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»Was zum Teufel ist mit Ihnen los, LaMotte?«

»Schande, Sir. Schande, das ist es, was los ist. Oder versteht Ihre Familie nicht mehr die Bedeutung von Ehre? Sie mag so wenig greifbar sein wie das Sonnenlicht, spielt aber nichtsdestoweniger eine bedeutende Rolle im Leben.«

Cooper, tropfend und trotz Hitze fröstelnd, fragte sich, ob er hier jemanden vor sich hatte, den der Krieg um den Verstand gebracht hatte. »Ich habe keine Ahnung, was um alles in der Welt Sie meinen.«

»Sir, ich beziehe mich auf die Tragödie, die Ihre Familie über Mitglieder meiner Familie gebracht hat.«

»Ich habe keinem einzigen LaMotte irgend etwas angetan.«

»Andere mit Ihrem Namen haben sündige Dinge getan. Sie alle haben die Ehre der LaMotte-Familie in den Schmutz gezogen, als sie zuließen, daß Colonel Main meinem Cousin Justin Hörner aufsetzte. Vor meiner Heimkehr meuchelte Ihr entlaufener Sklave Cuffey meinen Cousin Francis.«

»Aber ich sage Ihnen doch, ich hatte damit nichts zu tun.«

»Wir Überlebenden haben einen Familienrat abgehalten«, unterbrach ihn Des. »Ich bin froh, daß ich Sie getroffen habe, denn das erspart es mir, Sie in Charleston suchen zu müssen.«

»Wozu?«

»Um Ihnen mitzuteilen, daß die LaMottes übereingekommen sind, diese Ehrenschuld zu begleichen.«

»Sie reden Unsinn. Das Gesetz verbietet Duelle.«

»Ich spreche nicht von Duellen. Wir werden andere Mittel einsetzen - zu einem Zeitpunkt und an einem Ort unserer Wahl. Aber wir werden die Schuld begleichen.«

Cooper griff nach den Zügeln seines Pferdes. Von dem Tier und von Coopers Ellbogen tropfte das Wasser in das Schweigen hinein. Er hätte sich gern über diesen wirren jungen Mann lustig gemacht, aber das, was er in LaMottes Augen sah, hielt ihn davon ab.

»Wir rechnen mit Ihnen ab, Mr. Main, oder wir rechnen mit der Niggerwitwe Ihres Bruders ab oder mit Ihnen beiden. Verlassen Sie sich darauf.«

Mit diesen Worten ritt er weiter; die Maultierhufe knallten auf der Planke wie Pistolenschüsse. Nachdem er wieder festen Boden erreicht hatte, folgte ihm sein Diener mit gesenktem Kopf, ohne auch nur einen Blick auf Cooper zu werfen.

Cooper schauderte erneut und führte sein Pferd aus dem Wasser.

Spät abends erzählte er seiner Frau Judith in ihrem Haus in der Tradd Street von dem Vorfall. Judith lachte.

Das ärgerte ihn. »Er hat es ernst gemeint. Du hast ihn nicht gesehen; ich schon. Nicht jeder Mann, der in den Krieg zieht, kommt auch geistig gesund wieder zurück.« Er bemerkte weder ihren sorgenvollen Blick, noch erinnerte er sich an seine eigene Geistesverwirrung in den Wochen, nachdem sein Sohn ertrunken war.

»Ich werde Madeline schreiben und sie warnen«, sagte er.

4

Willa erwachte plötzlich. Sie hörte ein Geräusch und eine Stimme; beides konnte sie nicht identifizieren.

Die Erinnerung kam zurück. Claudius Wood - der >Mac-beth<-Dolch. Im strömenden Regen war sie durch die Chambers Street geflohen. Um ein Haar wäre sie von dem Pferd einer schnellen Droschke

WINTER GARDEN

Broadway, zwischen Bleeker und Amity Street heute abend, Beginn 7 Uhr 30 RICHELIEU DIE VERSCHWÖRUNG

DARSTELLER:

Edwin Booth, Charles Barron, J.H. Taylor, John Dyott, W.A. Donaldson, C. Kemble Mason, Miss Rose Eytange, Mrs. Marie Wilkins ...

überrannt worden, als sie an einer Kreuzung ausrutschte und stürzte. Erst nach vier Blöcken hatte sie es gewagt, sich umzudrehen und die von Laternen schwach erhellte Straße zurückzublicken.

Von Wood nichts zu sehen. Kein Anzeichen irgendeiner Verfolgung. Sie hatte sich umgewandt und war weitergerannt.

Das Geräusch stammte von einer Faust, die gegen ihre Tür hämmerte. Die unbekannte Stimme gehörte zu einem Mann.

