Das Tipi füllte sich mit den üppigen Düften von kochendem Kaffee und brutzelndem Pökelfleisch. Mit einem fast irren Ausdruck der Konzentration auf seinem Gesicht hockte Boy vor dem Feuer und hielt mit der behandschuhten Rechten die Bratpfanne über das Feuer.
»Ich werde ein Pferd brauchen«, sagte Charles.
»Ich hab' ein Ersatzpferd, das ich aus dem Indianerterritorium mitgebracht habe. Ein starrköpfiger Sohn des Satans, den niemand kaufen würde. Wenn du ihn reiten kannst, kannst du ihn haben.«
»Muß ich mich erst qualifizieren, um dein Partner zu werden?«
Der Händler schaute ihn mit zusammengekniffenen Augen an. »Darauf läuft's hinaus.«
»Ich bin immer noch ziemlich zerschlagen. Einen wilden Gaul zu reiten wird's nicht besser machen.«
Achselzuckend stimmte Holzfuß zu. »Schätze, wir können ein paar Tage warten.«
Charles rieb seine schmerzenden Rippen und dachte darüber nach. »Nein. Bringen wir's hinter uns.«
Dichter Nebel verbarg das Gelände um Holzfuß' Tipi herum, das er westlich der Zeltstadt nahe Jefferson Barracks errichtet hatte. Der Händler führte Charles zu dem Pferd, das in einiger Entfernung von den anderen Sattelpferden und Packmulis angebunden war. Das kleine, geschmeidige Pferd war schwarzweiß gescheckt, mit einer breiten Gesichtsblesse.
»Ich glaub', er ist ein Killer«, sagte Holzfuß und griff nach dem tiefhängenden Ast, an dem der Strick vom Zaumzeug festgebunden war. »Sollte ihn wohl besser erschießen.«
»Paß auf«, schrie Charles und stieß Jackson beiseite, als das Pferd sich aufbäumte. Die Vorderhufe wirbelten an der Stelle durch den Nebel, an der der Händler eben noch gestanden hatte.
»Verstehst du?« sagte er und rappelte sich wieder hoch. »Ich hab' ihn eingebrochen, aber niemand kann ihn reiten. Zweimal war ich schon dicht dran, ihm eine Kugel in den Kopf zu jagen.«
Charles fühlte sich unbehaglich, angespannt. Er dachte an seinen letzten Ritt auf Sport in Virginia. Sport hatte Charles mit einer Feindeskugel im Leib in höchstem Tempo und mit größter Aufopferung in Sicherheit gebracht, während sein Blut in den Schnee spritzte. Sport war ein Pferd gewesen, das niemand gewollt hatte.
»Versuche nicht, ihn vor meinen Augen umzubringen«, sagte er. »Ich hab' im Krieg ein Kavalleriepferd verloren, einen feinen Grauen. Ich kann nicht zusehen, wie jemand ein Pferd verletzt.«
Trotzdem verstand er die Befürchtungen des Händlers. Der Schecke hatte Mord in den Augen. Doch Charles sah auch einige Tugenden. Leichtigkeit und Behendigkeit - er schätzte das Pferd auf ungefähr tausend Pfund -, einen feinen Nacken und die kleinen Hufe und den kleinen Kopf, typisch für ein Südstaatenpferd.
»Indianerpferd, sagtest du?«
»Yep. Die Armee macht sie kaputt. Stopft sie mit Korn voll, so daß sie vergessen, sich von Gras zu ernähren. Macht sie schwach und langsam. Wird dem hier nicht passieren. Der lebt nicht so lang.«
»Warten wir's ab. Wo sind Sattel und Decke?«
Dichter Nebel wogte um sie herum. Holzfuß band den Strick wieder an den Baum. In lauschender Haltung näherte sich Charles dem Schecken. »Ist ja gut«, sagte er, ihm die Decke überwerfend. »Ist ja gut.«
Der Schecke hob den rechten Vorderhuf. Charles' Bauchdecke spannte sich. Der Huf senkte sich wieder, und der Schecke schnaufte aus. Charles sattelte ihn vorsichtig, Holzfuß einen überraschten Blick zuwerfend, als das Gewicht des Sattels keine Gegenwehr auslöste. Er verstand das nicht. Vielleicht steckte in diesem wunderschönen Kopf irgendein unauslotbarer Schuß Wahnsinn.
