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»In bezug auf dich! Jeder schaut nach der anderen Seite, tut so, als wärst du nicht - na ja, du weißt schon. Wenn du mit einer Schule anfängst, werden sie nicht mehr so tolerant sein.«

Madelines Gesicht war weiß. Sie hatte damit gerechnet, daß irgend jemand ihr irgendwann ihre Abstammung vorhalten würde, aber sie hätte niemals erwartet, daß es ihr eigener Schwager sein könnte.

»Hier ist der Tee.«

Mit hüpfenden Locken trug Judith ein Tablett mit angeschlagenen Tassen und Untertassen die Treppen hinunter. Auf der letzten Stufe hielt sie inne, als sie den Sturm auf dem Gesicht ihres Mannes bemerkte.

»Ich fürchte, Madeline muß gehen«, sagte er. »Sie hat nur kurz hereingeschaut, um mir was über Mont Royal zu erzählen. Ich danke dir für deine Höflichkeit, Madeline. Zu deinem eigenen Besten, ändere deine Meinung. Guten Tag.«

Er wandte ihr den Rücken zu und begann unter der Azalee nach den zusammengeknüllten Zeichnungen zu suchen. Judith ließ diese Unhöflichkeit regungslos auf der untersten Stufe erstarren. Madeline verbarg, wie verletzt sie war, tätschelte Judiths Arm, eilte über die Eisenstufen nach oben und rannte aus dem Haus.

... Dabei bleibt's im Moment. Ich fürchte, ich habe ihn mir zum Feind gemacht. Wenn es so ist, geliebter Orry, dann habe ich wenigstens seine Freundschaft um einer Sache willen verloren, die es wert ist.

Eine Nachricht ist gekommen! Gerade zwei Wochen nach meinem Besuch bei Col. Munro. Die Gesellschaft zur Hilfe der befreiten Negersklaven der Methodist Episcopal Church, Cincinnati, wird eine Lehrerin schicken. Ihr Name ist Prudence Chaffee.

Cooper schweigt. Noch kein Anzeichen von Vergeltung.

6

In Jefferson Barracks, Missouri, bildete die U.S. Army Kavallerierekruten aus. Das Ausbildungslager lag am Westufer des Mississippi, einige Meilen südlich von St. Louis.

Als Charles dort eintraf, untersuchte ihn ein Vertragsarzt auf falsche Zähne, sichtbare Tumoren, Anzeichen von Geschlechtskrankheiten und Alkoholismus. Für gesund erklärt, kommandierte man ihn weiter, zusammen mit einem früheren Korsettverkäufer aus Hartford, der erklärte, er habe Sehnsucht nach dem großen Abenteuer, einem Rauhbein aus New York City, der kaum etwas sagte und wahrscheinlich vor einer ganzen Menge davonrannte, einem Zimmermann aus Indiana, der erklärte, er sei eines Morgens erwacht und habe festgestellt, daß er seine Frau hasse, einer Plaudertasche von einem Jungen, der sagte, er habe gelogen, was sein Alter anbelangte, und einem gutaussehenden Mann, der gar nichts sagte. Als die Rekruten bei einer heruntergekommenen Baracke ankamen, deutete ein weißhaariger Corporal auf den schweigsamen Mann.

»Französische Fremdenlegion. Kann kaum ein Wort Englisch. Jesus Maria, kriegen wir nicht wirklich alle? Und das für verdammte dreizehn Dollar im Monat.« Er musterte Charles. »Ich hab' deine Papiere geseh'n. Reb, nicht wahr?«

In dem Punkt war Charles empfindlich. Wegen seines Akzentes hatte er schon mehrere scharfe Blicke auf sich gezogen und einmal sogar >verdammter Verräter< hinter seinem Rücken munkeln hören. Er hätte gern gehässig reagiert, erinnerte sich jedoch an Jack Duncans Warnung und sagte bloß: »Ja.«

»Nun, das ist mir wurst. Mein Cousin Fielding war auch ein Rebell. Wenn du ein ebenso guter Soldat bist wie er, dann bringst du Uncle Sam mehr Nutzen als diese ganze verdammte Bande da. Viel Glück.« Er trat einen Schritt zurück und brüllte: »Los, Leute! Hier rein, und sucht euch eine Schlafstelle. Beeilt euch! Dies ist verdammt noch mal kein Hotel.«

Charles legte einen Eid auf die Verfassung ab. Es machte ihm keine Mühe, hatte er es doch bereits in West Point einmal getan. Und als der Krieg zu Ende war, hatte er beschlossen, seinen Sohn als Amerikaner zu erziehen, nicht als Südstaatler.

