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„Das Folgende versteht sich ganz von selbst.“

„Wohl nicht.“

„Sie hungert, bis sie einwilligt.“

„Und wenn sie lieber verhungert?“

„Unsinn! Hunger tut weh!“

„Man hat aber doch Beispiele –“

„Nun, dann tut der Durst noch viel mehr weh. Oder zweifeln Sie auch da noch?“

„Es ist immerhin gefährlich.“

„Das sehe ich nicht ein.“

„Sie wird scheinbar einwilligen, dann aber alles verraten.“

„Nein. Wir werden sie nicht eher freilassen, als bis sie uns ihr Wort gegeben hat, fürs ganze Leben zu schweigen.“

„Pah! Ein solches erzwungenes Wort pflegt keine Geltung zu haben.“

„Bei Marion doch. Sie ist ein Charakter.“

„Gut. Wollen wir annehmen, daß sie ihr Wort halten werde. Wie aber nun, wenn sie uns einen Streich spielt, indem sie –“

Er hielt inne; der Alte fragte:

„Nun, was? Indem sie –“

„Indem sie es so einrichtet, daß sie uns ihr Wort gar nicht zu geben braucht.“

„Wie wollte sie das fertig bringen? Sie wird auf alle Fälle gezwungen sein, uns Stillschweigen zu versprechen.“

„Einen Fall gibt es doch, an den Sie nicht zu denken scheinen.“

„Welcher wäre das? Ich habe alles überlegt.“

„Der Fall, daß sie – daß sie sich ein Leid antut.“

Der Alte fuhr zurück.

„Alle Teufel!“ sagte er. „Das wäre ihr zuzutrauen.“

„Nicht wahr? Sie nannten sie ja obstinat.“

„Ja, das ist sie; sie wäre wirklich imstande, uns auf diese Weise einen Strich durch die Rechnung zu machen.“

„Wir dürfen also auf keinen Fall die Saiten zu sehr anspannen.“

„Nun, dann gibt es ein Mittel, sie dennoch und auf alle Fälle zur Einwilligung zu zwingen.“

„Ich bin neugierig, es zu erfahren.“

„Wir lassen sie erst einige Tage hungern, und dann –“

Es fiel ihm doch nicht ganz leicht, seine Gedanken auszusprechen. Er stockte, fuhr aber dann fort:

„Und dann – nun, dann schließe ich Sie einige Stunden bei ihr ein.“

Der Graf horchte auf.

„Wetter!“ sagte er. „Mich mit ihr allein.“

„Ja.“

„Im Dunkeln natürlich!“

„Ja.“

„Und sie denken, daß Marion dann –“

„Das Weitere ist ihre Sache. Sie sind doch kein Kind. Wenn ich wieder aufschließe, werden Sie als Mann und Frau das Gewölbe verlassen.“

„Kapitän, dieser Gedanke ist schön, aber – teuflisch!“

„Sind Sie ein Engel? Ah –! Hörten Sie etwas?“

„Hm. Es war ein Seufzer!“

„Ja. Also Sie hörten es auch. Ich dachte, ich hätte mich getäuscht. Es wird doch nicht –“

Er zog seinen Revolver aus der Tasche, griff zur Laterne und begab sich nach dem geheimen Eingang, welcher offen stand. Er sah nichts Verdächtiges. Er trat hinaus und leuchtete die Treppe hinab – es war nichts, gar nichts zu bemerken. Er schritt schnell sämtliche Stufen hinunter und leuchtete in alle Winkel und Ecken. Er konnte nichts Beunruhigendes bemerken und kehrte zurück.

Als er wieder in Rallions Schlafstube trat, war dieser aufgestanden, hatte ein Licht angebrannt und den offenstehenden Eingang untersucht.

„Ah, so also ist es!“ meinte er, mit dem Kopf nickend. „Hier gibt es verborgene Türen?“

„Die wir sehr gut gebrauchen können“, antwortete der Alte. „Aber warum sind Sie aufgestanden?“

„Weil man nicht wissen konnte, was passiert. Haben Sie etwas gesehen?“

„Nein. Entweder haben wir uns getäuscht –“

„Nein, ich hörte es deutlich.“

„So ist es ein Luftzug gewesen. Es hat kein Mensch eine Ahnung von diesen Treppen und Gängen. Es muß die Luft gewesen sein. Dennoch aber wollen wir aus Vorsicht den Eingang schließen.“

Er schob das Getäfel zu, dann fuhren sie in ihrer heimlichen Unterhaltung fort, indem er fragte:

