Brutale Hitze. Aber wir haben unsere Reisernte eingebracht und dafür ein bißchen Geld bekommen. Bis jetzt wollen nur wenige Neger arbeiten. Viele sind damit beschäftigt, in der Umgebung auf verlassenen Plantagen ihre alten Quartiere, wo sie als Sklaven gelebt haben, niederzureißen, um neue Heime, wie klein und primitiv auch immer, als Embleme ihrer Freiheit zu errichten.
Andy und Jane bedrängen mich weiterhin wegen einer Schule für die befreiten Neger. Bald werden wir eine Entscheidung treffen. Risiken müssen gegeneinander abgewogen werden.
Gestern brauchte ich Lampenöl und ging zu dem alten Laden an der Summerton-Kreuzung. Ich nahm die Abkürzung durch die leuchtend hellen Sümpfe, deren verborgene Pfade Du mir gezeigt hast. An der Kreuzung bot sich mir ein trauriges Schauspiel. Der Gettys-Bros.-Laden ist offen, aber sicherlich nicht mehr lange - die Regale sind leer. Der Platz ist jetzt kaum mehr als ein Unterschlupf für die Angehörigen dieser großen Familie; einer davon, ein einfältiger alter Mann mit einem Schrotgewehr, bewachte den Besitz ...
Die Mittagssonne brannte auf die Summerton-Kreuzung. Drei gewaltige Eichen warfen ihren Schatten über den Laden mit seiner zerbrochenen Veranda. Ganz in der Nähe drängten sich dunkelgrüne Palmlilien mit speerspitzenscharfen Wedeln dicht über dem Boden. Madeline stand da und betrachtete den alten Mann mit dem Gewehr am Rande der Veranda. Er trug dreckige Hosen; seine Unterwäsche diente als Hemd.
»Gibt hier nichts für Sie oder sonst jemanden«, sagte er.
Schweiß färbte den Rücken von Madelines verwaschenem Kleid dunkel. Der Saum war feucht und schlammig von ihrem Marsch durch die Salzsümpfe. »Im Brunnen ist Wasser«, sagte sie. »Könnte ich einen Schluck haben, bevor ich mich auf den Rückweg mache?«
»Nein«, sagte das namenlose Mitglied des Gettys-Clans. »Holen Sie sich's aus den Brunnen, die Ihresgleichen gehören.« Er deutete auf die gelbbraune Straße, die sich in Richtung Mont Royal schlängelte.
»Vielen Dank für Ihre Freundlichkeit«, sagte sie, raffte ihren Rock hoch und trat in das blendend weiße Licht hinaus.
Nach einer halben Meile begegnete sie auf der Straße einem Trupp von sechs schwarzen Soldaten, geführt von einem weißen Lieutenant mit einem unschuldigen Milchgesicht. Die Männer rasteten in dem hitzegeschwängerten Schatten, die Kragen geöffnet, Gewehre und Feldflaschen abseits.
»Guten Tag, Ma'am«, sagte der junge Offizier und salutierte respektvoll.
»Guten Tag. Ein viel zu heißer Tag für unterwegs.«
»Ja, aber wir müssen trotzdem nach Charleston zurückmarschieren. Ich wünschte, ich könnte Ihnen Wasser anbieten, aber unsere Feldflaschen sind leer. Ich fragte diesen Kerl beim Laden, ob wir sie auffüllen dürfen, aber er ließ es nicht zu.«
»Ich fürchte, er ist kein sonderlich großzügiger Typ. Wenn Sie mir zu meiner Plantage folgen möchten - sie ist ungefähr zwei Meilen von hier entfernt und liegt direkt auf Ihrem Weg -, dann können Sie gern den Brunnen benützen.«
Es verfolgt mich also schon wieder. >Ihresgleichen<, hat der alte Mann gesagt. Cooper schrieb, auch der Tanzlehrer habe eine Anspielung auf meine Herkunft gemacht.
Gestern abend bin ich zu Fuß die Uferstraße zur Kirche von St. Joseph von Arimathea gegangen, wo wir zusammen gebetet haben. Das letzte Mal bin ich kurz nach dem Brand des Herrenhauses dort gewesen. Vater Lovewell begrüßte mich und lud mich ein, so lange in dem Familienkirchenstuhl zu meditieren, wie ich nur wollte.
Ich blieb eine Stunde lang sitzen und ließ mein Herz sprechen. So bald wie möglich muß ich in die Stadt reisen, um drei Dinge zu erledigen; eines dieser Dinge wird bestimmt solche Leute wie den Tanzlehrer und diesen alten Mr. Gettys provozieren. Von mir aus. Wenn man mich hängen will, ohne zu berücksichtigen, was ich tue, warum sollte ich zögern, etwas zu tun, wofür man wirklich gehängt werden kann? Orry, mein Liebster, die Gedanken an Dich und an meinen lieben Vater machen mir Mut. Beide habt Ihr Eurem Gewissen nie Fesseln anlegen lassen von der Furcht.