»Miss Parker, die Hausbesitzerin sah sie heimkommen. Öffnen Sie die Tür, oder ich breche sie auf.«

»Eine gute Tür ruinieren? Das lasse ich nicht zu.«

Das war die Stimme der Harpyie, der die Pension gehörte. Als Willa aus dem Regen der Straße hereingestürzt gekommen war, hatte die Frau sie vom Speisezimmer aus erspäht, wo sie das Zepter über schlechtes Essen und die vier schäbigen Gentlemen schwang, die die anderen Zimmer bewohnten.

Willa war vor diesen feindseligen Augen die Treppe hoch in ihr Schlafzimmer geflohen, dessen winziger Alkoven mit ihren Büchern, Theateraufzeichnungen und zwei Kleiderkoffern vollgestopft war. In der Sicherheit des Zimmers hatte sie den Riegel vorgeschoben und sich zitternd auf das Bett fallen lassen. So war sie fast eine Stunde lang lauschend liegengeblieben. Zum Schluß hatte sie die Erschöpfung einschlafen lassen.

Jetzt hörte sie den Mann draußen im Gang zu der Vermieterin sagen: »Sie haben da gar nichts zu bestimmen. Das Mädchen soll wegen eines Angriffs auf ihren Arbeitgeber verhört werden.« Wieder hämmerte er gegen die Tür. »Miss Parker!«

Willa schlang die Arme um sich, wagte nicht zu atmen.

Der Mann brüllte: »Das ist eine Polizeiangelegenheit. Ich fordere Sie zum letztenmal auf, die Tür zu öffnen.«

Sie war bereits angekleidet. Ein schneller Blick in den Alkoven zum Abschied von ihren wenigen Habseligkeiten, dann packte sie ihren Schal und schob das Fenster hoch. Der Mann hörte es und rammte die Schulter gegen die Tür.

Nach Atem ringend und ihre Panik niederkämpfend, kletterte Willa über den Fenstersims, ließ sich nach unten gleiten und ließ los. Sie stürzte in die regnerische Finsternis. Ihr gequälter Aufschrei ging im Splittern der Tür unter.

»Oh Gott - mein Gott, noch nie in meinem Leben habe ich so was durchgemacht, Eddie.«

»Ruhig, ganz ruhig.« Er zog sie an seine Schultern. Sein Samtrock fühlte sich angenehm an. Während ihre Kleider trockneten, trug sie eine seiner Roben, goldfarben und recht bequem; er war ein verhältnismäßig kleiner Mann. Eine hellblonde Haarsträhne war ihr in die Stirn gefallen. Ihre nackten Beine ruhten auf einem Stuhl. Ihren linken Knöchel hatte er mit einer festen Bandage umwickelt. Sie hatte ihn sich beim Sprung in die Gasse verknackst und den ganzen Weg bis zu seinem Sandsteinhaus, 28 East Nineteenth Street, starke Schmerzen gehabt.

»Der Polizist hätte mich beinahe erwischt. Wood hat ihn geschickt, oder?«

»Zweifellos«, sagte Booth. Er war zweiunddreißig, schlank und gutaussehend, mit einer vollen Stimme, die Kritiker als wundersames Instrument bezeichneten. In seinen ausdrucksvollen Augen lag ein ständiger Schmerz verborgen.

Der Regen trommelte gegen die hohen Fenster. Es war halb zwei Uhr morgens. Willa schauderte in der Seidenrobe, als Booth fortfuhr: »Wood ist ein übler Geselle. Eine Schande für unseren Beruf. Er trinkt viel zuviel - darin bin ich Experte. Kombiniert mit seinem Jähzorn, hat das katastrophale Folgen. Letztes Jahr hätte er beinahe einen Beleuchter zum Krüppel geschlagen, der die Bühne nicht haargenau so erleuchtete, wie er es wünschte. Dann war da die Sache mit seiner verstorbenen Frau.«

»Ich wußte nicht, daß er mal verheiratet war.«

»Er redet nicht drüber, mit Grund. Bei der Überfahrt zu einem Engagement in London rutschte sie bei schlechtem Wetter aus, stürzte ins Meer und verschwand. Wood war der einzige Zeuge, obwohl ein Kabinensteward später aussagte, Helen Wood hätte am Morgen des Unglücks Schürfungen an Wange und Arm gehabt, die sie mit Puder zu kaschieren versuchte. Mit anderen Worten, er hat sie verprügelt.«

»Er kann so ein charmanter Mann sein.« Willas Worte gingen in einem Seufzer unter. »Wie dumm ich doch war, mich davon einwickeln zu lassen!«