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»Wow – wie toll ist das denn !«, ruft Carolin begeistert. »Das ist ja ein richtiges Schloss !«

Ich betrachte das Haus noch einmal gründlich und schüttle den Kopf. Innerlich wohlgemerkt, denn ich bin ja ein höflicher Dackel. Aber ich kann meine vornehme Abstammung nicht verleugnen, und natürlich ist dieses große Haus kein Schloss, sondern bestenfalls ein hübsches Gehöft. Diesen Unterschied erkennt man wohl nur, wenn man selbst auf einem Schloss geboren ist. Eine Bürgerliche wie Carolin ist damit offensichtlich überfordert. Nun ja, sie kann nichts dafür – so ist es eben.

Ich laufe ein paar Schritte von Carolin weg und schaue mich interessiert um. Immerhin, das Gehöft scheint einen netten kleinen Park zu haben. Es riecht nach den ersten Blumen, und neben dem Weg gibt es einen sorgfältig geschnittenen Rasen. Der Gutsherr scheint also einen Gärtner zu beschäftigen. Sehr löblich – bei uns zu Hause ist leider Marc für das Rasenmähen zuständig, was er aber fast nie macht. Das ist zwar zum Umherstreifen im Garten nett, gehört sich aber eigentlich nicht. Der alte von Eschersbach hätte so eine ungepflegte Wiese hinter dem Schloss auf keinen Fall durchgehen lassen.

Luisa kommt zu mir gelaufen.

»Schön ist es hier, oder, Herkules ?« Sie bückt sich und krault mich. »Papa sagt, drinnen gibt es ein Zimmer, das fast wie eine Kirche aussieht, und da wird man dann getraut. Dann ist es gar nicht mehr so schlimm, dass Papa und Caro nicht in einer echten Kirche heiraten. Und die Standesbeamten geben sich hier auch ganz viel Mühe, also fast so wie der Pastor in der Kirche. Klasse, oder ?«

Ich kenne mich mit dem Thema ja nicht so aus. Genau genommen war ich erst einmal im Leben in der Kirche. Nämlich an Weihnachten vor Henris Geburt. Dort war es sehr laut und unglaublich voll, und am Ende gab es ein dermaßen dröhnendes Glockengeläut, dass ich geflüchtet bin. Für mich ist die Sache mit der Kirche also definitiv nichts. Aber wenn Marc für die Hochzeit nun etwas sucht, was so ist wie eine Kirche – nämlich mit einem solchen Raum und einem Menschen, der sich so benimmt wie ein Pastor –, dann frage ich mich, warum Caro und Marc nicht gleich in einer echten Kirche heiraten. Das wäre doch viel einfacher. Nichts gegen unseren kleinen Ausflug, aber warum suchen wir denn etwas, was wie eine Kirche ist, ohne eine Kirche zu sein ? Wo es doch ziemlich viele echte Kirchen gibt ? Rätsel über Rätsel bei den Zweibeinern …

Inzwischen hat Marc auch Henri aus seiner Sitzschale geschält und in seinen Buggy gesetzt. Der Kleine ist begeistert und klatscht immer wieder in die Hände. Ich kann’s verstehen – für ihn muss Autofahren ähnlich langweilig wie für mich sein, denn von dieser Babyschale aus kann Henri bestimmt nicht richtig aus dem Fenster gucken.

»So, dann lasst uns mal reingehen. Frau Holtrop wartet schon auf uns, sie wird uns das Trauzimmer zeigen und auch die Räumlichkeiten, in denen wir später feiern könnten. Zu dem alten Gemäuer hier gehört nämlich auch ein sehr schönes Restaurant.«

An der Tür werden wir von einer jungen Frau begrüßt. Ob das die Gutsherrin ist ? Dafür sieht sie für meinen Geschmack eigentlich zu leger aus. Aber was will man machen, hätte der alte Eschersbach gesagt, die jungen Hühner machen ja doch, was sie wollen. Da war seine eigene Schwiegertochter nicht anders, die lief auch rum, wie sie wollte, obwohl sie mit dem jungen Schlossherrn verheiratet war.

»Hallo, Sie müssen Herr Wagner sein, richtig ?«, strahlt die Frau mein Herrchen an und reicht ihm die Hand.

Der nickt.

»Genau, und das sind meine Verlobte, Frau Neumann, und unsere Kinder Luisa und Henri.«

Hey, und was ist mit mir ? Normalerweise stört es mich nicht, beim menschlichen Vorstellungszeremoniell außen vor gelassen zu werden. Aber wenn wir hier auf einem Gut sind, sollte man Carl-Leopold von Eschersbach schon erwähnen. Das würde auf alle Fälle Eindruck machen, auch wenn hier nur der niedere Landadel residiert. So viel Zeit muss einfach sein !

