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„Sie wollen also nach Paris?“

„Ja.“

„Hm! Bleiben Sie hier; ich werde ihn telegrafisch herbeirufen.“

Deep-hill sah ein, daß es dem Alten nur darum zu tun war, Zeit zu gewinnen; darum antwortete er:

„Das dürfen Sie nicht. Der Graf hat Sie kaum verlassen und wird von den notwendigsten Geschäften in Paris festgehalten.“

„Er wird dennoch kommen, da es sich um eine solche Summe handelt.“

„Warum ihn aber belästigen, wenn ich Zeit habe, ihn in Paris aufzusuchen.“

„Weil ich der Schöpfer des Ganzen bin; weil bisher alles, selbst das Kleinste von mir arrangiert und abgeschlossen worden ist, und weil es infolgedessen ein Ehrenpunkt für mich ist, alles auch selbst zu beenden.“

„Ich bitte, geben Sie Sicherheit!“

„Monsieur, Ihre Sprache ist nicht diejenige, welche ich hier gewöhnt bin.“

„Und die Ihrige ist nicht diejenige eines Geschäftsmannes!“

„Geschäft und immer wieder Geschäft! Ist die Begeisterung für die Sache des Vaterlandes gar nichts wert?“

„Sehr viel. Und dieser Kontrakt hat Sie bereits überzeugen müssen, daß ich dieser Begeisterung auch wirklich in hohem Maße Rechnung getragen habe.“

„Jetzt aber scheint sie erloschen zu sein.“

„Ein Wunder wäre es nicht.“

„Ah! Wie meinen Sie das?“

„Es gibt Verhältnisse und Personen, welche imstande sind, höchst abkühlend zu wirken.“

Er hatte diese Worte achselzuckend gesprochen. Der Kapitän erhob sich von seinem Stuhl, maß ihn mit stechenden Augen von oben bis zu den Füßen herab und fragte:

„Sie sprechen von hiesigen Verhältnissen?“

„Ja.“

„Und von hiesigen Personen?“

„Ja.“

„Ich bitte Sie, dieselben namhaft zu machen. Bin unter diesen Personen etwa auch ich gemeint?“

„Sie ganz allein.“

„Alle Teufel! Und die Verhältnisse, welche Sie erwähnten? Wollen Sie dieselben bezeichnen?“

„Ich meine die verborgenen Gänge, Treppen und Türen in Schloß Ortry.“

„Ich verstehe Sie nicht. Gerade diese verborgenen Lokale enthalten Vorräte, welche Sie überzeugen müssen, daß Sie für Ihr Geld nichts zu fürchten haben!“

„Ich meine nicht die Lokale unter, sondern die Treppen, Gänge und Türen in dem Schloß.“

„Erklären Sie sich deutlicher.“

„Die verborgenen Wege ermöglichen nächtliche Besuche, welche keineswegs angenehm sein können.“

Der Alte drehte sich zur Seite und ließ ein leises Hüsteln vernehmen. Er fühlte sich getroffen und mußte sich Mühe geben, dies nicht merken zu lassen. Aber diese Mühe war vergebens; das las er in dem dunklen, festen Augen des Amerikaners, welches scharf auf ihm ruhte.

„Sapperment!“ sagte er. „Haben Sie etwa nächtliche Besuche erhalten, Monsieur?“

„Leider.“

„Ich werde dies genau untersuchen und auf das strengste bestrafen. Darauf können Sie sich verlassen.“

„Ich verlasse mich weder auf das eine noch auf das andere.“

„Wie? Sie zweifeln an der Wahrheit meiner Versicherung?“

„Vollständig!“

„Tod und Teufel! Das ist eine Beleidigung!“

„Ich sage nur das, was ich denke. Sie haben nichts zu untersuchen und werden auch niemanden bestrafen.“

„Warum?“

„Pah! Wer bestraft sich selbst?“

„Sich selbst? Monsieur, reden Sie irre?“

„Keineswegs.“

„Da bringen Sie also mich, mich selbst, mit diesen nächtlichen Besuchen in Verbindung?“

„Das versteht sich ganz von selbst.“

„Soll ich etwa bei Ihnen gewesen sein.“

„Ja.“

„Wer sagt das? Wer behauptet das?“

„Ich!“

„Wer hat es Ihnen weisgemacht?“

„Meine Augen und Ohren!“

„Das heißt, Sie selbst wollen mich gesehen und gehört haben?“

„Ja.“

„In Ihrem Zimmer?“

„In meinem Schlafzimmer.“

„Des Nachts, also heimlich?“

„Heimlich.“

„Sie haben geträumt! Wer kann des Nachts zu Ihnen! Riegeln Sie denn nicht zu?“

„Ich hatte allerdings den Riegel vorgeschoben.“

„Also wie könnte ich bei Ihnen eindringen?“

„Mittels der Tapetentür in der Ecke.“

Den Alten überkam aufs neue ein kurzer, scharfer Husten. Er überwand ihn indes schnell und sagte:

„Ich kann nur wiederholen, daß Sie geträumt haben müssen. Was sollte ich denn bei Ihnen wollen?“

„Einsicht in meine Brieftasche nehmen.“

„Monsieur, sind Sie denn ganz und gar des Teufels?“

„Nein, ganz und gar nicht.“

Die beiden standen sich drohend gegenüber. Der alte Kapitän sah sich zwar ertappt und durchschaut, war sich aber seines Sieges sicher; das gab ihm ein überlegenes Auftreten. Und was den Amerikaner betrifft, so fürchtete er den Kapitän in diesem Augenblick nicht im geringsten. Er meinte, daß das Gespräch höchstens in persönliche Tätlichkeiten auslaufen könne, und da fühlte er, der junge, gewandte Mann, sich dem alten in bezug auf Geschicklichkeit und Körperkraft weit überlegen. Beide hielten die Augen mit feindseliger Schärfe aufeinander gerichtet.

„Was soll ich denn mit Ihrer Brieftasche beabsichtigt haben?“ fragte der Kapitän. „Zu welchem Zweck? Es ist mir ja sicher und genug, da wir den Kontrakt unterzeichnen werden!“

„Doch nicht so sicher, als Sie meinen. Für uns beide war es keineswegs gleichgültig, ob dieser Inhalt aus sofort zahlbaren Papieren bestand oder nicht.“

„Für mich war es gleichgültig.“

„Nein, sonst hätten Sie sich nicht überzeugt.“

„Aber ich bitte Sie! Sie haben wirklich geträumt. Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort!“

Der Amerikaner zog die Schultern empor und schüttelte sich, als ob es ihn friere. Dann antwortete er:

„Ehrenwort! Pah! Das Ehrenwort eines Mannes, der sich in das Zimmer seines Gastes schleicht!“

Da stampfte der Alte mit dem Fuß auf und rief in drohendem Ton:

„Herr, ich muß Sie unbedingt ersuchen, auf Ihre Ausdrücke besser achtzugeben. Es steht ein Offizier vor Ihnen, der sich nicht beleidigen läßt und gerade nur, weil Sie sein Gast sind, bis jetzt bemüht gewesen ist, seine Indignation zu beherrschen. Ich will selbst noch in diesem Augenblick annehmen, daß Sie unter dem Einfluß einer Täuschung handeln und sprechen. Denn nur eine Halluzination kann es gewesen sein, das liegt klar auf der Hand.“

„Ich leide nicht an Halluzinationen.“

„Aber bedenken Sie doch, daß ich Ihre Papiere nicht im Dunkeln zu erkennen vermag.“

„Sie hatten Ihre Laterne mit.“

„Fieberphantasie! Wahrhaftig, Fieberphantasie. Wie kann ich mit Licht in Ihr Schlafzimmer eindringen und Ihre Brieftasche öffnen, da ich doch gewärtig sein muß, daß Sie in jedem Augenblick die Augen aufschlagen.“

„Sie glaubten, dafür gesorgt zu haben, daß ich sehr fest schlafen würde.“

„Ich? Wieso denn?“

„Durch den Schlaftrunk, den Sie mir gegeben hatten.“

„Ich Ihnen einen Schlaftrunk gegeben? Das kann nur ein Tollhäusler behaupten. In welcher Weise habe ich Ihnen diesen Trunk denn beigebracht?“

„Mit dem Glas Wein beim Abendessen.“

Der Alte vermochte nicht zu begreifen, wie Deep-hill das alles wissen könne. Er war ganz und gar bestürzt, ließ es sich aber nicht merken, sondern sagte scheinbar im ruhigsten Ton:

„Monsieur, ich will nicht aus den Augen lassen, daß Sie mein Gast sind, sonst –“

Der Amerikaner machte eine hastige, abwehrende Handbewegung und fiel ihm dabei in die Rede:

„Bitte, bitte, genieren Sie sich nicht. Sie haben mich nicht mehr als Ihren Gast zu betrachten, denn sobald wir diese Keller hinter uns haben, werde ich Schloß Ortry schleunigst verlassen. Ich kann unmöglich bei einem Mann wohnen bleiben, der mir nach dem Leben trachtet.“