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Schließlich sagte Helen: »Nun, ich hab für dieses Ba deteil eine Menge Geld ausgegeben. Ich kann es ebenso gut ausprobieren.«

Sie ging ins Haus und kam ein paar Minuten später in einem einteiligen Badeanzug zurück, der ihr fast bis an die Knie reichte.

»Dass bloß niemand zu lachen wagt«, sagte sie.

»Du siehst gut aus«, meinte ich. »Sehr profimäßig. Be reit es zu versuchen?«

»Warum nicht«, sagte Helen. »Hier draußen ist es zu kalt.«

Sie ging ruhig die Stufen des Swimmingpools hinun ter, bis ihr das Wasser bis zur Taille reichte.

»Fühlt sich überhaupt nicht anders an«, meinte sie.

»Vielleicht musst du untertauchen«, sagte Justin.

»Ich gehe erst mal so weit rein, dass nur noch mein Kopf rausschaut«, antwortete Helen und genau das tat sie dann auch.

»Ich fühle mich noch immer nicht anders«, sagte sie.

Und dann: »Du meine Güte!«

Sie stand. Vom Nacken abwärts war sie mit glattem braunem Fell bedeckt und hatte Schwimmfüße.

Sie schrie und tauchte den Kopf unter Wasser. Als sie wieder hochkam, war ihr Gesicht braun, behaart und lä chelte.

»Das fühlt sich wunderschön an«, sagte sie und verfiel in den gleichen Freudentaumel wie Justin beim ersten Mal.

»Sei vorsichtig, Schwesterherz«, sagte Carlton.

»Ach, pah, komm doch selbst rein!«, rief sie ihm zu.

»Ich denke, ich werde das«, sagte Thornton. Er zog seine Kleider aus. Darunter hatte er seine Badehose an.

»Muss ich sonst noch was machen?«, fragte er.

»Nein, komm einfach rein«, antwortete Justin.

»Ich glaube, ich werde springen«, sagte Carlton. U n d das tat er.

»Carlton, eigentlich solltest du zuerst die Kleider aus ziehen«, meinte Justin, als Carlton wieder auftauchte und wie eine Art Seehund in Hemd und Hose aussah.

»Nächstes Mal denk ich dran«, erwiderte Carlton. »Ich fürchte, ich bin ein bisschen aufgeregt.«

»Alle herschauen, bitte«, sagte Thornton und stürzte sich ins Wasser.

Und da war ich also, ein Gadjo mit vier Jenti-Otter-Seehund-Wesen, die alle um mich herumplanschten, als wäre das der größte Spaß, den sie je in ihrem Leben ge habt hatten. Was es vermutlich auch war.

Es dauerte fast eine Stunde, bis sie sich wieder be ruhigten.

»Was sind das wohl fiir Wesen, in die wir uns ver wandelt haben?«, fragte Thornton schwer atmend. »Mir scheint, wir sollten einen Namen haben.«

»Ich hab nie zuvor gehört, dass einem Jenti so was pas siert ist«, sagte Justin.

»Es muss wohl irgendeine neue Fähigkeit sein, die in uns herangewachsen ist«, meinte Carlton. »Vielleicht schlummert sie schon seit Generationen in uns und hat bloß darauf gewartet, dass Cody sie findet. Menschen können sich verändern.«

»Ich hab darüber nachgedacht«, sagte Helen. »Auf den Britischen Inseln gibt es Legenden über Wesen, die die Gestalt von Seehunden oder Menschen annehmen kön nen. Sie werden Seikies genannt. Wir alle hier haben Vorfahren, die von dort stammen. Vielleicht sind wir eine Art britische Spezialität.«

»Selkie. Das ist ein gutes Wort«, sagte ich.

»Es ist so gut wie jedes andere«, meinte Justin. »Wir wollen also Seikies sein!«

»Wir wollen noch ein bisschen schwimmen«, sagte Thornton und sie tobten weiter wie Otter durchs Be cken.

Es dauerte noch einmal fast eine Stunde, bis sie sich so weit beruhigt hatten, dass ich sie fragen konnte: »Hat Jus tin irgendwas von Wasserball erwähnt?«

»Natürlich«, war Helens Antwort.

»Soweit wir verstanden haben, sollen wir Teil der Mannschaft werden«, sagte Carlton.

»Ich muss sagen, das scheint ein Spaß zu werden«, meinte Thornton.

»Ich wette, sie werden alle überrascht sein«, sagte Helen.

»Das sollten sie besser auch«, erwiderte ich. »Vor allem Horvath.«

»Wir werden es ihm bestimmt nicht sagen«, meinte Thornton. »Wir werden uns alle bloß freiwillig für die Ersatzmannschaft melden.«

»Aber warum würde Mr Horvath sich nicht darüber freuen, zu erfahren, dass wir das für die Schule tun kön nen?«, fragte Carlton.

