„Sind aber dann ins Wasser gestürzt.“
„Daran war nur der Kapitän schuld, der die Sache übelgenommen hatte. Ich wollte mich retirieren, gab nicht acht auf die Breite des Schiffes, stieß von rückwärts an die Barriere und stürzte kopfüber von hinten in das Wasser. Na, schwimmen kann ich; aber ich sah doch aus wie ein Pudding, als ich wieder auf das Trockene kam.“
„Das läßt sich denken. Nun aber geben Sie wohl zu, in Berlin gewohnt zu haben?“
„Sie zwingen mich dazu.“
„Und in Ungarn sind Sie nicht geboren?“
„Ich bezweifle es.“
„Und Musikus sind Sie auch nicht?“
„Fällt mir gar nicht ein! Wer so dick ist wie ich, der wird sich wohl hüten, das bißchen Luft, welches er zu schnappen bekommt, so unsinnigerweise in eine Messingtute zu blasen.“
„Und ihr Deutschenhaß –“
„Ist auch nicht weither.“
„Schön. Einverstanden. Ich nehme an, daß Sie ein sehr guter Deutscher sind?“
„Das will ich mir auch ausgebeten haben. Wer das Gegenteil behaupten wollte, dem würde ich eine ins Gesicht malen, daß er einen Sperling für das Universum ansehen sollte.“
„Nun, warum unterhalten Sie sich dann französisch?“
„Na, sprechen Sie etwa deutsch?“
„Ein klein wenig.“
„Nun, so lassen Sie uns sehen, wie weit Sie mit diesem klein wenig reichen werden. Oder haben Sie etwa geflunkert, geradeso wie ich?“
„So wie Sie nicht. Ich bin wirklich Pflanzensammler.“
„Aber ein Deutscher?“
„Ja.“
„Hm! Wie heißen Sie denn eigentlich?“
„Schneeberg.“
„Donnerwetter. Ist Ihr Vorname Fritz?“
„Ja.“
„Da brate mir einer einen Storch; aber besonders die Beine recht knusprig! Herr Fritz Schneeberg, ich kenne Sie.“
„Wirklich?“
„Ja. Darf ich mich hinüber zu Ihnen setzen?“
„Natürlich. Kommen Sie, Landsmann. Trinken wir zusammen.“
„Ja. Trinken wir zusammen, bis die Schwarte platzt.“
„Das wird wohl bei Ihnen eher geschehen als bei mir.“
„Wieso?“
„Weil die Ihrige bereits über die Maßen angespannt ist.“
„Na, es geht noch. Es ist auszuhalten. So! Doch klappen wir mit den Gläsern an. Ihre Gesundheit, Vetter!“
„Ihr Wohl! Aber – Vetter? Wieso?“
„Na, von unserer Urahne, der alten Eva, her! Ist's nicht so?“
„Das kann ich nun freilich nicht bestreiten“, antwortete Fritz, der an dem munteren Dicken Gefallen fand.
„Also! Alle Menschen sind Vettern, und alle Deutschen sind Brüder. Noch einmal prosit!“
„Prosit! Aber sprechen Sie nicht so laut!“
„Freilich, in diesem verdammten Franzosenland hat man vorsichtig zu sein. Wissen Sie, daß diese Kerls damit umgehen, auf die Deutschen loszuschlagen?“
Fritz machte ein erstauntes Gesicht und antwortete:
„Was Sie sagen! Unmöglich!“
Der Dicke blinzelte mit den Augen und sagte:
„Sie kleiner Schäker! Wollen Sie mich etwa dumm machen?“
„Ich Sie? Wieso?“
„Was ich Ihnen sagen will, wissen Sie besser als ich.“
„Besser? Wieso?“
„Na, soll ich es Ihnen etwa an den Fingern herzählen?“
„Ich begreife Sie nicht.“
„Gut, ich will mich nicht in Ihre Geheimnisse einschmuggeln. Aber ich will aufrichtiger sein als Sie und Ihnen eine Mitteilung machen, welche –“
Er blickte sich vorsichtig um.
„Was suchen Sie?“ fragte Fritz.
