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»Diese streunende Katze hat das Pferd erschreckt. So fing das an.« Charles fielen seine Manieren ein, und er zog seinen alten Strohhut.

»Prosperity ist keine Streunerin. Sie gehört zum Theater.« Die junge Frau deutete auf die Tafel auf dem Gebäude. »Ich bin Mrs. Parker.«

»Charles Main, Ma'am. Glauben Sie mir, ich gehe nicht immer gleich so in die Luft, nur wenn jemand ein Pferd mißhandelt.«

Ein breitschultriger Neger half dem Kutscher, die Bretter hineinzutragen. Es war schwer zu sagen, was den Kutscher verdrossener stimmte: die Prügel oder daß er mit einem Neger zusammenarbeiten mußte.

Mrs. Parker sagte: »Nun, wenn das ein Fehler ist, dann wenigstens für einen guten Zweck.«

Charles reagierte auf die Bemerkung mit einem Nicken und setzte seinen Hut auf, bereit zum Gehen. Die junge Frau fügte hinzu: »In unserem Aufenthaltsraum gibt's Wasser, wenn Sie sich die Hände waschen möchten.«

Er sah, daß seine Hände blutverschmiert waren, als er sich nach seinem Revolver bückte. Irgend etwas in ihm weigerte sich, von einer Frau auch nur eine beiläufige Gefälligkeit anzunehmen, aber trotzdem sagte er: »Gut. Danke.«

Sie betraten die düstere Fläche hinter der Bühne. Mit seltsamen Schritten näherte sich ein gewichtiger Mann von der Bühne, die im strahlenden Glanz der Kalklichter lag. Er ging vornübergebeugt; auf seinen Rücken hatte er ein großes Kissen wie einen Buckel gebunden. Die Zunge hing ihm aus dem Mundwinkel. Seine baumelnden Hände schwangen wie ein Pendel hin und her. Auf einmal richtete er sich auf.

»Willa, wie soll ich mich auf den Winter meiner Unzufriedenheit konzentrieren, wenn hundert Müßiggänger vor meiner Tür einen Aufstand machen?«

»Es war kein Aufstand, Sam, nur eine kleine Diskussion. Mr. Main, mein Partner, Mr. Samuel Trump.« Sie deutete auf das Kissen. »Wir proben >Richard der Dritte<.« Charles dachte, das sei Shakespeare, wollte aber nicht durch eine Frage seine Unwissenheit verraten.

Trump sagte: »Habe ich die Ehre, einen Thespisjünger, einen Kollegen, begrüßen zu dürfen, Sir?«

»Nein, Sir, ich fürchte nicht. Ich bin Händler.« Es überraschte ihn ein bißchen, das zum erstenmal auszusprechen.

»Handeln Sie mit den Indianern?« fragte die junge Frau. Er bejahte. »Sie klingen wie ein Südstaatler«, fuhr sie fort. »Haben Sie in der Armee gedient?«

»Das hab' ich. Ich ritt vier Jahre lang bei General Wade Hamptons Kavallerie.«

»Ein Glück, daß Sie ohne Schramme davongekommen sind«, erklärte Trump. Charles hielt es für überflüssig, einer derart albernen Feststellung zu widersprechen.

Mrs. Parker erzählte Trump, was draußen geschehen war, wobei sie Charles schmeichelte und seinen brutalen Zornesausbruch verharmloste. »Ich habe Mr. Main gesagt, er könne sich im Aufenthaltsraum säubern.«

»Selbstverständlich«, sagte Trump. »Falls Sie eine Aufführung unserer neuesten Produktion sehen möchten, Sir, empfehle ich Ihnen frühzeitige Platzreservation. Ich rechne mit einem ausverkauften Theater, vielleicht bekommen wir sogar ein Angebot, mit dieser Produktion nach New York zu gehen.«

Willa schenkte ihm ein klägliches Lächeln. »Sam, du weißt, das bedeutet Pech.«

Trump beachtete sie nicht. »Adieu, meine lieben Freunde. Meine Kunst ruft mich.« Mit baumelnden Händen schob er sich wieder seitwärts auf die Bühne und bellte: »Das grimm'ge Gesicht des Krieges hat seine Falten geglättet ...«

»Hier entlang«, sagte Willa zu Charles.

Sie schloß die Tür des großen, unaufgeräumten Aufenthaltsraumes, um Prosperity für eine Weile einzusperren. Auf einem kleinen Sofa, an dem ein Bein fehlte, schnarchte ein Gentleman vor sich hin; die handgeschriebene Rolle bedeckte sein Gesicht.

Prosperity sprang auf seinen Bauch und begann sich zu putzen. Der Schauspieler rührte sich nicht.

Willa zeigte Charles ein Waschbecken mit sauberem Wasser, das auf einem Tisch zwischen Make-up-Töpfen, Bürsten und Puderdosen stand. Sie reichte ihm ein sauberes Handtuch.

