»Um so besser mögen wir die hervorragenden Eigenschaften unserer Errungenschaften einzuschätzen lernen; besonders hervorheben wollen wir unseren ernsthaften Wunsch, die Freundschaft zu den anderen Mitgliedern dieser großen Familie von Nationen zu kultivieren ...«
Viertausend Menschen füllten schnell die Sondertribünen vor der Memorial Hall, aus Granit erbaut und mit einer großen Glaskuppel überdacht. In ihrem Inneren gab es dreitausendzweihundert Gemälde, mehr als sechshundert Skulpturen und in einem getrennten Gebäude etwas vollkommen Neues zu sehen: eine Ausstellung von mehr als zweitausendachthundert Fotos.
»... die modernen Menschen dieser Welt, die sich mit Agrikultur, Handel und industrieller Produktion beschäftigen, sind eingeladen worden, hier Zeugnis von ihren Fähigkeiten abzulegen ...«
Ein Symphonieorchester spielte die Hymnen der sechzehn hier vertretenen Nationen. Da das Gastland keine offizielle Nationalhymne besaß, spielte das Orchester >Hail, Columbia<.
»Auf unsere Einladung erfolgte ein vielfältiges Echo.«
Trommeln und Kornetts kündigten um zehn Uhr dreißig den Präsidenten mit Gattin und Kaiser Dom Pedro II. und Kaiserin Teresa von Brasilien an. Nie zuvor hatte ein regierender Monarch die Vereinigten Staaten besucht. Eine gewaltige Militäreskorte aus Soldaten und Matrosen begleitete sie zur Plattform.
»Die Leiter dieser Ausstellung überlassen es Ihnen heute, die Schönheit und Nützlichkeit dieser Beiträge selbst zu beurteilen.«
Das Orchester spielte den >Inaugurationsmarsch zur Jahrhun-dertfeier<, ein neues, von Wagner komponiertes Stück. Nach einem Gebet, einer Hymne, einer Kantate und der Präsentation der Gebäude sprach der Präsident:
»Wir sind stolz auf das, was wir geleistet haben, und bedauern gleichzeitig, nicht mehr geleistet zu haben.«
Grant beendete seine Rede um zwölf. Begleitet von einer Orgel, sang ein achthundert Personen umfassender Chor Händels >Halleluja-Chor<. Glocken begannen zu läuten. Von einem Hügel oberhalb von Fairmount Park feuerte eine Artillerieeinheit einen hundertschüssigen Salut ab.
»Und jetzt, liebe Mitbürger, hoffe ich, daß eine sorgfältige Begutachtung der Ausstellungsstücke bei Ihnen nicht nur einen umfassenden Respekt für das Können und den Geschmack unserer Freunde aus anderen Nationen erzeugen wird...«
Marshalls ordneten die Würdenträger der Vereinigten Staaten und diejenigen aus dem Ausland zu einer langen Prozession, die sich entlang der Gehwege auf die Maschinenhalle zubewegte.
». sondern Sie auch zufriedenstellen wird, was die Errungenschaft unseres eigenen Volkes während der vergangenen hundert Jahre anbelangt.«
In der Halle kletterten Präsident Grant und Kaiser Dom Pedro die Eisenstufen zu dem zweizylindrigen Wunder und Glanzstück der Ausstellung hoch, der Jahrhundertmaschine. Zwanzig in einem anderen Gebäude untergebrachte Dampfkessel trieben das sechsundfünfzig Tonnen schwere Schwungrad der 1.400 PS starken Maschine. George Corliss führte eine der beiden silberbeschlagenen Kurbeln vor, mit denen sich die Maschine starten ließ. Unten starrte George Hazard inmitten der anderen Bevollmächtigten sprachlos die Mammutmaschine an. Er war dankbar, erschöpft, kam sich verloren vor in der gewaltigen Menschenmenge. Er konnte einfach nicht glauben, daß nach so vielen Monaten des Kampfes und der Zweifel der Moment doch noch gekommen war. Dom Pedro drehte an seiner Kurbel. Präsident Grant drehte seine. Die großen Pleuel begannen auf und ab zu stampfen. Dann stieg um George herum ein wortloses Seufzen wie ein rauschender Wind auf, und dann hörte er all die anderen Menschen in der Halle. Drehend, knirschend, stampfend - alle angetrieben von der Corliss-Maschine, ein Musterbeispiel für die industrielle Macht der Vereinigten Staaten.
»Ich erkläre die internationale Ausstellung für eröffnet.«
George schrieb:
Bitte sei mein Gast für ein Familientreffen der Mains und Hazards bei der Ausstellung zur Hundertjahrfeier in Philadelphia. Es wird mir eine Ehre sein, für sämtliche Reisekosten sowie für Kost und Logis aufzukommen. Beginn Samstag, den 1. Juli.
