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»Ich hab’s mir anders überlegt und bin nach dem Abendessen gefahren. Hatte Sehnsucht nach dir.«

»Wie schön. Ich bin aber total müde.«

»Soll ich uns noch ein Glas Wein holen ?«

Bitte, bitte nicht ! Ich will nicht die restliche Nacht mit einem fremden Mann im Kleiderschrank verbringen.

»Nee, du. Ich will schlafen. Lass uns mal morgen quatschen.«

Eine ausgezeichnete Idee. Los, Alexander ! Husch ins Körbchen, und zwar in dein eigenes !

»Wie du meinst.«

Alexander klingt enttäuscht, scheint die Geschichte aber zu kaufen. Der Dielenboden knarrt, Alexander geht wohl wieder. Wuff ! Endlich !

Den Schritten nach müsste Alexander schon fast an der Tür sein, da beginnt Ninas fremder Besucher zu husten. Also, nicht nur einmal kurz, sondern mehrmals. Erst klingt es sehr gepresst, ganz so, als würde er versuchen, es zu unterdrücken, aber dann wird es stärker. Was auch stärker wird, ist das pfeifende Geräusch, das mir eben schon an seinem Atem aufgefallen ist. Eindeutig: Er pfeift und hustet. Unglaublich – kann der sich nicht noch zwei Minuten zusammenreißen ?

»Heilige Ölsardine !«, faucht Beck. »Was soll denn das ? Der soll gefälligst Ruhe geben.«

Alexander ist wieder stehen geblieben.

»Was ist denn das für ein Geräusch ?«

»Welches Geräusch ?«

»Na, da hat doch jemand gehustet.«

»Ich hör nix«, behauptet Nina tapfer.

Leider wird das Pfeifen noch lauter, das Husten klingt fast wie ein Würgen. Was ist bloß auf einmal los ?

»Ach, du liebe Güte !«, maunzt Beck. »Sag bloß, der Typ ist wirklich gegen Katzen allergisch. Ich dachte, das sei eine Ausrede, um mich loszuwerden, aber vielleicht hat Nina die Wahrheit gesagt.«

»Hä ?« Mehr fällt mir dazu nicht ein.

»Na, es gibt tatsächlich Menschen, die auf Katzenhaare so reagieren wie der Typ jetzt. Vor allem, wenn man sie mit einer Katze in den Kleiderschrank sperrt. Ich habe da auf einmal ein gaaanz schlechtes Gefühl …«

Ein neuer Hustenanfall – aber nicht nur das: Der baumlange Kerl geht auf einmal vor uns in die Knie, sein Atem pfeift und rasselt, ich kann die Panik des Mannes genau riechen. Todesangst. Er hat echte Todesangst. Ob so eine Allergie richtig gefährlich ist ? Oder ist es die Angst, gleich ein paar von Alexander auf die Schnauze zu kriegen ?

»Nina, da ist doch jemand im Schrank !« Alexander klingt wütend und fassungslos.

»Nein, ich … äh …. das stimmt gar nicht !«

»Mach die Tür auf !«

»Nein. Ich will, dass du jetzt gehst. Raus aus meiner Wohnung, Alexander !«

»Nina, du …«

»Raus, habe ich gesagt !«

Ob sie ihn tatsächlich so loswird ? Dann würde er sich zwar seinen Teil denken können, aber, wie das Anwaltsherrchen von Herrn Beck seinerzeit so schön sagte: glauben ist nicht wissen. Vielleicht kriegt Nina so noch die Kurve.

Den Bruchteil einer Sekunde später erübrigt sich diese Überlegung. Mit einem lauten Pfeifen geht unser Schrankmitbewohner zu Boden, dabei schlägt sein Kopf mit einem lauten Knall an der Kammertür an. Die Tür wird aufgerissen, an den Kleidern vorbei kann ich sehen, dass Alexander in der Türöffnung steht. Okay. Soeben ist aus Glauben Wissen geworden.

Zwischen zwei pfeifenden Atemzügen presst der Mann ein Wort hervor: »Help !« Help ? Hm. Ob das wohl Entschuldigen Sie bitte, dass ich nackt aus dem Kleiderschrank Ihrer Freundin gefallen bin. Es wird nicht wieder vorkommen heißt ? Vermutlich nicht. Dafür war es dann doch zu kurz.

Alexander schaltet das Licht in der Kammer an und kniet sich neben den Mann. Der macht jetzt ein Geräusch, das wie hu… hu… hu… hu… klingt.

»Scheiße, Nina, ruf sofort die 112 an. Wir brauchen dringend einen Rettungswagen.« Und an den Mann gewandt: »Versuchen Sie, ganz ruhig zu bleiben.«

Na, Alexander hat vielleicht Nerven. Will den Typen verhauen und bestellt vorher schon mal vorsichtshalber die Ambulanz. Oder verstehe ich da etwas falsch ?

