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Sören nickt wieder. Es würde mich zu sehr interessieren, worüber sich die beiden gerade unterhalten.

»Four times, okay ?«

Wieder ein Nicken.

Alexander schüttelt die Dose und gibt sie Sören. Der nimmt das Röhrchen in den Mund und atmet ein. Zweimal, dreimal, viermal. Dann hört er auf und stützt sich wieder auf seine Oberschenkel. Tatsächlich klingt sein Atem nicht mehr ganz so pfeifend und wird langsam ruhiger.

Es klingelt an der Tür. Das muss der Krankenwagen sein. Alexander greift seine Tasche, geht zur Wohnungstür und öffnet. Zwei Männer in hellen Jacken kommen in den Flur.

»Guten Abend, Kollegen. Alexander Klein mein Name. Der Patient ist in der Küche. Zustand nach Status asthmaticus. Schwerer Katzenhaarallergiker. Ich bin Arzt, war zufällig da. Habe ihm schon ein Gramm Cortison intravenös gegeben und eben vier Hübe Salbutamol. Akute Krise ist beendet, aber er sollte in ein Krankenhaus.«

Die Männer nicken.

»Wow. Da hat er ja Glück gehabt, dass Sie gerade vorbeigekommen sind.«

»Wie man es nimmt«, erwidert Alexander knapp. »Aber ich muss jetzt leider los. Habe noch einen anderen Notfall. Etwas mit dem Herzen.«

Dann nimmt er die Tasche und seine Jacke, die noch am Haken neben der Tür hängt, und geht.

Notfall mit dem Herzen. Ich weiß genau, welches Herz gemeint ist. In diesem Moment tut mir Alexander sehr, sehr leid.

DREIZEHN

Nachdem die Rettungssanitäter Sören mitgenommen haben, ist es in der Wohnung ganz still. Nina steht immer noch wie betäubt in der Küche, sie trägt das Nachthemd, das sie sich übergeworfen hatte, als Alexander so überraschend kam. Nach einer Weile öffnet sie die Kühlschranktür, nimmt den Champagner heraus und trinkt. Und zwar direkt aus der Flasche. Ein sehr ungewöhnlicher Anblick. Soweit ich weiß, trinkt man das Zeug sonst eher aus Gläsern.

Etwas ratlos trabe ich in Richtung Wohnzimmer. Dort ist Herr Beck nach wie vor eingesperrt. Als er mich kommen hört, kratzt er an der Türe.

»Hey, Kumpel ! Kannst du mich irgendwie rauslassen ?«

Ich setze mich vor die geschlossene Tür.

»Wie denn ? Die Klinke ist ganz weit oben, da komme ich nicht ran. Ich überlege auch gerade, ob ich nicht besser wieder abhaue. Mein Gefühl sagt mir, dass wir hier möglicherweise noch richtig Ärger bekommen. Nina kippt sich gerade den ganzen Champagner rein, guckt finster und sieht auch sonst nicht so aus, als wäre sie in der richtigen Stimmung, um Haustiere zu verwöhnen.«

Herr Beck sondert ein Fauchen ab.

»Nix da, hiergeblieben ! Mitgefangen, mitgehangen. Du wolltest unbedingt mit, dann kannst du dich nicht einfach so vom Acker machen und mir den ganzen Ärger überlassen.«

So ungern ich es zugebe – hier hat der Kater recht. Es wäre ziemlich feige, nun durch die Katzenklappe wieder zu verschwinden und so zu tun, als wäre ich gar nicht dabei gewesen. Eines echten Jagdhundes unwürdig. Und eines guten Freundes sowieso.

Nina kommt aus der Küche, greift sich das Telefon, das mittlerweile auf dem kleinen Schränkchen neben der Wohnungstür liegt, und tippt eine Nummer ein.

»Caro ? Hier ist Nina. Ich weiß, es ist schon fast zehn Uhr, aber kannst du trotzdem unbedingt kommen ? Es ist WIRKLICH dringend. Übrigens: Falls du deinen Hund vermisst, der ist hier.«

Schluck. Die Hoffnung, zumindest bei Caro und Marc wieder heimlich unterzuschlüpfen, kann ich hiermit wohl offiziell begraben. Die Frage ist nur, wie viel Ärger genau mich erwartet: ein bisschen, durchschnittlich oder richtig Ärger ?

»Also, nur, dass ich es verstehe: Dein nackter Liebhaber ist deinem Freund aus dem Kleiderschrank entgegengefallen ? Und der musste ihn dann retten ? Weil er sonst erstickt wäre ?«

Kurz nach dem Telefonat sitzt Caro in Ninas Wohnzimmer auf dem Sofa. Ich glaube, eigentlich soll sie ihre Freundin trösten, aber momentan klingt sie nicht mitfühlend, sondern amüsiert. Das ist für Nina natürlich doof, es erhöht jedoch meine Chance, mit nur ein bisschen Ärger davonzukommen, deutlich. Eine gut gelaunte Caro wird bestimmt Gnade vor Recht ergehen lassen.

