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Die Frauen stellen die Tüten ab und gehen ins Wohnzimmer, ich hinterher. Hier ist ein Haustier, das gestreichelt werden will !

Leider sind die beiden Damen so in ihr Gespräch vertieft, dass mich Caro völlig ignoriert. Sie setzt sich neben Nina auf die Couch und begrüßt mich nicht einmal richtig, als ich mich direkt auf ihre Füße lege. Na, das muss ja ein rasend interessantes Thema sein, das die beiden da am Wickel haben !

»Ja, also Stefanie sah in diesem langen, weißen Ungetüm aus wie ein riesiges Baiser. Vielleicht hätten es zwei Lagen Tüll weniger auch getan«, berichtet Caro.

»Schade, dass ich nicht dabei war. Das hätte ich gern gesehen: Stefanie als Baiser. Ich meine, eine Elfe ist sie ja nicht gerade – wenn dann noch ihr schlechter Geschmack hinzukommt …«

»Ts, ts, ts, Nina ! Und das ist auch der Grund, warum du so selten auf Hochzeiten eingeladen wirst: Du bist einfach zu boshaft !«

»Ooch, und ich wäre sooo gerne dabei gewesen !«

Wieder lachen beide. Ich verstehe nicht ganz, worüber. Dass Nina bisweilen sehr boshaft ist, würde ich sofort unterschreiben. Ich meine, wenn ich schreiben könnte. Ansonsten finde ich nicht, dass Nina etwas verpasst hat. Denn seit der Name Stefanie in der Kombination mit Hochzeit gefallen ist, ist mir klar, dass es hier um die Veranstaltung mit der total verrückten Frauenmeute vor ein paar Tagen gehen muss.

»Aber mal im Ernst: Es gab tatsächlich einen rasend komischen Auftritt von Herkules. Er hat sich nämlich den Brautstrauß geschnappt und ihn mir gebracht. Das hättest du mal sehen sollen: Stefanie wirft, und alle stürzen sich wie die Geier auf das Teil. Und wer hat ihn am Ende ? Mein kleiner Herkules ! Und dann ab durch die Mitte damit zu Frauchen. Zum Wegschmeißen !«

Nina schüttelt den Kopf.

»Und jetzt heiratest du als Nächstes, oder wie ?«

Jetzt kichert Caro wieder, und soweit ich das von hier unten beurteilen kann, nickt sie.

»Klar, so will es der Brauch. Wer den Strauß fängt, heiratet als Nächstes !«

WUFF ! Ach deswegen waren die alle so hinter den Blumen her ! Da wird mir ja so einiges klar. Ein Brauch. Also etwas eigentlich völlig Sinnfreies, was die Menschen aber schon seit grauer Vorzeit machen und es deswegen für immens wichtig halten, ja, ihm sogar eine gewisse Zauberkraft zusprechen. Ich habe in meiner Zeit als Haustier schon die seltsamsten menschlichen Bräuche kennengelernt, aber dieser hier zählt definitiv zu den blödesten. Blumen werfen, um mit dem Heiraten dran zu sein. Lächerlich. Wieso eigentlich halten sich die Menschen für vernunftbegabt ?

»Wenn das so ist, dann muss ja eigentlich Herkules als Nächstes heiraten.« Ninas spöttischer Unterton verrät mir, dass sie eine ähnliche Einschätzung hinsichtlich dieser Art von Brauchtum hat.

»Hach, nun sei doch nicht so. Ich finde, es ist ein netter Brauch. Und außerdem wollte ich auch gar nicht mitmachen«, erklärt Caro und klingt dabei entschuldigend.

»Gut. Also keine Hochzeit. Dann bin ich beruhigt.«

»Äh, na ja, heiraten wollen wir ja schon länger, und tatsächlich findet Marc jetzt, dass wir mal langsam mit der Planung anfangen sollten.«

»Also doch«, seufzt Nina, »ich hab’s ja geahnt.«

»Mensch, Nina, mach’s mir doch nicht so schwer.«

»Bitte ? Was mach ich dir denn schwer ?«

»Na, die Frage zu stellen, die ich trotz deiner Hochzeitsallergie die ganze Zeit an dich loswerden will. Deswegen rede ich auch schon den halben Nachmittag über das Thema.«

»Welche Frage denn ?« Nina klingt erstaunt.

»Ob du meine Trauzeugin werden möchtest. Ich meine«, Caro schluckt, »ich weiß ja, du und Marc, das ist nicht immer einfach … Aber es würde mir sehr viel bedeuten. Wirklich !«

Jetzt sagt Nina erst mal gar nichts, dann schluckt auch sie und umarmt Caro. Was auch immer das Wort Trauzeugin genau bedeutet, es muss etwas enorm Wichtiges sein.