„Sind wir hier sicher?“
„Ja.“
„Ist jemand dort in dem Nebenzimmer?“
„Nein. Ich habe bereits nachgesehen.“
„Nachgesehen? Ah, da erwische ich Sie ja! Wer in die Stuben guckt, ob er sicher sei, der hat Veranlassung, vorsichtig zu sein. Na gut! Wenn Sie sich einen Pflanzensammler nennen, so sind Sie jedenfalls hier in dieser Gegend bekannt?“
„So leidlich.“
„Kennen Sie Schloß Ortry?“
„Ja.“
„Auch den alten Kerl, der da wohnt?“
„Sie meinen den alten Kapitän Richemonte?“
„Ja.“
„Den kenne ich.“
„Nun, der alte Knaster soll es faustdick hinter den Ohren haben, nämlich gegen die Deutschen.“
„Ich weiß, daß er die Deutschen haßt.“
„Der Mensch kauft sogar Pulver.“
Fritz, welcher das ebensogut wußte, tat doch erstaunt:
„Pulver?“ fragte er. „Wozu?“
„Na, gegen die Deutschen.“
„Will er denn Krieg mit ihnen führen?“
„Hören Sie, alter Fritze, tun Sie doch nicht wie ein neugeborenes Kind.“
„Aber wie kommen Sie denn eigentlich zu der Ansicht, daß gerade ich etwas wissen soll?“
„Ich bin überzeugt, daß Sie neben den Pflanzen noch etwas ganz anderes sammeln.“
„Was denn?“
„Pah! Zanken wir uns nicht. Ich habe bereits gesagt, daß ich mich nicht in Ihre Geheimnisse drängen möchte.“
„Aber fragen darf ich doch, wo Sie gehört haben, daß ich noch etwas anderes als Pflanzen sammle.“
„Auf Schloß Malineau und Umgegend.“
„Sie waren dort?“
„Ja. Aber davon später!“
„Nein, nicht später. Was wollten Sie dort?“
„Einen barbieren.“
„Witz!“
„Nein, Wirklichkeit! Ich wollte einen über die Ohren barbieren, nämlich einen gewissen Charles Berteu.“
„Sapperment!“
„Ja, da fahren Sie in die Luft vor Erstaunen!“
„Was haben Sie mit dem zu tun?“
„Vielerlei. Das ist meine Sache. Sie haben sich um meine Geheimnisse ebensowenig zu bekümmern wie ich mich um die Ihrigen. Aber da fällt mir ein! Haben Sie einen Bruder?“
„Nein.“
„So! Ich dachte!“
„Warum?“
„Weil ich einen Herrn gesehen habe, der Ihnen so ähnlich sieht wie ich mir selber.“
„Wo?“
„In Tharandt. Er fuhr mit mir nach Dresden und dann weiter nach Berlin, wo er sich noch befindet.“
„Wer ist es?“
„Ein Maler. Er heißt Haller.“
„Aus Stuttgart?“
„Sapperment! Sie kennen ihn?“
„Nein. Ich weiß nur, daß es in Stuttgart einen Maler gibt, welcher Haller heißt.“
„So! Die Ähnlichkeit ist wirklich ungeheuer. Aber Brüder können Sie freilich nicht sein, da Sie so verschiedene Namen haben.“
„Was war es denn, was Sie mir mitzuteilen hatten.“
„Ach so! Wegen des Pulvers.“
„Welches der alte Kapitän kauft?“
„Ja. Er bekommt eine neue Ladung.“
„Wann?“
„Heute um Mitternacht.“
„Woher wissen Sie das?“
„Ich habe – hm, das gehört auch zu meinen Geheimnissen.“
„Aber warum sprechen Sie gerade zu mir davon?“
„Weil ich denke, daß Sie als Pflanzensammler sich auch für Pulver interessieren.“
„Sie sind ein eigentümlicher Kerl!“
„Das sagt schon mein Name.“
„Wie heißen Sie denn?“
„Hieronymus Aurelius Schneffke.“
„Allerdings ein sehr poetischer Name.“
„Finden Sie das auch? Ja, meine Eltern scheinen sich in einer sehr lyrischen Stimmung befunden zu haben, als sie mir diesen Namen gaben. Doch, um wieder auf unser Pulver zu kommen, so möchte ich dabei sein.“
„Heute abend, wenn es gebracht wird?“
„Ja.“
„Wozu?“
„Um die Geschichte zu vereiteln.“
„Herr Schneffke, keine Unvorsichtigkeit, die man beinahe Vorwitz nennen möchte!“
„Unsinn! Haben Sie keine Sorge um mich! Aber es geht gar nicht anders; ich muß diesen Kerls etwas auswischen. Ich habe einen Pik auf diese beiden Menschen!“
„Wen meinen Sie?“
„Diesen Charles Berteu und seinen Freund Ribeau.“
„Bringen denn diese das Pulver?“