»Sören ist nicht mein Liebhaber«, erklärt Nina trotzig.

»Verstehe. Und warum genau hat er sich nackt in deinem Kleiderschrank versteckt ?«

»Er war mein Liebhaber. Aber ich hatte die Affäre schon beendet.«

Herr Beck wirft mir einen vielsagenden Blick zu. Man muss kein Meister der Verhörtechnik sein, um an diesem Punkt noch mal nachhaken zu wollen. Caro geht’s genauso.

»Tja, von außen betrachtet – und das ist sicherlich die Sichtweise, die Alexander einnehmen wird – könnte man glatt denken, die Affäre sei noch voll im Gange.« Sie grinst.

»Mann, Carolin – das weiß ich doch selbst. Deswegen versuche ich ja, es dir zu erklären, aber ich habe das Gefühl, dass dich gar nicht interessiert, wie es wirklich ist. Sollte es aber. Schließlich bist du meine Freundin.«

Caro hört schlagartig auf zu grinsen.

»Tut mir leid. Das war doof von mir. Wie ist es denn wirklich ?«

Nina holt tief Luft – dann fängt sie zu weinen an. Auweia. Selbst der Kater schaut ratlos. Die toughe Nina in Tränen aufgelöst: An diesen Anblick muss ich mich erst mal gewöhnen. Caro schaut auch erschrocken, aber dann legt sie ihren Arm um Ninas Schulter und zieht sie mit einem Schhh, Schhh ganz eng an sich heran.

Nach einer Weile hat sich Nina wieder beruhigt. Caro gibt ihr ein Taschentuch, in das sie laut schnäuzt, dann beginnt Nina, ihr Herz auszuschütten.

»Ich habe Sören letztes Jahr in Stockholm kennengelernt.«

»War er in deiner Forschungsgruppe ?«

Nina schüttelt den Kopf.

»Nein. Sören ist Bildhauer. Er hatte eine große Ausstellung in unserer Klinik. Da habe ich ihn das erste Mal gesehen.«

Bildhauer ? Klingt brutal. Und seit wann kann es denn ein Beruf sein, etwas zu verhauen ? Noch dazu so etwas Wehrloses wie ein Bild. Na gut, es gibt auch Boxer, das habe ich schon einmal im Fernsehen gesehen. Aber die prügeln sich gegenseitig. Und irgendwann fällt einer um, und der andere sieht auch nicht gerade taufrisch aus, darf dafür aber so eine Art Bauchbinde hochhalten. Ob Sören so etwas Ähnliches macht ? Das würde natürlich erklären, warum er solche Muckis hat.

»Oh, ein Künstler. Klingt interessant.«

Klingt interessant ? Ich finde, es klingt absurd. Kunst ist doch so etwas, was Aurora macht – also, vor vielen Leuten Geige spielen. Oder meinetwegen auch, den alten von Eschersbach auf ein großes Stück Stoff zu malen, damit er es im Salon aufhängen kann. Aber ein Bild zu verhauen – was soll denn daran bitte schön Kunst sein ? Dieser Sören wird mir langsam suspekt. Doch wahrscheinlich habe ich das falsch verstanden. Ist auch kein Wunder. Als Dackel ist man nicht so häufig im Museum.

»Ja, ein Künstler. Seine Skulpturen sind wundervoll. Stark, wild und rau – aber auch verletzlich.« Ninas Stimme bekommt einen verträumten Klang, und ich frage mich, was genau Skulpturen sind. »Er hatte sie überall auf dem Klinikgelände aufgestellt. Ich habe ihn beobachtet, wie er einige von ihnen aus dem Transporter lud. Allein, wie er sie in den Armen hielt, sah so verdammt sexy aus ! So kräftig und zärtlich zugleich.«

»Und lass mich raten – er fasst nicht nur Statuen kräftig und zärtlich zugleich an«, sagt Caro mit einem unüberhörbaren Grinsen und kassiert dafür sofort einen bösen Blick von Nina. »’tschuldigung, war nicht so gemeint«, murmelt sie daraufhin.

Aha. Ein wichtiger Hinweis ! Skulpturen scheinen Statuen zu sein. Und davon hatten wir im Schlosspark jede Menge. Engel, Jünglinge und vor dem Haupthaus sogar ein Reiterstandbild. Allerdings hätte man keine dieser Statuen einfach durch die Gegend tragen können, dafür sind sie eindeutig zu groß und zu schwer, selbst für jemanden mit Armen wie Sören. Wenn Sören nun hauptberuflich Stein in Statuen verwandelt, ist das natürlich schon eine Kunst, das sehe ich ein. Interessant finde ich, dass selbst Menschenfrauen wie Nina für männliche Kraft empfänglich zu sein scheinen. Ich meine, Nina lebt eigentlich nur mit dem Kopf. Sie redet viel, sie arbeitet nicht mit den Händen, und Alexander ist von der gleichen Sorte. Ich hätte nie gedacht, dass ein Mann Nina mit Kraft beeindrucken kann. Ist aber wohl so. Wieder etwas gelernt.