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»Zur Ausstellungseröffnung waren alle Klinikmitarbeiter eingeladen. Ich kam etwas später, hatte sogar erst überlegt, gar nicht hinzugehen.«

»Echt ? Warum ?«

»Ach, ich war so schlecht drauf an dem Tag. Hatte mich mit Alexander am Telefon total gestritten, und in der Projektgruppe lief es gerade auch nicht optimal. Meine Laune war grauenhaft. Ich glaube, eigentlich bin ich nur zu der Ausstellung gegangen, um mich gepflegt zu betrinken. Damit habe ich dann auch unverzüglich angefangen.«

Wuff. Frauen und Alkohol. Eine Kombination, die ich nicht besonders schätze. Ach was: Menschen und Alkohol passen meiner Meinung nach nicht zusammen. Da ist der Mensch nun ein vernunftbegabtes Wesen, und dann tut er manchmal alles dafür, diese Vernunft schon im Keim zu ersticken. Zwei Flaschen Wein, und der Durchschnittsmensch ist auf dem Niveau von Frau Müllers Wellensittich, jede Wette !

»Und dann ?«, erkundigt sich Caro neugierig.

»Nach dem dritten Glas Sekt fiel mir auf, dass Sören wirklich der einzig interessante Mann auf dieser Veranstaltung war. Also habe ich mich mit ihm unterhalten. Auf Englisch, denn ich kann kein Schwedisch und er kein Deutsch.«

Sieh an, es spricht nicht jeder Mensch jede Sprache. Manchmal verstehen sie sich demzufolge nicht. Das erklärt auch, warum Beck und ich heute Abend kein Wort verstanden haben – Nina, Sören und Alex haben sich in einer Art Gemeinschaftssprache für Menschen unterhalten.

»Smalltalk auf Englisch, wie cool !«

»Nee, gar nicht Smalltalk und gar nicht cooclass="underline" Wir hatten noch keine fünf Minuten miteinander gesprochen, da haben wir uns fast gezofft. Ich weiß nicht, wie Sören das geschafft hat, noch dazu in einer anderen Sprache, jedenfalls hatte er mich in null Komma nix auf der Palme. Ich habe irgendeine harmlose Bemerkung gemacht, und er hat sie gleich extrem tiefschürfend hinterfragt. So, als ob ich völlig naiv und ahnungslos wäre und er der große Meister. Das konnte ich natürlich nicht auf mir sitzenlassen, und schon hatten wir den schönsten Streit über die Kunst und den Kommerz.«

Ich weiß zwar nicht genau, was Kommerz ist, aber das mit dem Streit glaube ich trotzdem sofort. Denn unsere Nina lässt sich von niemandem die Welt erklären, und schon gar nicht in diesem Englisch. Das ist so was von klar, klarer geht’s nicht. Da hält sie natürlich dagegen, drei Glas Sekt hin, drei Glas Sekt her. Teufelsweib !

»Na, das klingt nicht gerade wie der Beginn einer wunderbaren Freundschaft …« Caro lacht, und auch Nina muss grinsen.

»Och, zu viel Harmonie ist auch langweilig. Wir mussten unseren Streit jedenfalls ganz dringend ausdiskutieren. Und als sich die Veranstaltung aufgelöst hat, sind wir in die nächste Kneipe weitergezogen. Sören war mittlerweile zum Thema Freiheit und der Sozialismus skandinavischer Prägung übergegangen. Da habe ich ihn geküsst. Ich konnte nicht anders. Warum, weiß ich auch nicht mehr so genau.«

»Vielleicht wolltest du, dass er aufhört zu reden.«

Nina kichert.

»Kann sein. Ist ja auch nicht so ein sexy Thema. Jedenfalls küsste ich ihn, und dann küsste er mich, und ich dachte mir nur: WOW ! Es war, als ob ich an eine Hochspannungsleitung gefasst hätte.«

Dieses Gefühl kann ich nur zu gut nachempfinden. Als Cherie mir das erste Mal über meine Schnauze geschleckt hat, dachte ich auch, mich hätte der Schlag getroffen. Gleichzeitig machte mein Herz einen Riesensatz, so, als wollte es aus meinem Maul hinaushüpfen. Wenn es mit Sören genauso war, dann muss es Liebe sein. Oje, die arme Nina ! Hat nur ein Herz, aber zwei Männer.

Caro sagt erst mal nichts, sondern macht nur große Augen.

»Jedenfalls haben wir dann eine ganze Weile rumgeknutscht, bis sie in der Kneipe auch irgendwann schließen wollten. Da war mir aber schon klar, dass ich gern die Nacht mit Sören verbringen will.«

Caro schnappt hörbar nach Luft.