5
Äshton stieß einen langgezogenen, wimmernden Schrei aus. Der Kunde, der sich auf ihr krümmte, reagierte darauf mit einem einfältigen, verzückten Lächeln. Einen Stock tiefer hörte Ashtons Arbeitgeberin, Senora Vasquez-Reilly, den Aufschrei und prostete der Decke mit ihrem Glas Tequila zu.
Ashton haßte das, was sie tat. Das heißt, sie haßte den Geschlechtsakt, wenn sie ihn um des reinen Überlebens willen auf sich nehmen mußte. Es war unerträglich, in dieser dreckigen Grenzstadt - Santa Fe im Territorium New Mexico - festzuhängen. Es war unvorstellbar, daß ihr nichts weiter als die Hurerei geblieben war. Mit Stöhnen und Schreien brachte sie ihre Gefühle zum Ausdruck.
Der Gentleman in mittleren Jahren, ein Witwer, der Vieh züchtete, zog sich zurück, scheu ihrem Blick ausweichend. Bezahlt hatte er sie bereits; jetzt kleidete er sich schnell an, verbeugte sich und küßte ihre Hand. Sie lächelte und sagte in zögerndem Spanisch: »Kommen Sie bald wieder, Don Alfredo.«
»Nächste Woche, Senorita Brett. Sehr gern.«
Mein Gott, ich hasse Mexikaner, dachte sie, nachdem er das Zimmer verlassen hatte und sie die Münzen zählte. Drei der vier Münzen gingen an Senora Vasquez-Reilly, deren kräftiger Schwager dafür sorgte, daß die drei Mädchen der Senora nicht betrogen. Ashton hatte im Frühsommer, als ihre Ersparnisse aufgebraucht waren, für die Senora zu arbeiten begonnen. Sie hatte es für einen guten Witz gehalten, sich Senorita Brett zu nennen. Der Witz wäre noch besser gewesen, wenn ihre süße, prüde Schwester davon gewußt hätte.
Ashton Main - sie sah sich selbst nicht länger als Mrs. Hun-toon - hatte beschlossen, wegen des Schatzes in Santa Fe zu bleiben. Irgendwo in dem von Apachen verseuchten Ödland waren zwei Wagen verschwunden, und die Männer, die sie von Virginia City gebracht hatten, waren niedergemetzelt worden. Der eine, ihr Ehemann James Huntoon, war kein Verlust gewesen. Der zweite Mann, ihr Liebhaber Lamar Powell, hatte vorgehabt, eine zweite Konföderation im Südwesten zu gründen, mit Ashton als Gemahlin an seiner Seite. Zur Finanzierung dieses Vorhabens hatte er einen Wagen mit falschem Boden mit Gold im Wert von dreihunderttausend Dollar beladen; das Gold hatte er aus dem Erz der Nevada-Mine gewonnen, die ursprünglich seinem verstorbenen Bruder gehört hatte.
Das Massaker war von dem Fahrer eines Wagens gemeldet worden, der noch eine Handelsstation erreichte, kurz bevor er seinen Wunden erlag. Seinem schmerzgepeinigten, unzusammenhängenden Gestammel hatte man nicht entnehmen können, wo das Massaker stattgefunden hatte. Nur eine Person mochte jetzt über diese Information verfügen: der Führer Col-lins, den Powell in Virginia City angeheuert hatte. Gerüchte besagten, er habe überlebt, aber Gott allein mochte wissen, wo er sich befand.
Als sie von dem Massaker hörte, hatte Ashton einen reichen Gönner in Santa Fe aufzutreiben versucht. Die in Frage kommenden Kandidaten waren alles andere als zahlreich. Die meisten waren verheiratet; sie mochten zwar die Senora besuchen, zeigten deswegen aber noch lange kein Interesse, ihre Ehefrauen sitzenzulassen. Und die Idee, in Fort Marcy einen Mann aufzutreiben, war ein Witz. Die Offiziere und Männer der Garnison des heruntergekommenen Postens in der Nähe des alten Gouverneurspalastes bekamen nicht einmal genug Geld, um ihre eigenen Gelüste zu befriedigen, geschweige denn die einer Geliebten. Ihre Aussichten waren nicht besser als die eines Schweins, auf das ein Barbecue im Tiefland wartete. Natürlich hätte sie nicht für die Senora arbeiten müssen, wenn sie sich hilfesuchend an ihren frömmelnden Bruder Cooper gewandt hätte oder an die Schwester, deren Namen sie nur zu gern in den Schmutz zog; sogar an diese schlampige Achtelnegerin, die Orry geheiratet hatte, hätte sie sich wenden können. Aber der Teufel sollte sie holen, wenn sie vor denen zu Kreuze kroch und um mildtä-tige Unterstützung bat. Sie wollte erst dann mit ihnen in Verbindung treten, wenn sie die Voraussetzungen dazu diktieren konnte.