„Freilich.“
„Kennen Sie den Ort, wo sie abladen werden?“
„Ich habe ihn erlauscht, kenne ihn aber nicht. Gibt es hier in der Nähe Steinbrüche?“
„Einen einzigen.“
„Waren Sie bereits dort?“
„Öfters.“
„Und Sie sind überzeugt, daß es keinen zweiten gibt?“
„Ja. Ist das so wichtig?“
„Das versteht sich.“
„Warum?“
„Weil das Pulver in diesem Steinbruch abgeladen werden soll.“
„Sapperment.“
„Nicht wahr, das frappiert Sie?“
„Natürlich. Es soll also heimlich geschehen?“
„Wie es scheint. Aber ich werde ihnen diese Suppe versalzen.“
„Inwiefern?“
„Ich belausche sie.“
„Wozu?“
„Und mache dann Anzeige.“
„Die würde gar nichts nützen.“
„Was? Nichts nützen? Heimliche Pulvertransporte sind doch überall, also auch in Frankreich, verboten.“
„Hier scheinen aber gegenwärtig andere Verhältnisse zu herrschen.“
„Mag sein.“
„Also mit einer Anzeige erreichen Sie nichts.“
„So mache ich es anders.“
„Wie denn?“
„Ich sprenge den ganzen Kram in die Luft!“
„Oho!“
„Ja, das bin ich imstande.“
„Und dabei fliegen Sie selbst mit in die Luft.“
„Fällt mir gar nicht ein! Es wird hier doch wohl so etwas wie Zündschnur zu kaufen sein.“
„Ich warne Sie vor allen Unvorsichtigkeiten!“
„Aber soll ich es denn ruhig geschehen lassen, daß man hier eine Menge Pulver aufhäuft, um später uns Deutsche damit niederzuschießen?“
„Das ist allerdings nicht nötig, aber es lassen sich jedenfalls noch andere Mittel finden als Anzeige und Zündschnur.“
„Wissen Sie etwa eins?“
„Im Augenblick nicht. Ich werde nachdenken.“
„Ja, Sie denken nach, und bis Sie in sechs oder acht Wochen ein Mittel gefunden haben, ist es längst zu spät.“
„Acht Wochen brauche ich nicht. Man muß die Verhältnisse kennen; das heißt, man muß dabei sein; dann handelt man so, wie es dem Augenblick angemessen ist.“
„Alle Wetter! Hören Sie, Fritze, Sie kommen mir da ein wenig sonderbar vor. Wer hat es denn erlauscht, daß heute die Sendung stattfinden soll?“
„Nun, Sie.“
„Schön! Die ganze Geschichte ist also mein Geheimnis, mein Eigentum. Und ich soll ausgeschlossen werden?“
„So habe ich das nicht gemeint.“
„Aber Sie halten mich für einen Dummkopf. Habe ich es erst erlauscht, so bin ich doch wohl auch der Mann dazu, heute weiterzulauschen. Nicht Sie haben mich mitzunehmen, sondern ich bin der Mann, der zu entscheiden hat, ob auch Sie mitkommen dürfen. Verstanden, alter Schwede?“
„Was Sie da vorbringen, das klingt nicht ganz uneben, mein Lieber; aber ich muß Ihnen sagen –“
„Nichts müssen Sie sagen!“ fiel ihm der Dicke schnell in die Rede. „Ich bringe überhaupt niemals etwas Unebenes vor. Ich gehe heute abend nach dem Steinbruch. Will ich Sie mitnehmen, so ist das eine Gefälligkeit, die ich Ihnen erweise! Punktum!“
„Sapperment, gehen Sie los!“
„Na, gehen Sie mit los?“
„Heute abend?“
„Ja.“
„Gut; ich gehe mit.“
„Wo wohnen Sie?“
„Hier gegenüber.“
„Schön! Wo treffen wir uns?“
„Hier. Das wird am besten sein. Wo logieren Sie?“
„Auch hier.“
„So paßt es ja. Also, ich werde nach neun Uhr kommen, um Sie abzuholen.“
„Einverstanden. Aber es braucht niemand zu bemerken, daß wir etwas miteinander vorhaben.“
„Das versteht sich ganz von selbst. Wenn ich hier eintrete, gehen Sie voran. Ich trinke nur ein einziges Glas Wein und komme dann nach.“
„Wenn ich vorangehen soll, muß ich doch den Weg kennen.“
„Das ist richtig. Sie wenden sich draußen von der Tür an rechts und biegen in die erste Gasse. Diese führt hinaus ins Freie. Man sieht von weitem eine Gruppe hoher Erlen. An ihnen geht ein schmaler Weg vorüber, grad nach dem Steinbruch.“
„Schön! Das genügt.“
„Die Sache ist vielleicht mit einiger Gefahr verbunden. Sind Sie im Besitz von Waffen?“
„Ich habe einen Revolver. Soll ich mir vielleicht noch ein Vierteldutzend Kanonen kaufen?“
„Ist nicht nötig. Ich bringe auch einen Revolver mit. Das wird genügen. Es ist ja doch nur für den Fall, daß wir bemerkt werden.“
„Na, totschlagen würde man uns doch nicht!“
„Nehmen Sie die Sache nicht so leicht. Diese Franzosen lassen sich nicht ungestraft in die Karten blicken, und der alte Kapitän ist ganz der Mann danach, einem das Lebenslicht auszublasen, ohne viele Umstände zu machen.“
„So wird man sich danach verhalten. Ich blase auch!“
„Waren Sie vielleicht Soldat, Herr Schneffke?“
Fritz musterte dabei die Gestalt des Dicken mit einem Blick, der erraten ließ, daß er ganz bestimmt ein Nein erwarte.