»Aber natürlich. Du bist doch meine beste Freundin.«

Jetzt kichern wieder beide – oder ist das eher ein Schluchzen ? Ich lausche genauer hin. Tatsächlich, sie scheinen vom Lachen zum Weinen übergegangen zu sein. Sehr seltsam. Eine Weile sagt keine von beiden etwas, dann räuspert sich Caro und sagt mit belegter Stimme:

»Danke, ich freue mich sehr darüber. Und ich gelobe hiermit hoch und heilig: Es wird ein kleines, intimes Fest. Keine Riesenhochzeit. Kein Brautstraußgewerfe. Und garantiert kein Baiser. Indianerehrenwort !«

Wuff ! Da bin ich jetzt aber wirklich froh ! Könnte mir jetzt noch mal schnell jemand erklären, was eine Trauzeugin ist ?

ZWEI

Ja, wo ist denn der kleine Henri ? Da ist der kleine Henri ! Ja, wo ist denn der kleine Henri ? Daaaa ist der kleine Henri ! Ja, wo ist denn der kleine Henri ? Daaaaaaa …«

Eine gefühlte Ewigkeit geht das schon so. Oma Hedwig legt Baby Henri ein Stofftuch über das Gesicht, dann zieht sie es schnell weg. Baby Henri gluckst vor Freude, und auch Oma strahlt über das ganze Gesicht. Dass man Menschenkinder mit einem dermaßen stupiden Spiel bei Laune halten kann – unglaublich ! Jeder Hundetrainer, der sich so an einem Welpen versuchen würde, wäre gleich die Lizenz los. Aber Henri ist begeistert und jedes Mal wieder überrascht, seine Oma hinter dem Tuch zu entdecken.

Eines steht schon mal fest: Henri ist nicht die hellste Kerze auf der Torte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er bei seinen begrenzten intellektuellen Fähigkeiten jemals so einen komplizierten Menschenkram wie Lesen und Schreiben lernt. Aber auch für einfache Kommandos wie Sitz ! Platz ! oder Bring’s ! sehe ich schwarz, ich glaube, Henri hätte bei einer Gebrauchshundeprüfung keine Chance.

Der sich klar abzeichnende Schwachsinn ihres Enkels tut Hedwigs Freude trotzdem keinerlei Abbruch. Seltsam. Sonst ist sie doch immer so ehrgeizig. Mit Luisa, Henris großer Schwester, übt sie zum Beispiel gern und viel für die Schule. Wenn es dann gut klappt, ist sie furchtbar stolz auf Luisa und erzählt jedem, der es hören will, wie schlau und begabt ihre Enkeltochter ist. Weil sie es offenbar auch jedem erzählt, der es nicht hören will, bekommt sie dann manchmal sogar Ärger mit Marc. Dem ist so viel Angeberei nämlich ein bisschen peinlich. Hedwig ist das allerdings egal – kein Wunder, sie ist schließlich Marcs Mutter. Meine Mutter hätte sich von mir auch nichts sagen lassen. Von mir nicht und auch von keinem anderen Junghund. Da war sie ganz klar die Chefin des Rudels, als ältester Hund nach meinem Opili. Und genauso ist Hedwig. Eindeutig Chefin, auch wenn das den anderen überhaupt nicht passt. Insbesondere Caro rollt sehr gerne mit den Augen, wenn Hedwig allen anderen Menschen mal wieder gute Tipps zur allgemeinen Lebensführung gibt.

Interessanterweise tun sich Menschen nach meiner mittlerweile jahrelangen Beobachtung überhaupt schwer mit der Rangordnung in der Familie. Wie viel Zeit die damit verdaddeln zu klären, wer gerade recht hat und demzufolge bestimmen darf. Das ist bei uns Hunden eindeutig besser geregelt. Es gibt nur einen Häuptling, die anderen sind Indianer. Ganz einfach. Kann sich selbst der dümmste Dackel merken. Wäre insofern auch die beste Lösung für den dummen Henri. Mit allem anderen ist das kleine Kerlchen doch völlig überfordert.

Wo wir gerade bei überfordert sind: Die Sauberkeitserziehung scheint kleinen Menschen auch sehr schwerzufallen. Gerade in diesem Moment fängt Henri nämlich an, einen sehr unschönen Geruch zu verströmen. Ist es denn zu glauben ? Schon fast ein Jahr alt und immer noch nicht stubenrein. Der alte von Eschersbach wäre fuchsteufelswild geworden, wenn ich in diesem Alter noch einen Haufen in den Salon von Schloss Eschersbach gesetzt hätte. Aber auch hier genießt Henri Narrenfreiheit – im Gegenteil, Hedwig entlockt der infernalische Gestank sogar ein Lächeln. Sie beendet ihr albernes Tuch-wegzieh-Spiel und hebt Henri vom Boden hoch.