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»Danke, ich finde sie auch ziemlich gut. Sie zeigt auf alle Fälle, wie kompliziert Menschen ticken. Typisch Zweibeiner eben. Ich hatte ja schon länger den Verdacht, dass der aufrechte Gang irgendwie dem Hirn schadet.«

Herr Beck prustet.

»Na, mein Lieber, und hier ist auch der einzige Makel deiner Theorie. Sie trifft nicht nur auf Menschen zu. Ich glaube nämlich, was dem Daniel seine Caro, ist dem Dackel seine Cherie. Sonst würdest du ihr doch nicht so hinterhertrauern. Die Theorie ist gut, trifft aber auf Menschen und Dackel zu. Hat also nix mit dem aufrechten Gang zu tun. Eher mit der Angewohnheit, sein Herz unvernünftigerweise so an ein anderes Wesen zu hängen, dass es richtig wehtut, wenn die Liebe nicht erwidert wird. Da könntet ihr euch mal ein Beispiel an uns Katzen nehmen – das würde uns im Leben nicht passieren. Wir sind zwar sehr sensibel und nehmen jede Schwingung auf, aber wir machen uns nicht so abhängig von anderen.«

Beck spricht im Brustton der Überzeugung, und ich würde mich wahrscheinlich sehr darüber aufregen, wenn ich nicht wüsste, dass der Kater nur so cool tut. Ich habe ja erlebt, wie mickrig er war, als sein altes Frauchen ins Heim musste und er nicht mitkonnte. Und Nina hat er während ihres Jahres in Stockholm auch oft vermisst. Also: Ich glaube, Katzen haben ebenfalls ein großes Herz. Sie zeigen es nur nicht so schnell. Und nicht so gern. Ich belasse es deshalb bei einem hingenuschelten Wie du meinst.

Das Thema Herz bringt mich allerdings auf einen anderen Gedanken: Nina und Alexander. Schließlich ist Herr Beck hier Augenzeuge, weil Mitbewohner.

»Sag mal, ist dir eigentlich in letzter Zeit etwas an Nina und Alex aufgefallen ? Ich meine, seit Nina wieder da ist ?«

Beck schüttelt den Kopf.

»Nein. Warum ?«

So viel zum Thema Katzen sind so sensibel und nehmen jede Schwingung auf.

»Na, Nina war gestern bei uns zu Besuch und hat da so etwas angedeutet. Dass es mit ihr und Alex nicht mehr so gut läuft. Da dachte ich natürlich, du hättest etwas bemerkt. Es ist schließlich dein Frauchen. Irgendwelche Schwingungen aufgenommen ?«

Zack, diese Spitze konnte ich mir einfach nicht verkneifen ! Zufrieden stelle ich fest, dass Beck jetzt ein ziemlich dummes Gesicht macht. Er hatte tatsächlich keine Ahnung.

»Schwingungen … äh … klar. Natürlich. Jetzt weiß ich, was du meinst. Nina ist in letzter Zeit so … äh … und auch Alex …«

»Ja ? Alex ist was ?«

»Na, irgendwie … äh…«

Ich wackle mit dem Kopf, bis meine Ohren fliegen.

»Kumpel, gib’s zu: Du hast keinen blassen Schimmer. Nina ist gerade nicht besonders glücklich mit Alex, und du hast es nicht bemerkt.«

Schweigen. Dann Schnaufen.

»Hmpf. Stimmt. Das habe ich nicht mitgekriegt. Woran hapert’s denn ?«

»Keine Ahnung. Ich hatte ja gehofft, dass du mir das erzählen kannst. Nina sagte, es sei irgendwie nicht so wie vorher.«

Herr Beck wiegt seinen Kopf bedächtig hin und her.

»Also, wenn ich so direkt darüber nachdenke, dann war in letzter Zeit tatsächlich das ein oder andere seltsam. Nina telefoniert zum Beispiel in letzter Zeit sehr häufig, und ich verstehe nichts.«

»Was soll daran besonders sein ? Frauen telefonieren einfach gern. Und wahrscheinlich wirst du langsam taub. Ich finde …«

Herr Beck schüttelt energisch den Kopf.

»So doch nicht ! Ich höre jedes Wort. Ich verstehe es nur nicht.«

»Ja, ja, kenne ich. Das geht mir mit Menschen häufig so.«

Beck stößt einen Laut aus, der sehr seltsam klingt und wahrscheinlich Unzufriedenheit ausdrücken soll. So eine Art Aaargh. Tja, manchmal ist das Zusammenleben mit Menschen extrem frustrierend. Da meint man, seinen Zweibeiner nach langen Jahren in- und auswendig zu kennen, und plötzlich versteht man ihn nicht mehr. Schon traurig so was. Was das allerdings mit Ninas Liebesleben zu tun hat, begreife ich nicht ganz. Sie hat ja nicht gesagt, dass es zwischen ihr und Herrn Beck nicht mehr so läuft, sondern zwischen ihr und Alex. Wahrscheinlich hat Herr Beck bis heute nicht verstanden, dass Ninas Herz nicht ihm, sondern einem Zweibeiner gehört. Oder von mir aus auch gehörte.

