MADELINES JOURNAL
Juli 1865. Drei weitere Neger eingestellt, macht insgesamt sechs. Die Palmetto Bank hat 900 Dollar für Holzoperationen genehmigt. Gestern haben wir begonnen, die erste Sägegrube auszuheben. Andy S. leitet die Arbeit bis Mittag, fällt mit zwei anderen Männern Bäume in dem großen Zypressenhain bis vier und bestellt dann sein eigenes Grundstück bis zum Einbruch der Dunkelheit. Jeder neue Arbeiter erhält fünf Acres, seinen Lohn und einen Anteil von dem, was wir an Ernte oder Holz verkaufen.
Cassandra, Nemos Frau, erwartete mehr als fünf Acres. Weinend zeigte sie mir ein Bündel Grenzpfähle, rot, weiß und blau bemalt. Die arme, arglose Frau hat ihren letzten Dollar dafür gegeben. Der weiße Händler, der ihr diesen bösen Streich gespielt hat, ist längst über alle Berge. Traurig und erstaunlich, wie die Not bei einigen das Beste zum Vorschein bringt, bei anderen das Schlimmste ...
»Bemalte Grenzpfähle?« Johnson tobte.
»Jawohl, Mr. President. Für zwei Dollar an Farbige in South Carolina verkauft.«
Andrew Johnson knallte den von einem Band zusammengehaltenen Bericht auf seinen Schreibtisch. »Mr. Hazard, das ist schändlich.«
Der siebzehnte Präsident der Vereinigten Staaten war ein dunkelhäutiger Mann von achtundvierzig. Er befand sich in cholerischer Stimmung. Sein Besucher, Stanley Hazard, hielt ihn für pöbelhaft. Was sonst konnte man von einem Hinterwäldlerschneider erwarten, der kaum hatte lesen oder schreiben können, bevor es ihm seine Frau beigebracht hatte? Johnson war nicht einmal Republikaner. 1864 hatte er sich als Kandidat der National Union Party auf Lincolns Seite geschlagen.
Er mochte ein pöbelhafter Demokrat sein, aber nichtsdestoweniger verlangte Andrew Johnson immer noch eine Erklärung. Seine schwarzen Augen glühten, als Stanley mit leicht zitternden Händen nach dem Bericht griff. Stanley war einer von Edwin Stantons Abteilungsleitern im Kriegsministerium. Unter anderem war er für das Büro für befreite Negersklaven zuständig, einen administrativen Zweig des Ministeriums.
»Jawohl, Sir, es ist schändlich«, sagte er. »Ich kann Ihnen versichern, daß das Büro damit nichts zu tun hatte. Weder Minister Stanton noch General Howard würden einen derart grausamen Scherz tolerieren.«
»Und was ist mit dem Gerücht, durch das der Schwindel ausgelöst wurde? Jeder freie Neger da unten kriegt zu Weihnachten ein Maultier und vierzig Acres? Vierzig Acres - abzustecken in patriotischen Farben. Wer hat diese Geschichte verbreitet?«
Schweiß zeigte sich auf Stanleys bleichem, dicklichem Gesicht. Warum war Howard, Chef des Büros, ausgerechnet jetzt fort, da er sich ins Präsidentenbüro zitieren lassen mußte? Warum konnte er nicht mit Nachdruck antworten oder sich wenigstens an einige von Howards religiösen Platitüden erinnern? Er sehnte sich nach einem Drink.
