»Nein«, fauchte sie und riß sich los. Er holte aus und schlug ihr mit der Faust ins Gesicht. Der Schlag warf sie zu Boden.
»Du blondes Miststück. Du gibst mir, was ich will.« Mit der linken Hand krallte er sich in ihr Haar; sie schrie auf, als er ihren Kopf hochriß. Seine rechte Faust hämmerte auf ihre Schultern, wieder und wieder. »Überzeugt dich das?«
»Lassen Sie mich los. Sie sind betrunken - wahnsinnig ...«
»Halt's Maul!« Er schlug sie so hart, daß sie zurückflog und mit dem Kopf gegen den Schreibtisch knallte. »Zieh deine Röcke hoch!«
Lichter tanzten hinter ihren Augenlidern. Der Schmerz pochte. Sie griff nach oben, ihre Finger tasteten nach irgendeinem schweren Gegenstand auf der Schreibtischplatte. Er stand breitbeinig über ihr, knöpfte sich die Hose auf. »Zieh sie hoch, verdammt noch mal, oder ich schlag' dich, daß du nicht mehr laufen kannst.«
Vor Angst außer sich, fand sie etwas auf dem Schreibtisch -den Requisitendolch. Er griff nach ihrem Handgelenk, doch bevor er sie aufhalten konnte, stieß sie den Dolch nach unten. Obwohl die Spitze stumpf war, ging sie doch durch den Hosenstoff, weil sie mit aller Kraft zustieß. Sie spürte, wie der Dolch auf Fleisch traf und dann tiefer drang.
»Jesus«, sagte Wood und tastete mit beiden Händen nach der Requisitenwaffe, die tief in seinen linken Oberschenkel eingedrungen war. Er riß daran herum, machte sich die Finger blutig. »Jesus Christus, ich bringe dich um!«
Von Panik erfüllt stieß Willa mit beiden Händen nach ihm, so daß er zur Seite fiel. Er brüllte und fluchte, als er über eine falsche Palme stürzte. Sie kroch zu dem Stuhl, packte ihre Sachen und rannte aus dem Büro in die Dunkelheit. An der Tür kämpfte sie mit dem Riegel, riß ihn zurück und fiel halb hinaus in den Regen, ständig in der Erwartung, einen Verfolger dicht hinter sich zu hören.
Ich, ..., schwöre feierlich vor Gott dem Allmächtigen, daß ich stets treu die Verfassung der Vereinigten Staaten und die Union der miteinander verbundenen Staaten stützen, schützen und verteidigen will und daß ich, so gut ich kann, alle Gesetze und Proklamationen, die während der Rebellion in bezug auf die Emanzipation der Sklaven erlassen wurden, gewissenhaft unterstützen werde.
So wahr mir Gott helfe.
Der Eid, der von allen Konföderierten verlangt wurde, die die Amnestie des Präsidenten für sich in Anspruch nehmen wollten.
1865.
3
»Muß ich diesen Eid leisten?« erkundigte sich Cooper Main. Er war den weiten Weg bis nach Columbia geritten, um sich über diese Sache zu informieren; nun überkamen ihn plötzlich Zweifel.
»Wenn Sie die Amnestie in Anspruch nehmen wollen, ja«, sagte Anwalt Trezevant von der anderen Seite des wackligen Tisches, der als Schreibtisch diente. Sein richtiges Büro war beim großen Feuer am 17. Februar abgebrannt, und so hatte er ein Zimmer über Reverdy Birds Leichenhalle im Osten der Stadt gemietet, die von den Flammen verschont geblieben war. Mr. Bird hatte sein Wohnzimmer in einen Laden verwandelt, in dem verstümmelte Veteranen Korkfüße, Holzglieder und Glasaugen kaufen konnten. Das Stimmengewirr deutete auf gute Geschäfte an diesem Morgen hin.
Cooper starrte auf den handgeschriebenen Eid. Er war ein schlaksiger Mann, der mit fünfundvierzig schon eine Menge grauer Haare hatte. Der Mangel an Nahrungsmitteln hatte ihn hager werden lassen. Seine Arbeitstage, die bis zu sechzehn Stunden dauerten, hatten tiefe Schatten der Müdigkeit unter seine tiefliegenden braunen Augen gemalt. Er schuftete, um die Lagerhäuser, die Docks und die Handelsgeschäfte seiner Carolina Shipping Company in Charleston wiederaufzubauen.
