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Nina rauscht ab, und nun gesellt sich auch Herr Beck zu uns.

»Männerwochenende. Pah ! Abgeschoben werde ich. Und die Nummer mit der ›alten Bekannten‹ kann Nina auch ihrer Großmutter erzählen. Ich bin doch nicht blöd. Mr Rosen-und-Champagner kommt zu Besuch, und niemand soll es merken. Wahrscheinlich ist auch die Geschichte mit der Katzenhaarallergie nur ein Märchen, weil sie selbst mich nicht dabeihaben will, wenn der Typ anreist.«

Ich bin völlig perplex. Er denkt, Nina hat gelogen ? »Aber, aber – wie kannst du dir da so sicher sein ?«

»Mann, Dackel, das ist doch logisch ! Kaum war klar, dass Alex am Wochenende seine Eltern besucht und gar nicht da ist, schon sagt sich die ominöse Freundin aus Stockholm an. Apropos Stock: Da kannste doch mit ’nem Stock dran fühlen.«

»Häh ?«

»Ich meine, das ist doch eindeutig eine Lüge.«

Ach so. »Na, du wirst ja sehen, wer da tatsächlich auf der Matte steht.«

»Nein, werde ich eben nicht ! Ich bin doch bei euch. So ein Mist.«

Stimmt, das hatte ich gerade verdrängt. Herr Beck ist ja gar nicht bei Nina, sondern bei mir. Jetzt verstehe ich auch, warum ihn das so ärgert.

»Aber vielleicht kannst du es hinterher erschnuppern ?«

»Haha ! Ein echter Jagdhundwitz. Du weißt genau, dass meine Nase mit dem Alter nicht besser geworden ist. Außerdem will ich es sehen, und zwar mit eigenen Augen. Ich lasse mich doch hier nicht hinters Licht führen wie ein Maikätzchen. Von einem Menschen ! Pah ! Aber ich weiß mir schon zu helfen. Ich werde da sein. Darauf kann Nina Gift nehmen.«

Herr Beck, Teufelskerl ! Ich bin ein bisschen beeindruckt von dieser markigen Ansage. Endlich mal ein Haustier, das nicht einfach alles mit sich machen lässt. Manchmal erinnert mich Herr Beck in letzter Zeit an meinen eigenen Opili. Der war zwar ein treuer Begleiter seines alten Herrn, aber durchaus meinungsstark. Wenn er den Fuchs links im Wald vermutete, dann ging es linksrum. Auch wenn der Alte lieber nach rechts gegangen wäre. Ein schlauer Mensch hört eben auf seinen Vierbeiner ! Ein nicht so schlauer muss damit rechnen, dass sein Haustier eigenmächtig tätig wird, und genau das scheint Herr Beck gerade zu planen. Ich merke, wie sich meine Rückenhaare von der Rutenspitze bis zum Nacken aufstellen – Mann, ist das aufregend ! Ich will mitmachen !

»Weißt du«, schlage ich vor, »vielleicht könnten wir heute Abend zusammen abhauen ? Und dann helfe ich dir dabei, Nina zu beschatten !«

»Unabhängig davon, dass du wahrscheinlich keine große Hilfe bist, würde ich dir als Freund den Gefallen tun und dich mitnehmen. Aber wie willst du denn heimlich in die Wohnung von Nina kommen ? Du weigerst dich doch bisher, dir mit der Katzenklappe Mühe zu geben.«

Keine große Hilfe ? Wuff ! Beck ist nicht nur meinungsstark. Er ist auch ahnungslos. Und die Kombination aus beidem, meinungsstark und ahnungslos, ist offen gestanden nicht besonders sympathisch.

»Also, wenn ich dir keine Hilfe bin, dann bleibe ich natürlich zu Hause. Es ist mir zwar schleierhaft, wie du ohne mich aus unserer Wohnung rauskommen willst, aber das ist dann nicht mein Problem.«

Ich kann auch unfreundlich, wenn ich will ! Herr Beck mustert mich kopfschüttelnd.

»Ein Kater kommt überall raus.«

Mir platzt der Kragen – oder besser: das Halsband ! »Weißt du, Beck, manchmal bist du einfach ein elender Klugscheißer !«

Herr Beck mustert mich kühl.

»Falsch. Ich bin kein Klugscheißer, ich weiß es wirklich besser.«

Okay, Herr Beck ist doch nicht wie mein Opili. Opili war nämlich nicht so verdammt arrogant. Auch wenn er wahrscheinlich tatsächlich die meisten Sachen besser wusste, ließ er es nicht so raushängen wie der doofe Kater. Er war eben ein weiser Dackel-Mann. Ich beschließe, nichts mehr zu sagen und hiermit einem seiner weisen Ratschläge zu folgen: Unrat vorbeischwimmen lassen. Stattdessen trabe ich zu Carolins Werkbank und mache es mir davor gemütlich. Um diese Uhrzeit scheint nämlich immer die Sonne – wenn sie denn mal scheint – auf die Holzdielen vor der Bank und wärmt diese ein bisschen an. Herrlich !

Es dauert keine fünf Minuten, dann ist Beck wohl klar geworden, dass Klugscheißen ganz schön einsam macht. Jedenfalls taucht er neben mir auf und macht es sich ebenfalls bequem. Dann holt er tief Luft.

»Na gut. Dann komm halt mit.«

Ich sage nach wie vor nichts.