»Danke.« Er war sich seiner eigenen Unbeholfenheit nur zu bewußt. Seit Gus Barclays Tod hatte er die Gesellschaft von Frauen gemieden. Sein Besuch bei der Zeltstadthure war fast ohne Konversation abgelaufen.

Mit dem feuchten Handtuch säuberte er seine Hände vom Blut. Willa verschränkte ihre Arme und musterte ihn. »Wie nennen Sie dieses Kleidungsstück, das Sie da tragen? Ein Cape? Einen Poncho?«

»Das ist mein Zigeunermantel. Ich hab' ihn stückweise zusammengenäht, zu der Zeit, als die Uniformen zerfetzt waren und Richmond keine neuen mehr schicken konnte.«

»Ich weiß wenig vom Krieg, nur das, was ich gelesen habe. Ich war erst fünfzehn, als der Krieg begann.«

So jung. Er ließ das Handtuch neben dem Becken fallen; das Wasser hatte sich rötlich gefärbt. »Bevor Sie fragen, sage ich es Ihnen. Ich hab' nicht für die Sklaverei gekämpft, und die Sezession war mir auch verdammt egal. Ich verließ die U.S. Army. um für meinen Staat und das Heim meiner Familie zu kämpfen.«

»Ja, Mr. Main, aber der Krieg ist vorbei. Es gibt keinen Grund, so angriffslustig zu reagieren.«

Er entschuldigte sich; er hatte selbst nicht bemerkt, daß er zornig klang. Es lag eine gewisse Ironie darin. Zu wie vielen Männern hatte er gesagt, daß der Krieg vorüber sei?

»Es war eine schlimme Zeit, Mrs. Parker. Läßt sich schwer vergessen.«

»Vielleicht hilft Ihnen etwas Erfreuliches dabei. Sie haben vorhin da draußen eine menschliche Tat vollbracht. Sie haben eine Belohnung verdient. Ich würde Sie gern zum Abendessen einladen, wenn ich darf.«

Der Kiefer klappte ihm herunter. Sie lachte. »Ich habe Sie schockiert. Das war nicht meine Absicht. Sie müssen das Theater verstehen, Mr. Main. Es ist ein einsames Geschäft. Und deshalb klammern sich die Theaterleute aneinander. Da gibt es sehr wenig konventionelle Formalität. Wenn sich eine Schauspielerin nach einem freundschaftlichen Gespräch sehnt, dann ist es nicht schändlich, wenn sie einen Kollegen darum bittet. Ich vermute, von außen sieht es nicht so unschuldig aus. Kein Wunder, daß Prediger uns für ein loses, gefährliches Volk halten. Ich versichere Ihnen«, sie sagte es leichthin, aber doch gezielt, »ich bin weder das eine noch das andere.«

»Nun, ich könnte es mir auch nicht vorstellen, da Sie ja verheiratet sind.«

»Ah - Mrs. Parker. Das ist lediglich Bequemlichkeit. Das hält einige der Männer, die sich am Bühneneingang drängen, auf Distanz. Ich bin nicht verheiratet. Ich suche mir nur meine Freunde lieber selber aus.« Ihr Lächeln war warm und herzlich. »Ich wiederhole mein Angebot. Möchten Sie mir beim Abendessen Gesellschaft leisten? Sagen wir morgen abend? Heute abend proben wir.«

Beinahe hätte er nein gesagt. Doch irgend etwas veranlaßte ihn, das Gegenteil zu sagen. »Es wäre mir ein Vergnügen.«

»Und kein Streit darüber, daß eine schlichte Frau die Rechnung zahlt?«

Er lächelte. »Kein Streit.«

»Sieben Uhr dann? Das New Planter's House in der Fourth Street?«

»Gut. Ich werde versuchen, mich anständig herzurichten.«

»Sie sehen großartig aus. Das Bild eines galanten Kavalleristen.« Sie schockte ihn mit ihrer lockeren Offenheit. »Bis morgen.«

»Jawohl. Ma'am.«

»Oh nein, bitte. Belassen wir es bei Willa und Charles.« Er nickte und marschierte hinaus.

Während er von Laden zu Laden ging und die Sachen kaufte, die er benötigte, versuchte er sich darüber klarzuwerden, weshalb er sich auf diese Einladung zum Abendessen eingelassen hatte. War es schlicht der Hunger auf die Gesellschaft einer Frau? Oder die Art und Weise, wie sie sich ihm genähert hatte, mit unerwarteter Offenheit und in Umkehrung der üblichen Rollenverteilung? Er wußte es nicht. Er wußte lediglich, daß ihn die junge Schauspielerin faszinierte, und das beunruhigte ihn in zweierlei Hinsicht. Er fühlte sich wegen Gus Barclay schuldig, und er war sich der potentiellen Schmerzen nur zu sehr bewußt, die sogar in einer Freundschaft lagen.