»Als ich Los Angeles vor drei Jahren zum erstenmal sah«, sagte Billy, »war nicht viel dran. Nur ungepflasterte Straßen und ein paar alte Lehmhäuser. Jetzt reißen wir das alles ab und bauen Hotels, Warenlager, Kirchen. Die Stadt wird einen gewaltigen Aufschwung nehmen. Bald werden wir sechzigtausend statt sechstausend Einwohner haben. Ich habe die Zukunft meiner Familie darauf gebaut.«
Sein Gesprächspartner, ein Pfarrer der Unitarier, hielt seinen Hut fest, damit ihn die Seebrise nicht davontrug. Der kleine Ausflugsdampfer hatte gerade vom Pier von Santa Monica abgelegt und fuhr nun die Küste hoch auf Santa Barbara zu. Es war ein herrlicher Morgen; auf den Wogen des Pazifiks zeigten sich einige kleine, weiße Schaumkronen.
»Sie sind Bauingenieur, sagten Sie.«
»Von der Ausbildung her.« Billy war jetzt einundvierzig, und je gewichtiger er wurde, desto stärker ähnelte er seinem Bruder George. Sein Backenbart war mit Grau durchsetzt. Er trug einen teuren Anzug. »Eigentlich verbringe ich mehr Zeit mit der Entwicklung und dem Verkauf von Bauplätzen.«
»Schon viele Kunden?«
»Nein, aber ich rechne mit der Zukunft.« Er lehnte sich an die Reling; Enthusiasmus blitzte in seinen Augen. »Die Transkontinentalverbindung brachte uns letztes Jahr siebzigtausend Besucher und Neuankömmlinge. Und das ist erst der Anfang. Wir haben alles, verstehen Sie. Platz für neue Städte. Herrliche Landschaft. Gesunde Luft. Ein angenehmes Klima. Ich bin in Pennsylvania aufgewachsen. Manchmal träume ich vom Schnee, aber vermissen tue ich ihn nicht.«
Brett, mittlerweile etwas kräftiger geworden, kam mit ihrem Jüngsten, dem zweijährigen Alfred, an der Hand über das Deck. Billy stellte Brett dem Geistlichen vor, der sich erkundigte: »Ist dieser hübsche Bursche Ihr einziges Kind?«
Sie lachte. »Oh nein. Wir haben vier Mädchen und noch zwei Jungs. Unser ältester Sohn ist elf. Er paßt auf die anderen in unseren Kabinen auf.«
»Und Sie fahren alle mit dem Zug nach Philadelphia?« Der Geistliche war erstaunt.
»Ja«, sagte Billy. »Zuerst aber fahren wir die Küste hoch und zeigen unseren Kindern alles. Wir haben eine dieser Concord-Kutschen ganz für uns allein, denke ich.«
»Sie müssen sehr glücklich sein, wieder einmal in die Heimat zu kommen«, sagte der Pfarrer.
Billy lächelte. »Ich freue mich, nach all den Jahren meine Familie wiederzusehen. Aber unsere Heimat ist Kalifornien.«
Brett schob ihren Arm unter den seinen und folgte seinem Blick, vorbei an dem Pier und dem Ufer hoch zu den bläulich schimmernden Bergen.
George las eine Weile im Scientific American. Er saß in einem Plüschsessel im Schreibzimmer des Pennsylvania Building mit Blick zur Fountain Avenue, einer der beiden Hauptpromenaden, die das Ausstellungsgelände kreuzten. Das Gebäude, ein überladener Bau in neogotischem Stil, war das Werk des jungen Schwarzmann, eines bayerischen Architekten, der auch noch einige andere Hauptgebäude entworfen hatte. Das Haus war natürlich das größte der vierundzwanzig von den einzelnen Staaten geförderten Gebäude, da Philadelphia der offizielle Gastgeber war. Objektiv betrachtet wußte George, daß es ein entsetzlicher Anblick war. Die Leute von Philadelphia befürchteten, es könnte auf Dauer im Fairmount Park stehenbleiben. Berücksichtigte man allerdings den gesamten Ausstellungsplan, dann konnte ein Bürger von Lehigh Station schon stolz darauf sein, und das war er auch. George war in diesem Jahr sehr beschäftigt gewesen - sogar die letzten drei oder vier Jahre, was die Ausstellung anbelangte. Er war einer der sieben Vizepräsidenten der privaten Kommission für die Hundertjahrfeier und Mitglied des Finanzausschusses. Er hatte geholfen, eine Million Dollar an Staatsmitteln aufzutreiben. Außerdem hatte er sich sehr für die Franko-Amerikanische Union eingesetzt und geholfen, einen Teil von Bartholdis geplantem Monument auf das Ausstellungsgelände zu bringen. Die Statue selbst sollte auf Bedloe's Island im Hafen von New York errichtet werden, sollte sie je fertiggestellt werden. Wie George dem Journalisten Levie vorausgesagt hatte, war der Zeitgeist konservativ, und selbst ein direktes Geschenk der Franzosen wirkte verdächtig.