„Natürlich“, antwortete der Maler.
„Was? Wirklich? Unmöglich!“
„Warum, he?“
„Bei diesem Körperumfang?“
„Pah, ich stehe bei der dicken Artillerie!“
„Sie spaßen.“
„Fällt mir nicht ein! Ich war nicht nur Soldat, sondern ich bin es sogar noch.“
„Bei welcher Truppe stehen Sie?“
„Bei der dicken Artillerie. Das habe ich Ihnen bereits gesagt, und das haben Sie sehr einfach zu glauben! Und nun noch etwas anderes: Sie standen im Wagen, als ich hier den Zug versäumte. Mit wem sind Sie gefahren?“
„Ich fuhr in Gesellschaft zweier Damen.“
„Dachte es mir! Madelon und Nanon?“
„Ja.“
„Haben Sie von mir gesprochen?“
„Sehr viel sogar!“
„Das glaube ich. Diese eine, nämlich die Nanon, kannte ich nicht; aber mit Madelon bin ich von Berlin bis nach Thionville gefahren. Ich hoffe, daß sie zu der Erkenntnis gekommen ist, daß es keinen besseren und aufmerksameren Reisebegleiter geben kann als Herrn Hieronymus Aurelius Schneffke.“
„Ja, davon ist sie überzeugt.“
„Nicht wahr?“
„Gewiß, denn keiner hat so oft den Zug versäumt, und keiner ist so oft auf die Nase gefallen wie dieser Herr Schneffke.“
„Donnerwetter! Sieht meine Nase etwa so aus, als ob ich so oft auf sie gefallen wäre?“
„Nein. Sie ist durch die dicken Backen geschützt worden. Aber Scherz beiseite! Was haben Sie denn eigentlich in Schloß Malineau gewollt?“
„Davon vielleicht später. Aber was haben denn Sie für ein Abenteuer dort erlebt?“
„Davon auch später!“ lachte Fritz.
Der Dicke drohte mit dem Finger und sagte:
„Es wurde davon gesprochen. Hören Sie, die Sache kommt mir höchst verdächtig vor!“
„Wieso?“
„Sie sind von Mademoiselle Nanon eingeladen worden, sie und ihre Schwester zu begleiten?“
„Ja.“
„Also als Schutzgeist?“
„So ähnlich!“
„Nun, man weiß ja, von welchem Geist eine junge Dame sich am liebsten beschützen läßt. Hat Mademoiselle etwa ein Auge auf Sie geworfen?“
„Hm!“
Der brave Fritz war bei der Frage des Dicken wirklich rot geworden. Dieser bemerkte es und sagte:
„Nanon ein Auge auf Sie, und Sie wohl alle beide Augen auf die Mademoiselle?“
„Hätten Sie etwas dagegen, wenn es so wäre?“
„Ja.“
„Was denn?“
„Diese Traube hängt für Sie zu hoch, und wenn Sie klug sein wollen, so machen Sie es wie der Fuchs, welcher sagte: Sie ist mir zu sauer!“
„Sie sprechen in Rätseln!“
„Aber mit Überzeugung, und nicht ohne Grund.“
Jetzt wurde Fritz aufmerksam. Er fragte schnelclass="underline"
„Darf ich Sie ersuchen, sich deutlicher zu erklären?“