrschen, und ich möchte sie von dem, was ich zu sagen habe, nicht ausschließen. Und ich bin auch Amerikanerin. Das ist die Sprache, die ich jeden Tag verwende. U n d ich liebe die Schönheit des Englischen sehr.«

An den Tischen gab es einen kleinen Aufruhr. Es klang wie das Rascheln von Lederschwingen.

Ileana fuhr fort: »Ich möchte Ihnen allen dafür dan ken, dass Sie mich an diesem Tag mit Ihrer Anwesenheit ehren. Der fünfzehnte Geburtstag eines Mädchens ist bei uns einer der wichtigsten Tage in seinem Leben. Ihn mit so vielen teilen zu können, die meiner Familie und mir so viel bedeuten, ist ein einzigartiges Erlebnis.«

Sie wandte sich an ihren Vater, der am Kopfende des ersten Tisches zu ihrer Rechten saß.

»Als Erstes möchte ich meinem Vater danken, der meine Mutter so sehr liebte und mit ihr zusammenkam, um mir das Leben zu schenken. Und ich danke meiner Mutter, die mich von der Dunkelheit ins Licht brachte.«

Sie verneigte sich leicht vor ihrer Mutter, die lächelte.

»Ich möchte all den Onkeln und Tanten und Cousins, Cousinen und Freunden aus dem Ausland danken, die mich den alten Traditionen nähergebracht und ihre Süße gelehrt haben. Aber ich möchte auch jenen, mit denen ich mich angefreundet habe und die anders sind als wir, dafür danken, dass sie mich die Süße des Neuen gelehrt haben.«

Wieder war das Rascheln zu vernehmen. Ich glaube nicht, dass ihnen gefiel, was sie da zu hören bekamen.

»Wir sind ein großartiges Volk«, sagte Ileana. »Nichts hat uns je besiegt oder zerstört. Wir sind so stark wie die Steine in unserer Mutter Erde. U n d weil wir das sind, können wir es uns leisten, weniger Angst zu haben. Die Welt hat sich verändert und verändert sich noch. Ich glaube, wir sind zu einer neuen Art Größe aufgerufen, einer Zeit, wo Jenti und Gadje einander nicht mehr furchten werden.«

Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, dass Gregor an dieser Stelle knurrte.

Ileana sagte nur noch eins. »Ich glaube, diese Zeit ist jetzt gekommen.«

Sie läutete wieder mit der kleinen Glocke und setzte sich. Die Musik begann wieder zu spielen.

Leise, so dass nur ich ihn hören konnte, pfiff Justin die ersten N o t e n der amerikanischen Nationalhymne The Star-Spangled Banner und fügte »O Mann!« hinzu, als könnte er gar nicht glauben, was er eben gehört hatte.

»Was?«, flüsterte ich.

»Später«, war seine Antwort.

»Jetzt«, sagte ich, aber in dem M o m e n t wurden die Geschenke hereingebracht.

Es waren Hunderte, aufgehäuft auf Karren von der Größe eines Pick-ups.

Sie wurden eins nach dem anderen von Szasz ausge packt, während Ignatz die Karten vorlas, auf denen stand, von wem welches Geschenk war.

Es war die Art von Geschenken, wie jedes Mädchen sie zu seinem fünfzehnten Geburtstag bekommt. Antiker Schmuck, Skulpturen, Gemälde, ein paar staatliche Land-Zuteilungen, die Übertragungsurkunde für eine Diaman tenmine in Südafrika - so das übliche Zeug eben.

Immer wenn ein Geschenk verkündet wurde, applau dierten die Jenti.

Sie klatschten unisono, fingen langsam an und steiger ten sich zu einer derartigen Geschwindigkeit, dass sie den Takt nicht mehr halten konnten und der Rhythmus sich in einer Welle von Begeisterung auflöste.

Nach jedem Geschenk sagte Ileana etwas zu dem Überbringer.

All das nahm eine Weile in Anspruch, was mir aus reichend Zeit gab, mein Geschenk mit den anderen zu vergleichen. Ich fühlte, wie ich innerlich immer kleiner wurde. Und immer verwirrter. Wieso verehrten diese Leute Ileana so? Was war mir entgangen?

Etwa in der Mitte dieser Veranstaltung wickelte Szasz das Geschenk von Cody Elliot aus. Ignatz hielt es in die Höhe und rief: »Das Geschenk von Master Cody Elliot.

