Zwei Tage später fand sie den Knopf, der von Banquo Collins' Hose abgesprungen war. Nachdem sie ihn untersucht und erneut geheult hatte, legte sie ihn in ihre Schachtel.
Teuflische Hitze senkte sich über Santa Fe. Die Leute bewegten sich so wenig wie möglich. Jeden Abend saß sie auf ihrem harten Stuhl, ohne zu wissen, was sie tun, wie sie entrinnen sollte.
Sie lächelte nicht. Kein Kunde wollte sie. Senora Vasquez-Reil-ly begann zu klagen und drohte ihr mit Rausschmiß. Es kümmerte sie nicht.
MADELINES JOURNAL
Juli 1865. Gestern in der Stadt gewesen. Shermans haben darauf bestanden, daß mich Andy fährt, um mich zu beschützen. Komisch, so im Wagen zufahren, wie eine weiße Herrin mit ihrem Sklaven. Während der Fahrt war es leicht, sich kurz in die alte Zeit zurückversetzt zu fühlen.
In Charleston war das unmöglich. Von Coopers Firma in der Concord Street blickte man auf langgestreckte, leere Lagerhäuser, wo Truthahngeier nisteten. Er war nicht da, also hinterließ ich eine Nachricht, daß ich ihn später besuchen würde.
Nach dem großen Feuer von '61 ist kaum was wiederaufgebaut worden. Das verbrannte Gebiet sieht aus, als hätte General Sherman es besucht. Ratten und wilde Hunde treiben sich zwischen geschwärzten Kaminmauern und unkrautüberwucherten Fundamenten herum. Viele Häuser in der Nähe der Battery sind von Granaten beschädigt. Das Haus von Mr. Leverett Dawkins in East Bay ist jedoch verschont geblieben ...
Sollte es einen fetteren Mann als den alten Unionsanhänger Dawkins geben, so war Madeline ihm jedenfalls noch nicht begegnet. Dawkins war um die Fünfzig und steckte in makelloser, speziell für ihn geschneiderter Kleidung; er hatte Schenkel so dick wie Wassermelonen und einen Bauch wie eine mit Drillingen schwanger gehende Frau. An der Salonwand hinter ihm hing die unvermeidliche Ansammlung von Porträts seiner Vorfahren. Als Madeline eintrat, saß Dawkins bereits in seinem riesigen handgefertigten Stuhl und blickte über den Hafen auf die Ruinen von Fort Sumter. Er haßte es, wenn ihn jemand dabei beobachtete, wie er lief oder sich setzte.
Sie erkundigte sich nach den Hypotheken von Mont Royal. Es gab zwei, die sich auf sechshunderttausend Dollar beliefen und von Banken in Atlanta gehalten wurden. Dawkins erklärte, seine eigene Palmetto-Bank würde bald eröffnen und er würde seinen Vorstand bitten, die Hypotheken zu kaufen und zu konsolidieren. »Mont Royal ist eine gute Sicherheit. Ich möchte die Papiere gern in der Hand haben.«
Sie beschrieb ihm die Idee mit der Sägemühle. In dem Punkt war er weniger ermutigend.
»Für solche Pläne werden wir kaum Darlehen lockermachen können. Vielleicht kann der Vorstand ein paar tausend Dollar für einen Schuppen, einige Sägegruben und die Jahreslöhne für einen Negerarbeitstrupp auftreiben. Falls Sie Neger finden können.«
»Ich hatte daran gedacht, Dampfmaschinen zu installieren und ...«
»Ausgeschlossen, wenn sie das Geld für den Kauf borgen müssen. Es gibt so viele, die mit dem Wiederaufbau beginnen möchten und um Hilfe bitten. Dies ist ein verwundetes Land, Madeline. Schauen sie sich nur in der Stadt um.«
»Das habe ich getan. Nun, es ist sehr großzügig von Ihnen, Leverett, mir bei den Hypotheken zu helfen.«
»Bitte, betrachten Sie das nicht als Wohltätigkeit. Die Plantage ist wertvoll - eine der besten in diesem Bezirk. Der Eigentümer, Ihr Schwager, ist ein angesehenes Mitglied der Gesellschaft. Und Sie als Verwalterin sind ebenfalls jedes Risiko wert. Eine ungemein verantwortungsbewußte Bürgerin.«
Er meint, dachte sie traurig, ich sei keine Unruhestifterin. Für wie verantwortlich würde er sie wohl halten, wenn er von ihrem nächsten Besuch wüßte?
... Es wird also nicht so flott vorangehen, wie ich hoffte.