»Sören kann kein Deutsch.« Nina klingt verheult.

»Sören ? Aha. Scheißkerl. Egal.«

Alexander beugt sich neben den Mann. »Sören, you have to stay calm. Please, pretend you give me a kiss and breathe out very slowly through your lips.«

Von meinem Blickwinkel sieht es nun so aus, als würde Sören versuchen, Alexander zu küssen. Jedenfalls formt er einen Kussmund. Eine interessante Entwicklung. Küssen sich jetzt die Männer ? Und falls ja – ob Nina dann eifersüchtig wird ?

»Was machst du denn da ?«, will Nina auch tatsächlich wissen, als sie mit dem Telefon in der Hand wieder neben Alexander auftaucht.

»Dein Liebhaber hat offensichtlich einen schweren Asthmaanfall. Ich versuche, ihn per Lippenbremse so atmen zu lassen, dass sich seine Bronchien wieder weiten. Wann kommt die Rettung ?«

Ach so. Alexander will ihn nicht vermöbeln, sondern retten. Sehr noble Geste !

»Keine Ahnung, wann die kommen !«

»Hat er ein Spray mit ?«

»Keine Ahnung !« Nina heult.

»Ist er gegen irgendwas allergisch ?«

»Gegen Katzen. Aber ich habe Beck heute früh weggebracht.«

»Aha. Von langer Hand geplant. Wundervoll. Aber irgendwo müssen hier noch viele Katzenhaare sein. Hey, Sören, breathe out slowly. Form your mouth, as if you were kissing. Breathe out ! And slowly, very slowly !«

Alexander kniet sich hinter Sören, will ein bisschen Platz schaffen, schiebt die Kleider weg – und erwischt dabei den Schwanz von Herrn Beck. Sofort dreht er sich zu uns um. In der zwischen den Kleidern entstandenen Lücke sitzen wir wie auf dem Präsentierteller.

»Herr Beck ! Herkules ! Was macht ihr denn hier ? Nina, schaff sofort den Kater raus. Raus mit ihm !«

Er schlägt nach Beck, der maunzt laut auf und rennt zu Nina. Ich bleibe wie angenagelt sitzen, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Sören scheint kaum noch Luft zu bekommen. Alexander packt ihn bei den Schultern.

»Sören, do you have a spray ? Salbutamol ? Asthmaspray ?«

Sören schüttelt den Kopf.

»Auch egal, das kriege ich momentan sowieso nicht in ihn rein. So, komm, Sören, ab in die Küche.«

In die Küche ? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sören gerade Hunger hat.

»Nina, ich brauch deine Hilfe. Sperr die Katze im Wohnzimmer ein. Ich setzte deinen Freund hier vor den geöffneten Kühlschrank, feuchte, kalte Luft hilft oft. Bleib bei ihm. Ich glaube, ich habe in meinem Arztkoffer noch Cortison. Das spritze ich ihm jetzt.«

Er schleppt Sören in die Küche, ich laufe hinterher. Dann schiebt Alexander einen Stuhl vor den Kühlschrank, verfrachtet Sören darauf und öffnet die Tür.

»Oh, Champagner ! Großartig. Da hattet ihr beiden wohl bisher einen richtig netten Abend. Breathe out slowly. Very slowly through your lips. Out, understand ? Good ! Very good ! Nina, wo bleibst du !«

Nina taucht auf und stellt sich neben Sören.

»Versuch, ihn zu beruhigen. Und hör endlich auf zu heulen. Du musst jetzt Ruhe ausstrahlen, sonst wird er noch panischer. Ich hole meinen Koffer von oben.«

Nina tut, wie ihr geheißen, und streichelt über Sörens Wange. Im Licht des Kühlschranks sieht sein Gesicht irgendwie ziemlich blau aus. Ungesund ! Kurz darauf ist Alexander mit einer Tasche wieder da, wühlt darin und zieht schließlich ein Fläschchen und eine Spritze daraus hervor.

»So. Ein Gramm Cortison, dann dürfte das Leben für deinen Freund gleich schöner aussehen. Salbutamolspray hab ich auch noch. Vielleicht krieg ich das gleich in ihn rein.«

Er nimmt Sörens Arm und sticht die Spritze hinein. Als er fertig ist, greift er Sörens beide Arme und legt sie auf dessen Oberschenkel, sodass Sören fast schräg im Kühlschrank liegt.

»Slowly out. Now, can you breathe in a little ?«

Sören nickt.

»Wonderful. It’s getting better. Now take this.« Er gibt ihm eine längliche runde Dose mit einem Röhrchen dran. »That’s Salbutamol. Do you know, how it works ?«