„Also Sie halten meinen Vorschlag für teuflisch?“

„Ein wenig, ja.“

„Aber praktisch?“

„Praktisch und – interessant.“

„Sie wird gezwungen sein, ja zu sagen, denn ich hoffe doch, daß Sie Ihrer Aufgabe gewachsen sind.“

Rallion stieß ein häßliches Lachen aus und sagte:

„Daran dürfen Sie allerdings nicht zweifeln, obgleich Sie mich nicht für einen mutigen Menschen zu halten scheinen.“

„Pah! Dazu gehört kein Mut. Dann, wenn sie ihren Widerstand aufgegeben hat, wird sie von ihrer angeblichen Reise zurückkehren dürfen.“

„Wie aber wollen Sie diese Reise glaubhaft machen?“

„Nichts leichter als das. Man spannt des Nachts an und bringt Marion nach dem Bahnhof.“

Rallion blickte ihn fragend an und sagte:

„Ich verstehe Sie nicht.“

„Nun, nicht Marion, sondern eine andere steigt ein.“

„Ah, ich vermute.“

„Nun, wer?“

„Die Baronin.“

„Ja.“

„Sie wird also mit im Geheimnis sein?“

„So weit es notwendig ist, sie einzuweihen.“

„Aber man wird die Täuschung bemerken.“

„Wohl nicht; es ist dunkel.“

„Der Kutscher –“

„Ich brauche keinen Kutscher. Ich nehme das kleine Coupé und fahre selbst.“

„Aber der Diener ist dabei, wenn die Baronin einsteigt.“

„Das werde ich zu vermeiden wissen.“

„Und Sie kommen mit der Baronin zurück!“

„Nein. Ich bringe Marion zum Bahnhof und kehre allein zurück.“

„Wie wollen Sie das anfangen?“

„Sehr einfach. Ich lasse die Baronin aussteigen, sobald wir aus dem Schloß sind, und sie kehrt im Dunkel heimlich in dasselbe zurück.“

„Schlaukopf, der Sie sind! Ja, so muß es arrangiert werden. Aber, wann soll das geschehen?“

„So bald wie möglich. Es ist Gefahr im Verzuge. Das Renkontre, welches ich mit Marion gehabt habe, läßt mich befürchten, daß ich ihr in keiner Weise zu trauen habe.“

„Also am besten noch heute, in der Nacht?“

„Dazu ist es zu spät. Ich muß doch vorher mit der Baronin darüber sprechen.“

„Also morgen?“

„Ja, morgen ganz bestimmt.“

„Um welche Zeit?“

„Das läßt sich jetzt noch nicht sagen. Ich werde Sie abholen.“

„Hier?“

„Natürlich.“

„Auf demselben Weg?“

„Ja.“

„Schön. Darf ich mir diesen Weg unterdessen einmal näher betrachten, Herr Kapitän?“

Der Gefragte zog die Augenbrauen in die Höhe, machte ein sehr eigentümliches Gesicht und fragte:

„Es wird besser sein, Sie warten, bis ich Ihnen diese Geheimnisse selbst enthülle.“

„Schön. Ganz wie Sie wollen.“

Dabei hatte er aber doch im stillen den Vorsatz, nach der Entfernung des Alten nachzuforschen. Dieser gab ihm die Hand und sagte:

„So mag es also für heute genug sein. Oder haben Sie vielleicht noch eine Frage auszusprechen?“

„Ich wüßte nicht.“

„Und mir fällt auch nichts ein, was ich vergessen hätte. Also, gute Nacht.“

„Gute Nacht.“

Der Kapitän schob das Getäfel zur Seite und trat durch das Loch. Draußen schob er das erstere wieder vor und lauschte.

„Er ist neugierig“, flüsterte er lächelnd in sich hinein. „Er wartet nicht, sondern wird die Sache untersuchen wollen. Aber, mein Bursche, das wird dir nicht gelingen.“

Da, wo das Holzwerk an die Mauer stieß, gab es zu beiden Seiten einen Riegel. Der Alte schob ganz leise beide vor und nickte dann:

„So. Jetzt mag er sich Mühe geben.“

Er stieg langsam die schmalen Stufen hinab.

Er hatte ganz richtig vermutet, denn drinnen in der Schlafstube lauschte Rallion, indem er das Ohr hart an das Getäfel hielt.

„Jetzt geht er“, dachte er. „Wer hätte geahnt, daß hier ein heimlicher Eingang sei! Dieses Schloß ist wirklich ein ganz und gar geheimnisvolles Nest. Der, welcher es gebaut hat, ist kein dummer Kerl gewesen.“