Ein Buch mit dem Titel ...« Er hielt inne, blätterte es durch und setzte fort: »Ein Buch mit leeren Seiten m i t . . .

in dem auf einigen Seiten Dinge aufgeklebt sind?«

Gregor lachte. Ein paar andere Leute kicherten.

»Zeigen Sie es mir«, befahl Ileana, und ich meine: be fehlen.

Ignatz brachte es ihr hinauf.

Ileana blätterte die Seiten vorsichtig um. »Eine Seite mit Wolken«, sagte sie. »Eine Seite mit wunderschönen Federn von meinem Lieblingsvogel. Goldene Eichen blätter. Und hier, auf der letzten Seite, die Sterne. Meine eigenen Sterne. Ja. Und die restlichen Seiten für mich, um sie mit den Tagen meines Lebens zu füllen.« Sie wandte sich an mich: »Danke, Freund. Du bist immer so großzügig zu mir.«

Sie legte das Buch neben sich auf den Tisch und setzte sich.

Ileanas Mutter fing zu klatschen an, doch diesmal schlossen sich nur ein paar wenige Leute an und der Ap plaus erstarb beinahe so rasch, wie er angefangen hatte.

Szasz hielt das nächste Geschenk hoch.

Endlich war dieses ganze fürchterliche Spektakel vor bei. Die Karren wurden weggerollt, die Tische hinausge tragen und das Orchester begann wieder zu spielen. Jetzt machten sie wilde Zigeunermusik und die Jenti, die per fekten, beherrschten Jenti, begannen zu tanzen.

Es war unglaublich. Sie tanzten und sprangen im Saal umher wie eine Meute wild gewordener Hunde. Ich hatte nicht einmal gewusst, dass Leute sich derart verbie gen konnten — geschweige denn in Abendkleidung. U n d zwar vollkommen kontrolliert. Niemand stieß auch nur ein einziges Mal mit einem anderen zusammen oder ver gaß auch nur einen einzigen Schritt.

Und mit wem tanzte Ileana? Mit Gregor. Er hob sie hoch und wirbelte sie herum, als wäre sie aus Zucker watte. Ileana bewegte sich mit ihm, als wäre sie sein ver längerter Arm. U n d niemand versuchte ihn aufzuhalten.

Ich hasste es.

»Für einen Cousin tanzt er ziemlich eng mit ihr«, sagte ich an einer Stelle zu Justin.

»Es gibt solche Cousins und solche«, erwiderte Justin.

»Und was genau bedeutet das?«

»Eine Menge Leute erwarten, dass sie heiraten«, sagte Justin.

»Was? Aber sie sind miteinander verwandt!«

»Viele Leute heiraten Leute, mit denen sie verwandt sind«, meinte Justin. »Ich wette, du hast keine Ahnung, dass mehr als die Hälfte aller Präsidenten mit wenigstens einem anderen Präsidenten verwandt waren.«

»Gregor wird nicht Präsident werden«, schnauzte ich ihn an.

»Nein, aber Ileana wird eines Tages so eine Art Köni gin sein«, sagte Justin.

»Ach, jetzt mach aber mal halblang!«

Justin sah mich irgendwie komisch an. »Du weißt es nicht, oder? Sie hat es dir nie erzählt.« Er schüttelte den Kopf. »Das hätte sie aber tun sollen. Ich frage mich, wa rum sie es nicht getan hat.«

»Wovon redest du eigentlich?«

»Die Jenti haben sozusagen ihr eigenes Königshaus«, sagte Justin. »Ileana steht ziemlich weit oben. Ihre Mutter ist die Jenti-Königin eines großen Teils von Europa. Und auch von hier.«

»Das hier ist Amerika, sie ist Amerikanerin«, sagte ich im besten Patrick-Henry-Stil. »Wir haben dieses ganze Zeug vor langer Zeit hinter uns gelassen.«

»Klar. Aber einiges davon folgt uns wie ein Schatten.

Ich glaube nicht, dass Ileana es besonders mag. Doch es gibt nicht sehr viel, was sie dagegen tun kann.«

»Sie wird also Gregor heiraten, nur weil ein paar Leute glauben, dass sie eine Königin ist? Was hat er für einen Rang?«, sagte ich und wurde immer wütender.