Das viele Blau befremdete ihn. Die hellblauen Hosen mit den gelben Streifen und die langweiligen grauen Hemden erinnerten ihn an die Second Cavalry. Ebenso die Baracken mit ihrer schlechten Luft, den rauchigen Lampen, den schmalen Fenstern und den Ratten, die man nachts lärmen hörte. Dasselbe mit der Verpflegung: Wie gut kannte er den Armeezwieback und die zähen Fleischbrocken zum Mittagessen, die am Abend in einer dicklichen Sauce ertränkt wurden. Das Fleisch schmeckte tatsächlich besser mit der Sauce, weil sie überdeckte, daß es bereits leicht verdorben war. Jefferson Barracks erwies sich nicht so sehr als Trainingslager denn als Rekrutierungsstelle. Die Rekruten wurden ausgesandt, sobald die für ein Regiment benötigte Anzahl von Reservisten beisammen war. So konnte die Ausbildung zwei Monate oder zwei Tage dauern. Das sprach nicht gerade für die Nachkriegsarmee, dachte Charles.

Bei den meisten Ausbildern handelte es sich um ältere Unteroffiziere, die die Zeit bis zu ihrer Pensionierung totschlugen. Charles gab sich viel Mühe, vor ihren Augen einen unerfahrenen und ungeschickten Eindruck zu machen. Während einer Reitstunde auf ungesatteltem Pferd fiel er absichtlich herunter.

Er mühte sich durch den Waffenunterricht, und bei Schießübungen traf er niemals den Bullen, sondern immer nur den Rand der Karte. Er kam damit durch, bis ein Ausbilder krank wurde und ein rüpelhafter Corporal namens Hans Hazen die Gruppe übernahm. Er war ein übler Bursche; einer der Männer erzählte, er sei als Sergeant dreimal degradiert worden.

Hazen nahm Charles nach dem Säbeldrill beiseite.

»Kavallerist May, ich hab' so das komische Gefühl, du bist gar kein Militia-Mann aus Carolina. Du versuchst einen ungeschickten Eindruck zu machen, aber ich hab' ein paar deiner Bewegungen geseh'n, als du dachtest, ich schaute woanders hin.« Sein Kinn stieß vor, und er brüllte: »Wo bist du ausgebildet worden? West Point?«

Charles blickte auf ihn herab. »Wade Hampton Legion, Sir.«

Hazen wedelte mit einem Finger. »Wenn ich dich beim Lügen erwische, dann geht's dir dreckig. Ich hasse Lügner fast so wie die Snobs aus West Point - oder euch Südstaatenjungs.«

»Jawohl, Sir«, sagte Charles laut. Er starrte Hazen weiter an. Hazen wandte zuerst den Blick ab, was ihn vor Zorn und Scham rot werden ließ.

»Ich will seh'n, aus was für 'nem Holz du geschnitzt bist. Hundert Runden im Reitring, auf die Schnelle. Jetzt sofort. Marsch!«

Corporal Hazen blieb ihm auf den Fersen, brüllte ihn an, kritisierte ihn, befragte ihn täglich nach seiner Vergangenheit und zwang ihn zu immer neuen Lügen. Trotz Hazen - auf merkwürdige Weise vielleicht gerade seinetwegen, denn Hazen erkannte einen erfahrenen Soldaten - war Charles froh, wieder in der Armee zu sein. Schon immer hatte er die verläßliche Routine von Trompetensignalen und Drill gemocht. Noch immer lief ihm eine Gänsehaut über den Rücken, wenn die Trompeten Boots and Saddles bliesen.

Er hielt sich abseits und suchte auch keinen Partner. Die meisten Soldaten taten sich zusammen, um sich gegenseitig ihre Arbeitslast zu erleichtern und ihr Elend zu teilen, aber er vermied das. Auf diese Weise überlebte er drei Wochen, allerdings nicht ohne einige plötzliche Anfälle von Verzweiflung. Gedanken an die Vergangenheit überwältigten ihn, ein ausgebranntes Gefühl machte sich in ihm breit, und er schimpfte sich einen Narren, weil er das Armeeblau übergestreift hatte. In dieser Art von Stimmung verließ er an einem Samstagabend das Lager und ging über die Hauptzugangsstraße hinüber zu der namenlosen Stadt aus Zelten und Hütten.

Hier lebten viele Unteroffiziere zusammen mit ihren Frauen, die im Lager Wäsche wuschen, um den Sold aufzubessern. Hier verhökerten Zivilisten fragwürdigen Whisky in großen Zelten, fügsame Osage-Indianer verkauften Bohnen und Kohl von ihren nahegelegenen Farmen, und elegante Gentlemen veranstalteten nächtelange Poker- und Faropartien. Charles hatte sogar gesehen, wie einige dämliche Rekruten ganz ernsthaft auf Drei-Karten-Monte oder auf die unter drei Patronenhülsen versteckte Erbse gesetzt hatten.