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Ihr Vater muß ein besonderer Mann gewesen sein, der sich nicht der weitverbreiteten Meinung unterwarf, daß Bildung für junge Mädchen Verschwendung ist - sogar gefährlich, da höhere Mathematik für das weibliche Gehirn zu belastend ist und die allgemeinen Wissenschaften zu grob und anstößig sind. Zusätzlich besitzt sie Gottvertrauen und eine gute Ausbildung, die sie im Western College für Frauen erhalten hat.

Sie kam mit einem Koffer voller Kleider, ihrer Bibel und einem halben Dutzend von McGuffeys Ausgewählten Werken< hier an. Bei einer armseligen Reismahlzeit versuchte ich ihr gleich am ersten Abend ganz offen darzulegen, welchen Hindernissen wir uns gegenübersehen, was vor allem die Nachbarn anbelangt.

Dazu sagte sie: »Mrs. Main, ich habe um eine solche Situation gebetet. Kein Rückschlag kann mich entmutigen. Ich gehöre zu den wenigen Glücklichen, die Paulus im Römerbrief beschreibt: Jene, die gegen alle Hoffnung hofften.< Ich bin hier, um zu unterrichten, und ich werde unterrichten.«

Orry, ich glaube, ich habe eine Vertraute gefunden - und eine Freundin.

... Prudence setzt mich weiterhin in Erstaunen. Habe sie heute morgen mit zum Schulhaus genommen, das bereits auf halbem Weg zu den verlassenen Sklavenquartieren im Bau ist. Lincoln - der Neger, den wir zuletzt eingestellt haben - deckt das Dach von Hand mit Zypressenlatten. Prudence meinte, das sei ihre Schule, also sollte sie auch ihren Anteil dazu beitragen. Worauf sie ihre Röcke schürzte, sie zusammenknotete und die Leiter hochkletterte. Lincoln schaute verblüfft und verlegen drein, überwand das aber schnell, als sie Nägel einzuschlagen begann, als hätte sie nie etwas anderes gemacht. Später fragte ich sie danach.

»Papa hat es mir beigebracht. Er meinte, ich müsse darauf vorbereitet sein, unter allen Umständen für mich selbst sorgen zu können. Ich glaube, er dachte - obwohl er es nie laut aussprach -, kein Mann würde je ein häßliches Entlein, noch dazu Anhängerin der Sklavenbefreiung, heiraten wollen. Vielleicht werde ich eines Tages heiraten, ich sagte ja, ich habe noch Hoffnung. Aber ob es nun so kommt oder nicht, es ist jedenfalls immer gut, wenn man was vom Zimmermannshandwerk versteht. Irgendwas Nützliches zu lernen ist gut. Deshalb unterrichte ich.«

... Heute morgen im Dixie Store gewesen, den ich seit der Wiedereröffnung nicht mehr gesehen hatte. Hinter dem Tresen begrüßte mich der rundliche Mr. Randall Gettys höchstpersönlich.

Beweise für seine literarischen Ambitionen standen deutlich sichtbar in einer alten Holzkiste am Fußboden. Gebrauchte Bücher von Poe, Coleridge, die Romane von Gilmore Simms, alles wahrscheinlich von einem verarmten Landbesitzer billig erworben. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, wer sie - auch wenn sie pro Exemplar nur fünf Cent kosten - kaufen soll.

Beweise für Mr. Gettys' politische Ansichten waren noch augenfälliger auf dem Tresen aufgebaut - ein ordentlicher Stapel von Exemplaren von >Das Land, das wir lieben<, eine von mehreren Publikationen, die dem traurigen Glauben anhängen, die Sache des Südens sei noch nicht verloren ...

Gettys legte eine übertriebene Höflichkeit an den Tag, drängte sich unangenehm dicht an Madeline. Seine runden, drahtgefaßten Brillengläser funkelten. Ein gewaltiges weißes Taschentuch bauschte sich aus der Brusttasche seines schmierigen Kittels. Selbst frisch rasiert verlieh ihm sein dunkler Bart ein verschwommen schmutziges Aussehen.