»Okay, deine Idee ist vermutlich nicht schlecht – je nachdem, was bei Nina wirklich vor sich geht, ist es unter Umständen besser, zu zweit zu sein, und ich könnte deine Hilfe brauchen.«

Nee, das reicht mir noch nicht ganz.

»Herkules. Entschuldige, ich war blöd zu dir. Würdest du mir heute bitte helfen ?«

Wuff ! Opili hatte recht ! Die Sache mit dem Unrat funktioniert !

»Ich helfe dir gern, Beck. Vielleicht sollten wir schon mal einen Schlachtplan ausklügeln.«

Als wir am Nachmittag wieder in der Wohnung ankommen, werden wir von Henri stürmisch begrüßt. Er krabbelt uns mit einem Affenzahn entgegen und ruft begeistert:

»Gagaah ! Mam mam mam !«

Dann setzt er sich hin und klatscht in die Hände. Ich muss zugeben, dass dieser Freudenschrei verdächtig nach Mama klang. Gut, dass Marc nicht da ist. Es hätte ihn vermutlich frustriert. Hedwig taucht aus der Küche auf.

»Hallo, Carolin.«

Sie klingt ein bisschen unterkühlt.

»Hallo, Hedwig. Und, alles in Ordnung hier ?«

Falls Caro die Kühle auch wahrgenommen hat, hat sie jedenfalls beschlossen, fröhlich darüber hinwegzugehen.

»Ja. Alles gut. Henri hat gut gegessen und geschlafen. In der Zeit habe ich mal ein bisschen Klarschiff in der Wohnung gemacht. Hier sieht es ja manchmal … ach, egal. Eingekauft habe ich auch. Luisa hat ihre Hausaufgaben schon gemacht und ist dann zu irgendeiner Ella abgedüst. Sie kommt um sechs wieder. Für euren Besuchskater habe ich in der Küche zwei Näpfe klargemacht. Ach – und die größte Sensation: Henri kann endlich richtig allein und frei sitzen ! Auf einmal hat’s geklappt !«

Immerhin: Jetzt lächelt Hedwig.

»Danke, toll, was du alles gemacht hast«, erwidert Caro.

Richtig. Ganz alte Hundetrainer-Schule: Wenn etwas gut gemacht wurde, ganz doll loben. Am besten ein Leckerli anbieten.

»Willst du vielleicht noch etwas bleiben und ein Stück Kuchen mit mir essen ? Ich glaube, wir haben noch Muffins im Schrank.«

Ah, perfekt ! Sehr gut, Carolin !

»Eigentlich wollte ich gleich los. Sag mal, hat Marc schon mit dir gesprochen ?«

Hm, schon ist Hedwigs Lächeln wieder verschwunden.

»Nein, worüber ?«

Carolin tut ganz ahnungslos, aber das nehme ich ihr nicht ab. Über irgendetwas hat sie sich doch heute früh mit Marc unterhalten.

»Ach, nichts Wichtiges. Ich bin auch in Eile. Erzähl ich dir ein anderes Mal.«

Komisch. Vornehme Zurückhaltung ist doch sonst gar nicht Hedwigs Art. Aber weil ich gedanklich schon bei unserer späteren Flucht aus der Wohnung und der Überwachung von Ninas Besuch bin, bin ich auch nicht neugierig. Was auch immer es ist, ich werde es schon irgendwann erfahren.

Herr Beck ist mittlerweile in die Küche gelaufen. Näpfe klar für den Besuch – das hat ihn bestimmt magisch angezogen. Und richtig: Dort finde ich ihn. Andächtig sitzt er vor zwei Schälchen, die Hedwig für ihn vorbereitet hat. Soweit ich das vom Türrahmen aus erschnuppern kann, ist in dem einen frisch gekochtes Hühnerherz. Hm, lecker ! Bestimmt gibt es für mich auch eine Portion. Ich laufe ebenfalls zu den Näpfen und setze mich neben Herrn Beck. Bingo: Mein Napf ist auch randvoll mit der Köstlichkeit. Ich weiß wirklich nicht, was Carolin immer gegen Hedwig hat …

»So«, verkündet Beck mit vollem Maul, »dann lass mal hören: Wie kommen wir hier nachher raus ?«

»Darüber habe ich mir tatsächlich schon Gedanken gemacht: Es gibt von dieser Wohnung aus zwei Ausgänge auf die Terrasse, die eine Treppe zum Garten hat. Einmal kommt man vom Wohnzimmer hin. So spaziere ich meistens in den Garten. Allerdings kontrolliert Marc abends immer, ob die Tür auch geschlossen ist. Da müssten wir also schon relativ früh abhauen, und dann werden die uns bestimmt suchen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie bei der Fahndung auch in der Werkstatt gucken und Nina fragen, ist bestimmt ziemlich hoch. Das ist demzufolge nicht so klug. Die zweite Terrassentür geht von Luisas Kinderzimmer ab. Die ist zwar selten offen, aber wenn, vergisst Luisa oft, sie abends wieder zu schließen. Deswegen folgender Plan: Wir müssen Luisa irgendwie dazu bringen, die Tür zu öffnen. Und dann tun wir so, als ob wir unbedingt in ihrem Zimmer schlafen wollten. Das ist bestimmt nicht so schwer, weil Luisa garantiert sowieso möchte, dass wir das tun. Sie mag dich ziemlich gern – erst recht, seit wir damals zusammen abgehauen sind.«