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„Ja, das tue ich allerdings. Man will mich an diesen Rallion ketten. Weshalb, das weiß ich nicht. Man will mich sogar zwingen. Aber ich werde widerstehen.“

„Man will diesen Widerstand brechen.“

„Dadurch, daß man mich meiner Freiheit beraubt?“

„Ja. Man will sich hier bei Ihnen, während Sie schlafen, einschleichen und Sie mit Chloroform betäuben.“

„Schrecklich!“ sagte sie, sich leise schütteln.

„Dann können Sie nicht sprechen, nicht um Hilfe rufen, sich nicht wehren. In diesem Zustand bringt man Sie in das Gefängnis.“

„Kennen Sie diesen Ort?“

„Ich vermute es.“

„Und ich sage Ihnen, daß sie ihren Zweck doch nicht erreichen würden. Ich gehe auf ihre Absichten auf keinen Fall ein.“

„Man läßt Sie hungern und dürsten.“

„So verhungere ich.“

„Davon wurde allerdings gesprochen. Aber für diesen Fall berieten sie ein Mittel, welches – – –“

Er hielt ein. Sie fragte:

„Welches Mittel?“

„Es ist nicht nur eine Gottlosigkeit, sondern noch schlimmer. Ich sehe mich gezwungen, ihnen auch das noch mitzuteilen. Im Falle selbst Hunger und Durst ohne Erfolg sein sollten, wollte der Kapitän seinen Komplicen Rallion bei Ihnen einschließen.“

Es entstand eine Pause. Marion schwieg; sie antwortete nicht. Er hörte einen tiefen, tiefen Seufzer, und erst nach einer längeren Zeit flüsterte sie:

„Wer hätte das glauben können! Wie schrecklich! Kann es wirklich Menschen geben, welche solcher Schandtaten fähig sind. Monsieur Müller, welchen Dank, welchen großen Dank bin ich Ihnen schuldig.“

Sie suchte im Dunkel seine Hand und drückte dieselbe herzlich. Er hätte am liebsten seinen Arm um sie schlingen mögen; doch beherrschte er sich und sagte einfach:

„Hier ist der Dank bereits in der Tat enthalten, gnädiges Fräulein. Ich bin ganz glücklich, Ihnen dienen zu dürfen.“

„Aber welche Dienste leisten Sie mir, welche großen, großen Dienste. Mein Gott, wie fürchterlich, wie entsetzlich, wenn es diesen beiden Menschen gelungen wäre, ihre Absicht auszuführen. Aber man mußte doch bemerken, daß ich verschwunden bin.“

„Der Kapitän wollte sagen, Sie seien verreist.“

„Ah, wie raffiniert. Ja, er ist zu allem fähig. Und Sie meinen, daß sie jetzt kommen werden?“

„Ja. Was ich hörte, läßt mich dies vermuten.“

„So mögen sie kommen. Horch! Hörten Sie etwas?“

„Nein.“

„Es war wie ein Geräusch im Wohnzimmer.“

Sie lauschten, doch ließ sich nichts hören.

„Es ist nichts gewesen“, flüsterte er. „Sie können nicht in das Zimmer, ohne den Schirm umzuwerfen.“

„Wie werden sie erschrecken, mich gerüstet zu finden. Aber, Monsieur, Sie müssen sich zeigen, und dann wird es um Ihre Stellung geschehen sein.“

„Das befürchte ich nicht. Gerade der Umstand, daß ich Mitwisser seiner Geheimnisse bin, gibt den Kapitän in meine Hand.“

„Aber er wird Sie zu entfernen suchen.“

„Das gelingt ihm nicht. Ich gehe nur dann, wenn ich selbst will.“

„Dann befinden Sie sich aber in steter Gefahr.“

„Ich fürchte dieselbe nicht. Ich habe meine Vorkehrungen getroffen. Der Alte wird sich hüten, mir nach dem Leben zu trachten.“

„Sind Sie dessen sicher?“

„Ja. Ich wollte nicht davon sprechen; aber um Sie in Beziehung auf mich zu beruhigen, will ich Ihnen sagen, daß der Kapitän den Fabrikdirektor erschossen hat.“

„Herrgott, das ist ja unmöglich! Der Direktor war ein Selbstmörder.“

„O nein. Ich bin Zeuge des Mordes. Ich war dabei.“

„O Himmel! Es ist zuviel, zuviel, was ich heute erfahre. Fast möchte ich denken, daß ich träume. Erzählen Sie.“

Er berichtete ihr den Mord, soweit er es für nötig fand. Sie war tief ergriffen; sie schauderte.