»Ich kann nicht mit Sicherheit behaupten, dass er das nicht tun würde«, antwortete ich. »Ich hab keine Ah nung, was von ihm zu erwarten ist. Aber ich weiß, er mag keine Veränderungen. Also müssen wir ihm und dem Staat etwas präsentieren, was sie nicht ignorieren oder vertuschen können.«

»Bloß für den Fall, dass er es vorzieht, die Schule schließen zu lassen, statt die alten Traditionen über den Haufen zu werfen«, sagte Justin.

»Na schön, hat irgendwer die Spielregeln mitge bracht?«, fragte Helen.

Wir stiegen aus dem Wasser, standen zitternd herum und sahen uns die zwei Seiten Wasserballspielregeln an.

»Scheint ziemlich klar zu sein«, meinte Thornton.

»Ich sehe keine Probleme«, stimmte Carlton ihm zu.

»Nein, wirklich nicht«, sagte Helen. »Ich glaube, wir sind fertig.«

»Na toll«, meinte ich. Ich wollte ins warme Wasser zu rück. »Dann schnappt sich jetzt jemand einen Ball und wir trainieren ein bisschen.«

»Wozu?«, fragte Thornton. »Wir wissen, wie man das spielt. Außerdem furchte ich, ich habe gar keinen Ball.

Ich finde, wir sollten noch ein bisschen schwimmen.«

»Aber —«, begann ich und hielt dann den Mund. Was machte es schon für einen Unterschied, ob wir trainierten oder nicht? Die Pfähler hatten vorher noch nie trainiert.

Einer nach dem anderen sprangen die Jenti anmutig ins Wasser und begannen dort Dinge zu tun, die kein Gadjo jemals fertigbringen würde. Ich hatte das Gefühl, dass wir bei unserem nächsten Spiel ziemlich viel besser abschneiden würden als je zuvor.

Justin erzählte mir später, Horvath sei ziemlich über rascht gewesen, als sie alle vier gleichzeitig aufgetaucht seien und sich als freiwillige Ersatzspieler gemeldet hätten.

»Das ist äußerst unüblich«, sagte er. »Normalerweise wird einem Wasserball als Pflicht auferlegt.«

»Na ja, wir möchten tun, was wir können, um zu hel fen, Sir«, erklärte Justin ihm. »Vor allem ich. Nach dem, was ich letzte Woche getan habe.«

Horvath sah ihn scharf an, aber er teilte ihnen allen Spinde zu und bestellte einen speziellen Badeanzug in den Mannschaftsfarben für Helen.

Ich erzähle hier nur, wie es sich zugetragen hat und was meine Rolle bei der ganzen Angelegenheit war. Es gibt da nur eine wichtige Sache, die ich ausgelassen habe. Ich habe bis jetzt nicht darüber gesprochen, weil es einfach keine Möglichkeit gibt, es in die Geschehnisse mit rein zubringen, die ich gerade beschreibe. Es war einfach da.

Ileana.

Genauer — das Fehlen von Ileana.

Mein Herz quälte mich jeden Augenblick, ganz gleich was ich sonst auch tat oder zu tun schien. In Mathe, wo wir nebeneinandersaßen, sah ich sie nie auch nur an.

Aber das Einzige, woran ich denken konnte, war, sie nicht anzusehen. Und in den Fächern, die wir nicht ge meinsam hatten, hielt ich immer Ausschau nach ihr.

Manchmal stieg mir ihr Duft in die Nase, wenn sie gar nicht in der Nähe war. Das war das Schlimmste und Selt samste.

Aber mehr als das kann ich euch darüber nicht erzäh len. Ich vermisste sie einfach weiterhin, ganz gleich was ich sonst auch tat.

Was vermudich auch die Sache mit Gregor irgendwie erklärt.

Es war Mittwoch. Und ein wunderschöner Tag. Die Luft war weich wie der Atem eines Kätzchens und das Licht einfach unglaublich. Der kleine Bach, der durch den Campus floss, sang und die winzig kleinen Frösche, die man Frühlingspfeifer nennt, sangen zurück.

In meiner Freistunde ging ich zum Bach hinunter und hoffte einen dieser kleinen Frösche zu Gesicht zu be kommen. Stattdessen traf ich Gregor. Er stand am Ufer unter einem Baum und blickte aufs Wasser, ohne es zu se hen. Er sah weder das Licht noch das neue Grün der Bäume, noch die Blumen, die ihre Blütenblätter öffneten.