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»Schülerklub?«, fragte ich.

»Das ist das große viereckige Gebäude zwischen den Wohnheimen«, sagte Mr Horvath.

»Welche Art staatlicher Schule hat Wohnheime, Mr Horvath?«, fragte Dad.

»Eine von Weltruf, Mr Elliot«, gab Mr Horvath zu rück. »Eine, die Schüler aus zahlreichen Ländern an zieht.«

»Und die Steuerzahler unterstützen so etwas?«

»Ich schätze mich glücklich Ihnen sagen zu können, dass die Bürger dieser Gemeinschaft uns alles bewilligt haben, w o r u m wir je gebeten haben - und das seit Ge nerationen«, sagte Mr Horvath. »Gewöhnlich mit einer Gewinnspanne um die neunundneunzig Prozent.«

Dad sah mich an und ich wusste, was er dachte. Ich dachte es auch.

Was für eine Art Schule ist das?

»Nun, Mr Elliot, wenn Sie zufriedengestellt sind, so unterzeichnen Sie bitte den Stundenplan Ihres Sohnes«, sagte Mr Horvath.

Dad holte seinen Füller heraus, unterschrieb aber nicht.

»Wir haben uns die ULF noch nicht angesehen«, meinte er.

»Dad, unterschreib jetzt«, sagte ich.

Wasserball musste einfach besser sein als immerwäh rende Hausaufgaben. Außerdem würde ich ohnehin nicht lange in der Mannschaft sein.

Dad unterschrieb. Beim Gehen murmelte er: »Ruf mich an.«

Aus seinem Tonfall schloss ich, dass er meinte: »Ruf mich an, wenn irgendetwas allzu Verrücktes passiert.«

Ich fühlte mich ihm nahe wie schon seit Monaten nicht mehr.

Wie man in die Wasserball-Mannschaft  aufgenommen wird, ohne es darauf anzulegen

Als Dad weg war, wandte Mr Horvath sich mir zu. »Mas ter Cody, ich möchte, dass Sie wissen, wie sehr ich mich über Ihren Entschluss freue, sich an unserer Schule ein zuschreiben. Sie können sich jederzeit an mich wenden, wenn etwas an unseren Schulbräuchen Sie verwirrt oder verunsichert. Ich bin mir sicher, Sie werden ein paar da von zunächst merkwürdig finden, und ich möchte, dass Sie sich hier wohlfühlen.«

»Danke«, erwiderte ich.

Dann rief er »Charon!«, und der riesige Timberwolf schlich heran.

»Da das heute Ihr erster Tag bei uns ist, werde ich Charon damit betrauen, Sie zu Ihren Klassen zu brin gen«, sagte er. »Keine Sorge. Er kennt sich in der Schule besser aus als ich.«

Darauf sagte er etwas zu Charon in einer anderen Sprache. Der Wolf ging zur Tür und sah sich über die Schulter nach mir um.

Ich folgte ihm nach unten in die Aula und versuchte dabei möglichst große Distanz zu ihm zu halten. Aller dings keine besonders große. Denn jedes Mal wenn ich mehr als ein oder zwei Meter hinter ihm war, blieb Cha ron stehen und wartete, bis ich ihn eingeholt hatte.

Nach ein paar Minuten stand ich vor der Tür meiner Matheklasse. Ich drückte die Türklinke hinunter - die Türen hatten goldfarbene Klinken, keinen Knauf - und trat, dicht gefolgt von Charon, ein.

In gewisser Hinsicht sah Mr Machs Matheklasse wie ein normales Klassenzimmer aus. In anderer Hinsicht war es anders als irgendeines, das ich je gesehen hatte. Es gab Tafeln, Fenster, Stühle und Pulte - so wie Klassen zimmer eben üblicherweise aussehen. Aber es waren echte Schiefertafeln - der Stein war so dunkel, dass die Kreidezeichen darauf glänzten. Die Stühle waren Lehn stühle; die Pulte waren echte Pulte mit Schubladen, einer Glasplatte und eigenen Lampen. Die wurden von den Schülern auch benötigt. Das Fensterglas war so dunkel getönt, dass es beinahe so war, als würde man versuchen durch eine vierte Wand zu sehen.

Natürlich drehten sich alle zu mir um, als ich das Klas senzimmer betrat. Es gab in der ganzen Klasse nur zwölf Kids und sie sahen fast alle gleich aus. Sie waren groß und blass und hatten glattes schwarzes Haar und dunkle Au gen. Kaum jemand schien von durchschnittlicher Größe zu sein so wie ich.