„Es ist eine Hölle, in der ich mich befinde“, sagte sie. „Und Sie machen nicht Anzeige?“

„Der Tote wäre dadurch nicht wieder lebendig geworden.“

„Aber der Mörder hätte seine Strafe gefunden.“

„Er findet sie sicher. Ich habe Gründe, noch nicht offen gegen ihn aufzutreten.“

„Er weiß also, daß Sie Mitwisser des Mordes sind?“

„Ja.“

„Das bringt Sie aber doch erst recht in Gefahr.“

„Nein. Ich habe seine Unterschrift. Geschieht mir hier etwas, so wird diese Unterschrift präsentiert, und er ist verloren. Das weiß er, und darum wird er sich hüten, irgend etwas gegen mich zu unternehmen.“

„Aber es gibt heimliche Gifte.“

„Ich bin vorsichtig.“

„Er kann sich Ihrer Person bemächtigen und Sie ebenso einsperren, wie er es mir mir zu tun beabsichtigt.“

„Das ist allerdings wahr; aber ich bin auf der Hut und werde, soweit dies noch nicht geschehen ist, meine Vorkehrungen treffen, um selbst für den Fall, daß es ihm gelänge, mich einzusperren, meine Freiheit sofort wieder zu erlangen.“

„Wie wollen Sie das anfangen?“

„Es gibt einen, welcher mich befreien würde.“

„Wirklich? Dieser eine müßte auch wissen, wo sich Ihr Gefängnis befindet!“

„Allerdings.“

„Müßte also auch die unterirdischen Gänge und Gewölbe kennen.“

„Das ist der Fall.“

„Wie? Sie haben einen Vertrauten?“

„Ja. Wünschen Sie zu wissen, wer er ist?“

„Ja, freilich! Kenne ich ihn?“

„Sie kennen ihn. Es ist Doktor Bertrands Pflanzensammler.“

Marion war außerordentlich überrascht.

„Dieser! Ah, dieser!“ sagte sie. „Der, welcher meine Nanon aus dem Wasser gerettet hat!“

„Derselbe.“

„So sind Sie mit ihm bekannt?“

„Gewiß. Wir waren ja zusammen auf dem Schiff. Ich traf ihn dann hier im Wald, und ihm habe ich es zu verdanken, daß ich in die Geheimnisse des Kapitäns eingedrungen bin.“

„Wunderbar, wunderbar!“

„Sollte ich verschwinden, so würde er alles aufbieten, um mich zu retten.“

„So können Sie ihm vertrauen?“

„Ich kann mich vollständig auf ihn verlassen.“

„Eigentümlich! Auch Nanon hat ihn im Wald getroffen; auch sie scheint ein ungewöhnliches Vertrauen in ihn zu setzen. Wissen Sie, wo er sich jetzt befindet?“

„Ja.“

„Oh, Sie können das wohl schwerlich wissen!“

Wäre es hell gewesen, so hätte sie ihn lächeln sehen. Er sagte:

„Er ist mit Nanon nach Schloß Malineau.“

„Wahrhaftig, Sie wissen es!“

„Er selbst hat es mir mitgeteilt.“

„So sind Sie allerdings mehr als nur bekannt mit ihm.“

„Wir sind geradezu Verbündete. Ich sagte Ihnen bereits, daß ich das Grab Ihrer Mutter geöffnet habe. Er war dabei.“

„Dieser Monsieur Schneeberg?“

„Ja. Er hat dann auch Ihre Mutter gesehen.“

„Wirklich? Ah! Wann?“

„Sie erschien uns, um uns zu drohen.“

„Es war ihr Geist.“

„Nein. Gnädiges Fräulein, ich wiederhole Ihnen, daß ich fest überzeugt bin, daß Ihre Mutter noch am Leben ist.“

„Sie meinen, daß sie da unten eingesperrt wurde?“

„Ja.“

„Schrecklich! Entsetzlich! Aber wir sahen sie im Turm. Sie sahen sie dann wieder. Sie hätte da ja Gelegenheit gehabt, Ihre Freiheit wiederzuerlangen.“

„Hm! Ich vermute, daß sie nicht frei sein will.“

„Nicht will? Das ist ja gar nicht denkbar!“

„Ich vermute sogar, daß sie ganz freiwillig in die Gefangenschaft gegangen ist.“

„Das kann doch nicht möglich sein!“

„O doch! Es gibt ein Mittel, ein solches Wesen zu zwingen, der Welt und allem zu entsagen.“

„Ich kenne kein solches Mittel.“