»Ich werde ihn trotzdem genießen.« Lächelnd nahm Hampton seine Tasse. Madeline setzte sich auf eine Kiste, neben einen Strauch gelben Jasmin, den sie so liebte.
»Ich bin gekommen, um mich nach Ihrem Befinden zu erkundigen«, sagte er zu ihr. »Mont Royal gehört nun Ihnen.«
»In gewissem Sinne ja. Ich besitze es nicht.«
Wade Hampton zog eine Augenbraue fragend in die Höhe, und sie erklärte ihm, daß Tillet Main die Plantage seinen Söhnen Orry und Cooper gemeinsam hinterlassen hatte, trotz seiner langjährigen Meinungsverschiedenheit mit Cooper, was die Sklaverei anbelangte. Am Ende hatten Blutsbande und Tradition in Tillet die Oberhand gewonnen über Zorn und Ideologie. Wie den meisten Männern seines Alters und seiner Zeit waren Tillet seine Söhne wichtig, weil er seinen Besitz schätzte und die geschäftlichen und finanziellen Fähigkeiten von Frauen gering achtete. Als er sein Testament schrieb, machte er sich lediglich die Mühe, jeder seiner beiden Töchter, Ashton und Brett, eine gewisse Geldsumme zukommen zu lassen, in der Annahme, daß sie von ihren Ehemännern versorgt würden. Das Testament besagte weiter, daß im Falle des Todes eines Sohnes dessen Besitzanteil direkt an den Bruder fiel.
»Deshalb ist jetzt Cooper der Alleineigentümer, aber er hat mir großzügig erlaubt, hierzubleiben, schon allein Orrys wegen. Ich leite die Plantage und habe Anspruch auf den Gewinn, solange er der Besitzer ist und ich die Hypothekarzinsen zahle. Ich bin natürlich auch für alle laufenden Ausgaben zuständig, aber das versteht sich wohl von selbst.«
»Und Sie sind durch dieses Arrangement abgesichert? Ich meine, ist es legal und bindend?«
»Absolut. Einige Wochen nach Orrys Tod legte Cooper diese Vereinbarung schriftlich fest. Das Dokument macht die Sache unwiderruflich.«
»Nun, da ich weiß, wie sehr die Leute aus Carolina Familienbanden und Familienbesitz achten, nehme ich an, daß Mont Royal den Mains stets erhalten bleiben wird.«
»Ja, davon bin ich überzeugt.« Das war ihr einziger, sicherer Halt. »Unglücklicherweise haben wir momentan weder irgendwelche Einnahmen, noch besteht Aussicht darauf. Auf Ihre Frage nach unserem Wohlergehen kann ich nur sagen, wir kommen schon irgendwie über die Runden.«
»Vermutlich darf keiner von uns zur Zeit mehr erwarten. Gegen Ende des Monats wird meine Tochter Sally Colonel Johnny Haskeil heiraten. Das ist wenigstens ein Lichtblick.« Er nippte an seiner Tasse. »Köstlich. Was haben Sie von Charles gehört?«
»Vor zwei Monaten bekam ich einen Brief. Er schrieb, er hoffe, wieder bei der Armee unterzukommen, draußen im Westen.«
»Soviel ich weiß, tun das sehr viele Konföderierte. Ich hoffe, sie behandeln ihn anständig. Er war einer meiner besten Scouts. Iron Scouts, so nannten wir sie. Er wurde dem Namen gerecht, obwohl ich gestehen muß, daß ich gegen Ende zu gelegentlich ein merkwürdiges Benehmen bei ihm feststellte.«
Madeline nickte. »Es fiel mir auf, als er in diesem Frühjahr heimkam. Der Krieg hat ihn verletzt. Er verliebte sich in eine Frau in Virginia, die dann bei der Geburt seines Sohnes starb. Er hat den Jungen nun bei sich.«
»Eine Familie ist Balsam gegen den Schmerz«, murmelte Hampton. Er nahm einen weiteren Schluck. »Und jetzt sagen Sie mir, wie es Ihnen wirklich geht.«
»Wie ich schon sagte, General, wir überleben. Niemand hat das Thema meiner Herkunft auf den Tisch gebracht, also bleibt mir wenigstens das erspart.«
Sie blickte ihn an, während sie sprach, wollte ihn auf die Probe stellen. Hamptons von der vielen frischen Luft gegerbtes Gesicht blieb unbewegt. »Natürlich habe ich davon gehört. Es spielt keine Rolle.«
»Ich danke Ihnen.«
»Madeline, ich habe nicht nur vorbeigeschaut, um mich nach Charles zu erkundigen, sondern ich wollte Ihnen auch ein Angebot machen. Wir alle befinden uns in einer schwierigen Situation, aber Sie müssen alleine damit fertig werden. Skrupellose Männer beider Rassen treiben sich auf den Straßen herum. Sollten Sie zu irgendeinem Zeitpunkt eine Zuflucht nötig haben oder falls Sie sich mal von dem zu hart gewordenen Überlebenskampf ausruhen wollen, dann kommen Sie nach Columbia. Mein und Marys Heim steht Ihnen immer offen.«