»Nun, Herr Abteilungsleiter?«
»Sir«, Stanleys Stimme zitterte, »General Saxon versicherte mir, daß Agenten des Büros in South Carolina nichts getan hätten, was diesem Gerücht eine Grundlage gegeben oder bei den Negern falsche Hoffnungen hätte erwecken können.«
»Woher stammt es dann?«
»Soweit wir wissen, Sir, von einer beiläufigen Bemerkung von ...« Er räusperte sich. Er haßte es, ein wichtiges Mitglied seiner eigenen Partei zu kritisieren, aber er mußte an seinen Job denken, sosehr er ihn auch verabscheute. »Eine Bemerkung des Kongreßabgeordneten Stevens.«
Damit hatte er einen Pluspunkt errungen. Johnson schnüffelte, als würde er verdorbenes Fleisch riechen. Stanley fuhr fort. »Er sagte etwas über Beschlagnahmung und Umverteilung von dreihundert Millionen Acres Rebellenland. Vielleicht ist dies Mr. Stevens' Wunsch, doch im Büro existieren weder so ein Programm noch Pläne dafür.«
»Und trotzdem breitete sich die Geschichte bis South Carolina aus, nicht wahr? Und ermöglichte es skrupellosen Gaunern, diese bemalten Grenzpfähle im großen Stil zu verkaufen, nicht wahr? Ich glaube nicht, daß Sie das ganze Ausmaß des Schadens erfassen, Hazard. Das Gerücht mit den vierzig Acres und dem Maultier ist nicht nur eine grausame Täuschung der Neger, sondern es bringt auch genau die Weißen gegen uns auf, die wir als Arbeitspartner zurückgewinnen wollen. Ich verabscheue die Klasse der Plantagenbesitzer genauso wie Sie ...« Mehr, dachte Stanley. Johnsons Haß auf Aristokraten war Legende. »Aber die Verfassung sagt mir, daß sie niemals die Union verlassen haben, weil die Verfassung allein den reinen Akt der Sezession unmöglich macht.«
Er lehnte sich vor, wie ein fanatischer Schullehrer. »Deshalb besteht mein Programm für den Süden lediglich aus drei simplen Punkten. Die geschlagenen Staaten müssen die Kriegsschuld der Konföderierten anerkennen. Sie müssen ihre Sezessionsabsichten verwerfen. Und sie müssen die Sklaverei ächten, indem sie den dreizehnten Zusatzartikel zur Verfassung ratifizieren. Mehr wird von ihnen nicht verlangt, weil die Bundesregierung, rein verfassungsmäßig, nicht mehr fordern kann. General Sherman hatte dies leider nicht begriffen, als er mit seinem Felderlaß Nr. 15, der jetzt wieder - Gott dem Allmächtigen sei Dank - aufgehoben ist, Küsten- und Flußgebiete illegal konfiszierte. Ihr Büro versteht das nicht. Ihr redet munter und fröhlich vom Wahlrecht, wo es doch Sache des individuellen Staates ist, zu bestimmen, wer sich als Wähler qualifiziert. Und niemand scheint zu begreifen, daß wir mit der Drohung, ihr Land wegzugeben, die Herzen genau jener Südstaatler noch weiter verhärten, die wir wieder in unserem Stall haben wollen. Wollen Sie mir die Schuld daran geben, daß ich beunruhigt bin? Ich unterschreibe täglich Hunderte von Begnadigungen, und dann erhalte ich diesen Report.«
»Mr. President, ich muß bei allem Respekt wiederholen, daß das Büro in keiner Weise verantwortlich ist für ...«
»Wer sonst hat das Versprechen mit diesen vierzig Acres in die Welt gesetzt? Da es keinen offensichtlichen Schuldigen gibt, mache ich das Büro verantwortlich. Teilen Sie das freundlicherweise Mr. Stanton und General Howard mit. Und jetzt werden Sie mich entschuldigen.«
Momentan war Stanley Hazards Leben das pure Elend. Um es erträglich zu machen, genehmigte er sich regelmäßig schon vor acht Uhr morgens den ersten Drink. In seinem Schreibtisch in dem alten Gebäude, in dem vorübergehend das Büro für befreite Negersklaven untergebracht war, hielt er zahlreiche Weine und Brandys unter Verschluß. Trank er während des Tages zuviel und verstand deshalb eine Frage nicht oder stolperte oder ließ etwas fallen, so murmelte er stets die gleiche Entschuldigung: Er fühlte sich schwach. Aber damit täuschte er nur wenige.
Stanley hatte genügend Gründe, sich elend zu fühlen. Vor Jahren hatte ihm sein jüngerer Bruder George jegliche Kontrolle über die Eisenwerke der Familie entzogen. In seinem tiefsten Inneren wußte Stanley, warum. Er war inkompetent.
Seine um zwei Jahre ältere Frau war eine ehrgeizige Harpyie. Sie hatte ihm Zwillingssöhne geboren, Laban und Levi, die so oft in der Klemme steckten, daß Stanley ein Sonderkonto eingerichtet hatte, um Richter und Gefängnisbeamte zu bestechen und schwangere Mädchen zu bezahlen. Die Zwillinge waren achtzehn, und Stanley schaufelte verzweifelt Bestechungsgeld -Isabel bezeichnete es als >philantropische Spenden< - nach Yale und nach Dartmouth, um die Zulassung der Jungs zu erreichen und sie so aus dem Haus zu kriegen. Er konnte sie nicht ertragen.
Paradoxerweise konnte er auch den gewaltigen Reichtum weder ertragen noch mit ihm umgehen, den er während des Krieges mit dem Schuhgeschäft angehäuft hatte. Die Fabrik oben in Lynn stand nun zum Verkauf. Isabel beharrte darauf, daß sie aus dem Geschäft ausstiegen, weil jetzt bald wieder der alte Konkurrenzkampf herrschte. Stanley wußte, daß er seinen Erfolg nicht verdient hatte.