»Mensch, Nina – hast du denn überhaupt nicht an den armen Alexander gedacht ?«

Nina zuckt mit den Schultern.

»Nein. Eigentlich nicht mehr. Zu Beginn des Abends schon, aber da war ich auch noch so sauer auf Alex, dass ich kein schlechtes Gewissen beim Flirten hatte.«

»Aber worüber hast du dich so mit ihm gestritten ?«

»Alexander wäre es am liebsten gewesen, ich wäre jeden Freitag in den Zug nach Hamburg gestiegen. Er hingegen hat mich in der ganzen Zeit vielleicht ein- oder zweimal besucht. Es musste immer alles nach seinem Dienstplan gehen. Dass ich in Stockholm auch totalen Stress hatte, hat ihn nie interessiert, den Herrn Doktor.«

»Bist du nicht ein bisschen ungerecht ? Alexander ist doch immer sehr stolz auf deinen Job. Er hat jedenfalls allen hier ständig von deinem Forschungsprojekt erzählt und was für eine tolle Wissenschaftlerin du bist.«

Nina zuckt mit den Schultern.

»Weiß nicht. Mein Gefühl war jedenfalls, dass sich bei uns immer alles um den Halbgott in Weiß drehte.«

Halbgott in Weiß ? Wer soll das denn nun schon wieder sein ? Gott ist eine Art höheres Wesen und sozusagen der Chef vom Ganzen, so viel habe ich aus Gesprächen der Menschen untereinander schon mitbekommen. Er hat auch einen Sohn, Jesus, der ihn auf der Erde vertritt. Gerade an Weihnachten wurde viel über die beiden gesprochen. Irgendwie hing da auch noch der Weihnachtsmann mit drin, vielleicht als eine Art Abteilungsleiter ? Von einem Halbgott habe ich aber noch nie gehört – ob das wohl eine weitere Hierarchieebene ist ? Gewissermaßen Gott, Jesus, Weihnachtsmann, Halbgott ? Und was hat das mit dem Stockholm-Aufenthalt von Nina zu tun und damit, dass Alex sie nie besuchen wollte ? Seltsam, seltsam.

»Aha. Also war Sören Rache ?«, will Caro wissen.

Nina schüttelt den Kopf.

»Nein, so nun auch wieder nicht. Aber ich fühlte mich irgendwie im Recht. Jedenfalls sind wir dann aus der Kneipe gewankt, beide ziemlich betrunken, und Sören hat mich gefragt, ob ich noch mit zu ihm kommen wollte, er würde nicht weit weg wohnen. Ich hatte nichts dagegen.«

Jetzt schüttelt Caro den Kopf.

»Auweia, Nina !«

»Ich bin die ganze Nacht bei ihm geblieben. Ehrlicherweise erinnere ich mich nur noch bruchstückhaft – aber diese Stücke sind wunderschön. Wir haben viel geredet und gelacht. Na ja. Natürlich nicht nur.« Sie macht eine Pause und seufzt.

Carolin lacht.

»Schon klar. Erspare mir die Details.«

»Irgendwann sind wir dann eingeschlafen. Als ich morgens wach wurde, fühlte ich mich seltsamerweise immer noch gut. Dieses Gefühl hielt allerdings nur bis zum Frühstück. Auf dem Weg in die Küche stolperte ich nämlich über Gegenstände, die eindeutig Kindern gehörten. Kleinen Kindern. Davon hatte Sören kein Wort erwähnt. Ich war fassungslos, habe sofort mein Zeug zusammengesucht und bin abgehauen.«

Gut. Das mit den Kindern ist wahrscheinlich ein Punkt, den sich Menschen normalerweise erzählen, wenn sie sich kennenlernen. Wobei es sehr für Sörens Menschenkenntnis spricht, dass er es nicht getan hat. Schließlich hat Nina doch diese Kinderallergie. Zwar nicht so stark wie Sörens Katzenallergie – schließlich musste sie noch nie ins Krankenhaus, wenn sie Henri auf dem Arm gehalten hat, und eine Spritze musste ihr Alexander deswegen auch noch nicht geben. Trotzdem ist ihre Allergie doch so ausgeprägt, dass sie es mit Kindern nie lang aushält. Wahrscheinlich wäre sie also mit Sören gar nicht mitgegangen, wenn sie gewusst hätte, dass er mit kleinen Kindern zusammenwohnt.

»Ja, aber wieso ging die Geschichte dann überhaupt weiter ?«, will Caro wissen. »Nach diesem Klopper gab es doch gar keinen Grund, diesen Typen noch ein einziges Mal zu sehen.«

Stimmt. Da hat Caro vollkommen recht. Denn die Kinder ist der doch vermutlich nicht einfach losgeworden.