»Hören Sie, ich verstehe ja Ihre Abneigung«, sagte Trezevant. »Aber wenn sich General Lee so weit erniedrigen und den Eid ablegen kann, wie er es letzte Woche in Richmond getan hat, dann können Sie das auch.«
»Eine Amnestie bedeutet, daß man Unrecht getan hat. Ich habe nichts Unrechtes getan.«
»Da bin ich Ihrer Meinung, Cooper. Unglücklicherweise ist die Bundesregierung anderer Meinung. Wenn Sie Ihr Geschäft wiederaufbauen wollen, dann müssen Sie sich von dem Ballast befreien, dem Marineministerium der Konföderierten gedient zu haben.« Cooper funkelte ihn an. Trezevant fuhr fort: »Ich bin persönlich nach Washington gefahren, und innerhalb gewisser Grenzen vertraue ich diesem Amnestievermittler, selbst wenn er Anwalt und obendrein noch Yankee ist.« Der bittere Humor fand keinen Widerhall. »Sein Name ist Jasper Dills. Er ist geldgierig, also wird Ihr Antrag vor vielen anderen auf dem Schreibtisch des für die Amnestie zuständigen Beamten und danach auf Mr. Johnsons Schreibtisch landen.«
»Für wieviel?«
»Zweihundert Dollar, US-Währung oder das Äquivalent in Sterling. Mein Honorar beträgt fünfzig Dollar.«
Cooper überlegte eine Weile.
»Also gut. Geben Sie mir die Papiere.«
Sie unterhielten sich eine weitere halbe Stunde. Trezevant hatte all den Washingtoner Klatsch parat. Er erzählte, Johnson plane die Ernennung eines provisorischen Gouverneurs für South Carolina. Der Gouverneur würde eine konstitutionelle Versammlung einberufen und die gesetzgebende Körperschaft wieder einsetzen, so wie sie sich vor dem Fall von Fort Sumter konstitutioniert hatte. Johnsons Wahl stellte keine Überraschung dar. Sie fiel auf Richter Benjamin Franklin Perry aus Greenville, vor dem Krieg ein erklärter Anhänger der Union. Genau wie Lee hatte Perry gegenüber seinem Staat seine Loyalität zum Ausdruck gebracht, trotz seines Abscheus vor der Sezession, indem er sagte: »Ihr werdet alle zum Teufel gehen - und ich gehe mit euch.«
»Zur Wiederzulassung muß die Legislative Mr. Johnsons Forderungen nachkommen«, sagte Trezevant. »Beispielsweise offiziell die Sklaverei zu ächten.« Ein listiger Ausdruck tauchte auf seinem Gesicht auf. »Gleichzeitig ist die Legislative vielleicht in der Lage, die Nigger so anzupassen, daß wir wieder Arbeitskräfte zur Verfügung haben anstatt streunendes Gesindel.«
»Was heißt anpassen?«
»Meine Güte - nennen wir es mal einen Verhaltenscode. Ich habe gehört, daß man in Mississippi auch daran denkt.«
»Wäre ein solcher Code auch für Weiße gültig?«
»Nur für befreite Sklaven.«
Cooper erkannte die Gefahr, die in einem solch provokativen Schritt lag, ohne sich an der ihm zugrunde liegenden Moral zu stören. Das Kriegsende hatte ihm, seiner Familie und seinem Staat ein reiches Maß an Demütigungen und den vollständigen Ruin gebracht. Er sorgte sich nicht mehr um den Zustand der dafür verantwortlichen Menschen - der Menschen, denen der Krieg die Freiheit gebracht hatte.
Gegen Mittag trabte Coopers lahmer alter Gaul in südöstlicher Richtung nach Hause. Der Weg führte direkt durch Columbia hindurch. Cooper konnte den Anblick kaum ertragen. Fast hundertzwanzig Blocks waren niedergebrannt. Der Geruch von verkohltem Holz hing immer noch schwer in der heißen Luft dieses Junitages.
Die ungepflasterten Straßen waren mit Abfall und zerbrochenen Möbeln bedeckt. Von einem Wagen, der zum Bureau of Freedmen, Refugees and Abandoned Lands gehörte, wurden Pakete mit Reis und Mehl an eine große Menschenmenge, hauptsächlich Neger, verteilt. Andere Schwarze drängten sich an den wenigen Stellen zusammen, wo der hölzerne Gehsteig noch in Ordnung war. Cooper bemerkte militärische Uniformen und einige Gentlemen in Zivil, aber die Abwesenheit gutgekleideter weißer Frauen stach deutlich ins Auge. Es war überall das gleiche. Diese Frauen blieben im Haus, weil sie Soldaten haßten und sich vor den befreiten Negern fürchteten. Coopers Frau Judith bildete hier die Ausnahme, was ihn ziemlich irritierte.
General Sherman hatte die Holzbrücke über den Congaree River zerstört. Nur die Pfeiler waren übriggeblieben und standen nun im Strom wie rauchgeschwärzte Grabsteine. Die langsame Fahrt der Fähre über den Fluß verschaffte Cooper einen langen Blick auf eines der wenigen Gebäude, die vom Feuer verschont geblieben waren, das unfertige Parlamentsgebäude nahe dem Ostufer. In einer Granitwand legten drei Kanonenkugeln der Union - wie Punkte auf einem Blatt Papier - Zeugnis ab von Shermans Zorn.