»Das ist sehr freundlich«, sagte sie. »Glauben Sie nicht, daß es mit dem Chaos in South Carolina bald ein Ende haben wird?«
»Nein, nicht so bald. Aber wir können es beschleunigen, wenn wir unerschütterlich für das eintreten, was richtig ist.«
Sie seufzte. »Und was ist das?«
Er blickte auf den glitzernden Fluß. »In Charleston haben mir einige Gentlemen das Kommando einer Expedition zur Gründung einer Kolonie in Brasilien angetragen. Eine Sklavenhalterkolonie. Ich lehnte ab. Ich antwortete ihnen, dies hier sei meine Heimat und ich dächte nicht länger in den Kategorien von Norden und Süden; für mich gibt es nur noch ein Amerika. Wir haben gekämpft, wir haben verloren, das Thema einer getrennten Nation auf diesem Kontinent ist erledigt. Nichtsdestoweniger sind wir in South Carolina mit einem umfassenden Negerproblem konfrontiert. Ihr Status hat sich geändert. Wie sollen wir uns verhalten? Nun, der Neger war uns als Sklave treu, also glaube ich, wir sollten ihn auch als freien Mann anständig behandeln. Ihm Gerechtigkeit vor unseren Gerichtshöfen zugestehen. Ihm das Wahlrecht geben, falls er dafür in Frage kommt, so wie dem weißen Manne auch. Wenn wir das tun, dann werden sich die herumstreunenden Horden auflösen, der Neger wird wieder South Carolina als seine Heimat und den weißen Mann als seinen Freund betrachten.«
»Glauben Sie das wirklich, General?«
Er runzelte leicht die Stirn, vielleicht aus Verärgerung. »Jawohl, das tue ich. Nur volle Gerechtigkeit und Mitgefühl können die Schuld dieses Staates mildern.«
»Ich muß sagen, Sie bringen den Schwarzen gegenüber mehr Großherzigkeit auf als die meisten anderen.«
»Nun, sie stellen für uns sowohl eine praktische als auch eine moralische Angelegenheit dar. Unsere Ländereien sind zerstört, unsere Häuser niedergebrannt, unser Geld und unsere Wertpapiere sind wertlos, und Soldaten haben vor unseren Türen Quartier bezogen. Sollen wir alles noch schlimmer machen, indem wir so tun, als wäre unsere Sache nicht verloren? Daß sie sich selbst jetzt noch irgendwie halten kann? Ich glaube, wir haben von Anfang an für eine verlorene Sache gekämpft. Ich hielt mich dem speziellen Konvent 1860 fern, weil ich die Sezession als unglaubliche Dummheit betrachtete. Sollen wir unsere Illusionen noch einmal durchleben? Sollen wir Repressionen geradezu provozieren, indem wir den ehrenhaften Bemühungen, die Union wiederherzustellen, Widerstand leisten?«
»Sehr viele Leute möchten Widerstand leisten«, sagte sie.
»Wenn Gentlemen wie Mr. Stevens und Mr. Sumner mich zu gesellschaftlicher Gleichheit mit den Negern zwingen wollen, dann werde ich auch Widerstand leisten. Doch jenseits davon können wir den Wiederaufbau schaffen, wenn Washington vernünftig ist und wir vernünftig sind. Wenn unsere Leute sich an ihre alten Narrheiten klammern, dann lösen sie damit lediglich eine neue Form des Krieges aus.«
Wieder seufzte sie. »Ich hoffe, der gesunde Menschenverstand behält die Oberhand, obwohl ich mir dessen nicht sicher bin.«
Hampton erhob sich und nahm ihre Hand in seine Hände. »Vergessen Sie mein Angebot nicht. Eine Zuflucht, falls Sie je eine nötig haben sollten.«
Impulsiv küßte sie ihn auf die Wange. »Sie sind ein gütiger Mann, General. Gott segne Sie.«
Er bestieg seinen herrlichen Hengst und galoppierte davon; nach einer halben Meile, dort, wo der von Bäumen gesäumte Weg auf die Flußstraße traf, entschwand er ihren Blicken.
Gegen Sonnenuntergang schlenderte Madeline durch das brachliegende Reisfeld und dachte über Hamptons Worte nach. Für einen stolzen Mann, der eine schwere Niederlage erlitten hatte, blickte er bemerkenswert optimistisch in die Zukunft. Außerdem hatte er recht mit dem, was er über die Schuld von South Carolina gesagt hatte. Falls der Süden seine traditionellen Verhaltensweisen wieder aufleben ließ, dann würden die Radikalen Republikaner nur zu gern zurückschlagen.