Madeline bemerkte die Fülle der Waren in den Regalen. »Ich wußte gar nicht, daß Sie so gut versorgt sind. Und daß Sie das Kapital für diese Warenmengen haben.«

»Ein Verwandter in Greenville hat das Geld zur Verfügung gestellt«, sagte Gettys glatt. Sie sah, daß er ihre Brüste musterte, während er sich das Kinn mit dem Taschentuch abwischte. »Es ist mir ein ungemeines Vergnügen, Sie begrüßen zu dürfen, Mrs. Main. Was haben Sie heute morgen für Wünsche?«

»Bis jetzt noch keine. Ich möchte gern Ihre Preise wissen.« Sie deutete auf ein Faß. »Dieses Saatgut zum Beispiel.«

»Einen Dollar pro Scheffel. Und ein Viertel der produzierten Ernte oder den Gegenwert in bar. Für Farbige der doppelte Preis.«

»Randall, ich bin froh, daß der Laden wieder aufgemacht hat, aber ich glaube nicht, daß wir diese Art von Preistreiberei im Bezirk ertragen können.«

Sie sagte es ohne jede Erbitterung, doch es brachte ihn sofort in Rage. Er legte seine schleimige Höflichkeit ab. »Was wir nicht ertragen können, ist diese verfluchte Schule. Eine Schule für Nigger!«

»Und für jeden Weißen, der sich weiterbilden will.«

Gettys ignorierte die Bemerkung. »Es ist eine Schande. Außerdem ist es Verschwendung. Ein Nigger kann nichts lernen. Sein Gehirn ist zu klein. Er taugt nur dazu, unser Holz zu sägen, unser Wasser zu schöpfen, genau wie die Schrift es sagt. Wenn ein Nigger auch nur einen Funken Intelligenz besitzt, dann entzündet Bildung lediglich seine Urinstinkte und ruft Haß auf die ihm Übergeordneten hervor.«

»Lieber Gott, Randall, ersparen Sie mir diese alte Litanei.«

»Nein, Ma'am«, rief er. »Das werde ich nicht. Wir haben den Krieg verloren, aber nicht den Verstand. Die weißen Bürger dieses Bezirks werden nicht zulassen, daß sie afrikanisiert werden.«

Müde drehte sie sich um und ging zur Tür.

»Sie hören besser auf meine Worte«, brüllte er. »Sie haben eine faire Warnung gekriegt.«

Sie hatte ihm den Rücken zugewandt, und so konnte er ihr Gesicht nicht sehen. Unglücklich dachte sie an Coopers Brief über Desmond LaMotte. Wie viele würden sich gegen sie wenden?

Samstag. Der Schuppen für die Sägemühle fertig, an der Uferbank, so daß die Stämme verschifft werden können, falls dieser Dienst je wieder aufgenommen wird. Mit beträchtlichem Stolz habe ich zugesehen, wie unsere beiden Mulis den ersten Zypressenstamm anschleppten. Lincoln auf ebener Erde, Fred unten in der Grube, so wurde der Stamm mit der zweihändigen Säge gespalten. Die Methode ist antiquiert, die Arbeit kann einem das Kreuz brechen, doch bevor wir Dampfkraft haben, gibt es keine andere Möglichkeit. Es ist ein Anfang.

Prudence möchte morgen die Kirche besuchen. Wir werden sie mitnehmen .

Heute morgen in der Kirche St. Joseph von Arimathea gewesen. Ich wünschte, wir wären nicht gegangen ...

Als Madeline den Wagen anhielt und die Pferde festband, bemerkte sie, wie zwei Männer der Kirchengemeinde ihre Zigarren fortwarfen und in die kleine, gekalkte Kirche huschten, in der schon Generationen von Episkopalfamilien aus dem Bezirk gebetet hatten.

Madeline und Prudence trugen ihre besten Hüte. Sie näherten sich der Doppeltür. Die Musik der winzigen Kirchenorgel verstummte quietschend, als Vater Lovewell, ein recht onkelhafter Priester, in den Eingang trat. Hinter ihm drehten sich die Mitglieder der Kirchengemeinde auf den sonnenhellen Bänken um und starrten die beiden Frauen an. Madeline entdeckte viele Leute, die sie kannte. Sie sahen nicht freundlich aus.

»Mrs. Main ...« Die rosigen Wangen des Priesters glänzten vor Schweiß, der mehr und mehr seine Brille beschlagen ließ. Er senkte seine Stimme. »Das ist höchst bedauerlich. Ich bin aufgefordert worden, Sie darauf aufmerksam zu machen, daß, äh, Farbige hier nicht beten dürfen.«

»Farbige?« wiederholte sie, als hätte er sie geschlagen.

»Richtig. Wir haben keine getrennten Balkons, und ich kann Sie nicht länger in die Familienloge lassen.« Sie sah, daß ihre Sitze, die zweiten von vorn links, leer waren. Ihre Selbstbeherrschung geriet ins Wanken.