Er rollte die Steigbügel aus und stieg langsam auf, sowohl aus Schmerz als auch aus Vorsicht. Der Schecke stand still, drehte nur den Kopf, um den Reiter ins Blickfeld zu kriegen. Aus der Ferne riefen vom Armeeposten Signalhörner zum Morgenappell.
Ruhig sagte Charles: »Bind ihn los.«
Holzfuß duckte sich und knüpfte den Strick hastig los. Charles nahm das Seil, wickelte es um eine Hand, zog einmal leicht.
Während Charles urplötzlich gen Himmel schoß, sein linkes Bein verkrümmt aus dem Steigbügel gerissen wurde, dachte er, Jackson würde ihn töten müssen. Er zog dem Schecken eins über die Kruppe, als er runterkam, dann flog er in den Dreck; das Pferd wieherte und schlug aus. Nach dem Aufprall fühlte er sich, als wären überall in seinem Körper Fackeln angezündet worden. Ein Huf riß seine Stirn auf, bevor er zur Seite rollte und seinen Armeecolt zog. Wahnsinnige Schmerzen durchzuckten ihn, während er kniend mit beiden Händen den Revolver in Anschlag brachte und darauf wartete, daß das Pferd erneut auf ihn losging.
Der Schecke schnaubte, stampfte, blieb aber stehen. Boy umklammerte von hinten die Taille seines Onkels, spähte zu dem Pferd und dem Mann mit dem Revolver hinüber.
»Besser, du schießt, Main.«
»Nein, erst wenn - Moment mal. Ist mir zuvor nicht aufgefallen. Siehst du den blutigen Schaum an seinem Maul?«
Grämlich verneinte Jackson das. Charles wußte, daß Männer in Jacksons Alter häufig Probleme mit den Augen hatten. Er steckte den Colt weg und näherte sich vorsichtig dem Pferd.
»Laß mich mal sehen«, sagte er mit besänftigender Stimme. »Bleib schön still, und laß mich sehen.« Sein Herz hämmerte; in den Augen des Schecken lag wieder dieser mörderische Ausdruck.
Aber er ließ es zu, daß Charles sanft seine Kiefer auseinanderzog und das blutige Stück entblößte. Vor lauter Erleichterung brach Charles in Gelächter aus. »Komm her, und schau dir das an. Aber nicht so hastig.« Holzfuß schob sich hinter ihn. »Da hast du deinen Killer. Ein vereiterter Backenzahn. Läßt man die Zügel in Ruhe, dann ist mit ihm alles in Ordnung. Zieht man dran, spielt er verrückt.«
»Ist mir entgangen«, sagte Holzfuß. »Ist mir, verdammt noch mal, vollkommen entgangen.«
»Kann leicht passieren.« Charles zuckte mit den Schultern; er wollte dem älteren Mann nicht sagen, daß er sich eine Brille kaufen sollte. »Sobald wir einen Pferdedoktor finden, der den Zahn hinkriegt, ist mit ihm wieder alles in Ordnung.«
»Du behältst ihn also?«
»So war's abgemacht, oder? Möchtest du ihn streicheln, Boy? Kannst du ruhig.«
Holzfuß' Neffe drängelte vor; eine freudige Beschwingtheit zeigte sich auf seinem weißen Gesicht. Er berührte den Schecken und lächelte. Der Händler seufzte, die Anspannung löste sich.
»Dann mußt du ihm einen Namen geben, Charlie.«
Charles stellte sich neben Boy, tätschelte das Pferd und dachte kurz nach. »Hmm. Der Name sollte so sein, daß die Leute Respekt vor ihm haben und ihn nicht zum Narren halten. Sie brauchen ja nicht zu wissen, daß er ganz sanft ist.« Wieder tätschelte er das Pferd. »Du hast gesagt, der Teufel hätte ihn gezeugt. Ich werde ihn nach seinem Papa nennen. Satan.«
»Verdammt gut«, brüllte der Händler und hüpfte mit erstaunlicher Beweglichkeit in einer Art Tanz von seinem guten Fuß auf seinen künstlichen Fuß. »Verdammt gut, oh, verdammt gut. Der Trupp hier ist wieder im Geschäft.«
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