Ein Junge mit braunem Haar und einer Brille fiel mir auf. Er schien wirklich klein zu sein und hieß Justin War rener. Ich wusste das, weil an seinem Tisch ein Namens schild angebracht war. An jedem Tisch.

»Treten Sie ein, Elliot«, sagte Mr Mach. »Ihr Tisch steht da drüben beim Fenster. Bringen Sie Ihre Sachen in die Garderobe und schließen Sie sich uns dann an. Wir besprechen gerade ein paar bemerkenswerte mathemati sche Eigenschaften der äolischen Skala.«

Ich war mittlerweile kaum mehr überrascht, dass er meinen Namen bereits kannte.

Mr Mach war ein großer, schwerer Kerl mit buschi gem schwarzem Haar und einem Bart, der so aussah, als wolle er gleich auf eigene Faust draufloswandern. Er hatte wunderbare, freundlich dreinblickende Augen. In der Hand hielt er eine Violine.

Während ich meine Kappe abnahm und meinen Mantel auszog und sie in die Garderobe räumte, die ein richtiges Zimmer mit verschiedenen Kleiderbügeln und Plätzen zum Hinsetzen war — und, ja klar, mein Name stand bereits auf einer der Schranktüren —, hörte ich, wie er mit dem Bogen über die Saiten strich und einen lan gen, reinen Ton erzeugte.

»Das ist natürlich ein B«, sagte Mr Mach. »Aber denken Sie einmal über Folgendes nach: Wenn ich meine Finger auf diese Weise halte und mit dem Bogen denselben Strich mache, wird es zu einem A. Was hat sich verändert?

Es ist noch immer dasselbe Instrument und es wird noch immer vom selben Mann gespielt. Was also ist anders?«

»Die Schwingungsfrequenz?«, fragte ein Mädchen.

»Genau«, sagte Mr Mach. »Die Schwingungsfrequenz, die der Anzahl der Schwingungen in der Saite entspricht.

Wir können sie zählen, sie in Halbe und Viertel teilen —

tatsächlich sind sie unendlich teilbar — und die mathema tische Grundlage jeder vorgegebenen Note berechnen.«

Ich nahm so leise, wie ich nur konnte, Platz. Charon saß neben m i r und spitzte die Ohren, als würde er wirk lich zuhören. Mir fiel auf, dass sich sein Kopf und meiner auf gleicher H ö h e befanden.

»Lassen Sie mich den wichtigsten Punkt Elliot zuliebe noch einmal erklären«, sagte Mr Mach. »Ich demons triere der Klasse gerade, warum die Musik von unseren Vorfahren - zu R e c h t — als Zweig der Mathematik ange sehen wurde. Musik ist Mathematik zum Hören.«

»Hab's kapiert«, sagte ich.

Ein paar Kids kicherten und Charon warf mir einen angewiderten Blick zu.

Während Mr Mach redete, untersuchte ich leise den Inhalt meines Pults. Als ich die oberste Schublade aufzog, fand ich darin ein Mathebuch, ein Heft, Kugelschreiber, Bleistifte, Winkelmesser, Lineal und Taschenrechner —

alles lag bereit und wartete auf mich. Es gab sogar Ersatz batterien für den Rechner. Hätte ich etwas lernen wol len, wäre das hier der richtige O r t dafür gewesen.

Ich hatte keine Lust dazu, aber da Charon neben mir saß, fand ich es besser, interessiert zu wirken. Ich nahm das Heft und einen Kugelschreiber heraus und schrieb: Musik ist Mathematik zum Hören. Dann saß ich da und versuchte so dreinzuschauen, als wüsste ich, wovon Mr Mach und der Rest der Klasse redeten.

Am Ende der Stunde sagte Mr Mach: »Als Hausauf gabe für Freitag wählen Sie irgendeine Komposition von Mozart aus. Ordnen Sie den einzelnen Teilen der Kom position numerische Werte zu und zeigen Sie auf, wie sie mathematisch zueinander in Beziehung stehen, indem Sie Brüche — keine Dezimalzahlen — verwenden.«

Freitag? Heute war Mittwoch. Diese Kids erledigten eine Hausaufgabe wie diese in zwei Tagen? Das Einzige, was ich über Mozart wusste, war, dass es einen Film über ihn gab. Ich hatte ihn mir mit meinen Eltern angeschaut.

Er hatte einen Haufen Musik geschrieben und dann war er gestorben.

Ich hörte einen tiefen, weichen gongartigen Ton durch den Flur hallen. Die anderen Kids standen auf und gin gen leise hinaus.

Ich zögerte und wartete, bis der Letzte von ihnen ver schwunden war.