Begab mich dann zum Büro für befreite Negersklaven. Ein streitsüchtiger kleiner Mann mit hartem Akzent, der sich Brevet Colonel Orpha C. Munro nannte, aus >Vuh-mont<, empfing mich. Sein offizieller Titel lautet >Sub-Assistant Commissioner, Charleston Dis-trict<.
Ich trug meine Bitte vor. Er meinte, er sei überzeugt davon, das Büro könne einen Lehrer finden. Er wird mich benachrichtigen. Ich verließ das Büro mit dem Gefühl, ich hätte eine kriminelle Tat begangen.
Als ich merkte, wie spät es war, schickte ich Andy alleine los und ging zur Tradd Street, um Judith vor meinem Treffen mit Cooper zu besuchen. Judith überraschte mich mit der Mitteilung, Cooper sei nach dem Mittagessen zu Hause geblieben.
»Anstatt zurück in die Firma zu gehen, blieb ich hier, um an den Sachen hier zu arbeiten«, sagte Cooper. Im braunen Gras des von Mauern umgebenen Gartens lagen Bleistiftskizzen eines Piers für die Carolina Shipping Company. Vom Haus herüber drang eine zögernde Version von Mozarts 21. Klavierkonzert, auf einem völlig verstimmten Instrument gespielt.
Cooper wandte sich an seine Frau. »Könnten wir Tee oder einen halbwegs vernünftigen Ersatz dafür haben?« Judith lächelte und zog sich zurück. »Nun, Madeline, was steckt hinter diesem unerwarteten, erfreulichen Besuch?«
Sie setzte sich auf eine rostende, schwarz gestrichene Eisenbank. »Ich möchte auf Mont Royal eine Schule gründen.«
Cooper wollte sich gerade nach den Skizzen bücken; sein Kopf fuhr hoch, und er starrte sie an. Das dunkle Haar hing ihm in die blasse Stirn. Seine tiefliegenden Augen blickten vorsichtig. »Was für eine Art von Schule?«
»Eine Schule, in der all denen, die lernen wollen, Lesen und Rechnen beigebracht wird. Die befreiten Neger im Bezirk benötigen unbedingt eine Grundausbildung, wenn sie überleben wollen.«
»Nein.« Cooper knüllte sämtliche Skizzen zusammen und warf den Ball unter einen Azaleenbusch. Sein Gesicht hatte sich gerötet. »Nein. Das kann ich dir nicht erlauben.«
Genauso emotional sagte sie: »Ich frage dich nicht um Erlaubnis, ich erweise dir lediglich die Höflichkeit, dich über meine Absichten zu informieren.«
Ein flachbusiges junges Mädchen steckte ihren Kopf aus einem hohen Fenster im oberen Stock. »Papa, was schreist du denn so? Oh, Tante Madeline. Guten Tag.«
»Guten Tag, Marie-Louise.«
Coopers Tochter war dreizehn. Sie würde sich nie zu einer Schönheit entwickeln und schien sich dieses Mangels durchaus bewußt zu sein; sie bemühte sich sehr, das mit jungenhafter Energie und viel Lächeln wettzumachen. Die Leute mochten sie; Madeline bewunderte sie.
»Geh rein, und übe weiter«, schnappte Cooper.
Marie-Louise schluckte und zog sich zurück. Wieder ertönte der Mozart. Die richtigen und die falschen Töne hielten sich ungefähr die Waage.
»Madeline, darf ich dich daran erinnern, daß die Wogen der Emotionen gegen Nigger und gegen die Leute, die sie unterstützen, sehr hoch gehen. Es wäre närrisch, diese Emotionen noch stärker herauszufordern. Du kannst keine Schule eröffnen.«
»Cooper, ich sag' es noch einmal, das ist nicht deine Entscheidung.« Sie versuchte ihn sanft zu behandeln, aber die Botschaft war unvermeidlich hart. »Du hast mir schriftlich das Management der Plantage übertragen. Ich habe nicht die Absicht, zurückzustecken. Ich werde eine Schule gründen.«
Er schritt auf und ab, funkelte sie an. Dies war ein neuer, eindeutig unfreundlicher Cooper Main; diese Seite von ihm hatte sie noch nie zu sehen bekommen. Das Schweigen dehnte sich aus. Madeline versuchte die Sache zu überspielen. »Ich hatte gehofft, dich auf meiner Seite zu finden. Bildung für Schwarze verstößt schließlich nicht mehr gegen das Gesetz.«
»Aber es ist unpopulär.« Er zögerte, platzte dann heraus: »Wenn du die Leute reizt, werden sie sich keine Zurückhaltung mehr auferlegen.«
»Zurückhaltung in welcher Beziehung?«