»Herkules, du hörst mir nicht richtig zu ! Du kapierst es einfach nicht.«

Ach, jetzt soll ich auf einmal schuld sein, dass Herr Beck Kommunikationsprobleme mit seinem Frauchen hat ? Das ist mal wieder typisch. Der kann einfach nicht zugeben, wenn es bei ihm nicht so läuft.

»Ich sagte, ich habe kein Wort verstanden. Obwohl ich jedes Wort gehört habe. Und das meine ich nicht im übertragenen Sinne: Nina hat irgendwie ganz anders gesprochen als sonst. Eine andere Sprache. Nicht so, wie sie mit mir oder Caro spricht.«

Hä ? Eine andere Sprache ? Wie meint er das denn ? Herr Beck deutet meinen erstaunten Blick richtig. Immerhin, Hund und Katze verstehen sich immer noch bestens.

»Also, Menschen haben verschiedene Sprachen. Nicht überall sprechen sie so wie hier. Du warst doch schon mal mit Caro und Marc im Urlaub, richtig ?«

Ich nicke.

»Und – ist dir da nichts aufgefallen ? Ich meine, wenn die Menschen gesprochen haben ? Immer, wenn ich mit Frau Wiese im Urlaub war, sprachen die Menschen dort eine andere Sprache.«

»Nee. Bei uns war alles so wie immer.«

»Hm, wo wart ihr denn ?«

»Ich glaube, es war ein Ort namens St. Peter-Ording.«

»Kenne ich nicht. Wir waren immer in Rimini, da war das so. Immer, wenn wir zum Meer spaziert sind und Frau Wiese ein Eis oder etwas anderes gekauft hat, hat sie sich mit den anderen Menschen dort ganz seltsam unterhalten.«

»Ha ! Jetzt, wo du es sagst: In St. Peter-Ording war auch etwas seltsam !«

»Siehst du ! Was denn ?«

»Na, das Meer war manchmal weg. Ab und zu war es da – und dann war es wieder weg. Komisch, oder ? Wer kann denn so viel Wasser auf einmal wegschaffen ?«

Herr Beck zuckt mit dem Schwanz.

»Mann, Herkules, was hat denn das mit der Sprache zu tun ?«

»Äh – nix. Aber du wolltest wissen, ob mir etwas aufgefallen ist. Und das ist mir aufgefallen. Sonst war alles wie immer.«

»Na gut. Vielleicht ist St. Peter-Ording dann einfach anders als Rimini. In Rimini jedenfalls reden die Leute so miteinander, dass man nichts versteht. Und sie reden nicht nur anders – sie bewegen sich auch ungewohnt. Beim Sprechen fuchteln sie so mit den Armen rum, dass einem angst und bang wird.«

»Also in St. Peter-Ording hat niemand beim Reden gefuchtelt. Überhaupt wurde dort eher wenig geredet.«

Ich werde langsam ungeduldig. Wahrscheinlich, weil ich Hunger habe. Aber wenn Herr Beck nicht mal bald auf den Punkt kommt mit seiner Geschichte, dann verziehe ich mich lieber zu Carolin und Daniel und mache deutlich, dass es Zeit für die Napfbefüllung ist. Allein bei dem Gedanken füllen sich meine Lefzen mit Speichel. Hunger !

»Hey, Kumpel, du sabberst ! Worauf ich eigentlich hinauswollte, war …«

»Lass gut sein, ich mach mich auf die Suche nach etwas Essbarem. Das mit der menschlichen Sprache kannst du mir wann anders erklären. Ich wollte sowieso keinen Unterricht, sondern lediglich wissen, ob dir etwas Komisches an deinem Frauchen aufgefallen ist. Offenbar ist das nicht der Fall, sonst müsstest du hier nicht von ollen Kamellen wie deinen Urlauben mit Frau Wiese erzählen. Mach’s gut.«

Ich drehe mich um und trabe los.

»Nun warte doch mal !« Herr Beck trabt hinter mir her.

»Ich wollte dir doch nur erklären, was mir bei Nina aufgefallen ist. Und damit du mich überhaupt verstehst, musste ich ein bisschen weiter ausholen. Übrigens: Bildung schadet nicht. Selbst Hunden nicht !«

Ich laufe einfach weiter. Soll er jemand anderen belehren, der Kater. Meinetwegen den Wellensittich. Der kann schließlich nicht weg, wenn ihn die Müller im Käfig auf den Gartentisch stellt. Und als Alternative zum Gefressenwerden ist eine Stunde Oberlehrer Beck zu ertragen vielleicht gerade noch drin.