Dennoch werde ich schmählich ignoriert, und so dackle ich im wahrsten Sinne des Wortes einfach hinterher. Hinter der Tür kommen wir in eine Halle, von der mehrere Türen abgehen sowie eine Treppe. Frau Holtrop nimmt die ersten Stufen, wir hinterher. Oben angekommen öffnet sie eine nächste Tür – und selbst ich kleiner, ignoranter Hund bin platt: Vor uns liegt ein heller, großer Saal, der ganz locker mit dem großen Salon in Schloss Eschersbach mithalten kann. Wahrscheinlich sogar mit dem Ballsaal, aber den habe ich selbst nur einmal ganz kurz und durch Zufall gesehen. Und danach war er für mich, nachdem ich dort aus der Not heraus auf das Parkett gepinkelt hatte, allerstrengstens verboten. Meine Erinnerung daran ist demzufolge nicht besonders gut – aber dieser Saal ist toll. Sieht allerdings überhaupt nicht wie unsere kleine Kirche aus.

Meine Menschen schweigen andächtig, sie sind bestimmt auch beeindruckt.

Caro räuspert sich. »Und das hier ist nur das Trauzimmer ?«

Frau Holtrop nickt.

»Genau. Der ehemalige Konventsaal. Dieses Klostergebäude wurde 1664 gebaut, der Saal ist also schon fast 350 Jahre alt. Und ich finde, immer noch sehr eindrucksvoll. Ihren Gästen wird es bestimmt gefallen, und sie hätten sicherlich alle Platz. Steht Ihr Termin denn schon genau fest ?«

»Der fünfzehnte Juni wäre toll, aber dafür sind wir wahrscheinlich schon ein bisschen spät dran, oder ?«, will Marc wissen.

Die junge Frau zuckt mit den Schultern.

»Das muss ich nachsehen. Wenn Sie allerdings mit dem Wochentag ein bisschen flexibel sind, finden wir garantiert noch eine Lücke im Juni. Sie können hier nämlich an jedem Tag im Jahr heiraten.«

Caro räuspert sich erneut.

»Also, ich finde das hier auch wunderschön, aber unsere Hochzeitsgesellschaft ist nicht besonders groß. Ich frage mich, ob wir in diesem Saal nicht ein wenig verloren wirken würden.«

»Wie viele Gäste erwarten Sie denn ?«

»Na, außer meinem Mann und mir die beiden Kinder, meine Eltern und meine Schwiegermutter. Macht schon mal fünf Erwachsene und zwei Kinder. Dann die beiden Trauzeugen mit Partner, das sind noch mal vier Erwachsene. Somit insgesamt elf Leute.«

»Tja, das sind wirklich nicht besonders viele …«

»Moment mal«, widerspricht Marc, »ein paar mehr Gäste haben wir vielleicht doch, glaube ich. Mehr aus der Familie oder enge Freunde würde ich schon noch gern einladen.«

»Welche Familie denn noch ? Darf ich dich daran erinnern, dass wir beide Einzelkinder sind ?«

»Ja, stimmt schon – aber ich dachte, meine Cousine Edda wäre vielleicht ganz gern dabei. Sie ist wirklich sehr nett.«

»Marc, von dieser Cousine höre ich heute zum ersten Mal.«

»Und was ist mit Daniel ? Den willst du doch nicht etwa nicht einladen.«

Stimmt. Was ist mit Daniel ? Wenn der auch kommt, nimmt er bestimmt Claudia mit. Und die wiederum nimmt bestimmt Cherie mit. Also, Marc hat ganz recht: Daniel müssen wir unbedingt einladen !

Caro seufzt.

»Klar, Daniel. Aber dann müssen wir auch Claudia einladen, und die Frau wird mir immer suspekter. Ich habe eigentlich keine Lust, mir meine Hochzeit durch irgendwelches Esoterik-Gequatsche ruinieren zu lassen.«

»Esoterik-Gequatsche ?«

Marc zieht die Augenbrauen hoch.

»Na ja, die macht doch jetzt ’ne Umschulung zur Yoga-Lehrerin.«

»Soviel ich weiß, sind Yoga und Esoterik aber nicht dasselbe.«

Marc grinst.

Ich schaue ratlos von einem zum anderen. Gut, Yoga ist, wenn man im Garten liegt und atmet. Aber was bitte ist Esoterik ?

»Dann eben Yoga-Gequatsche. Kommt für mich aufs Gleiche raus. Wenn wir wirklich nur im ganz kleinen Kreis mit Familie feiern, kann ich Daniel schon erklären, warum er nicht dabei ist.«