»Wer weiß – vielleicht hatten die beiden das geplant ? Vielleicht wusste Herr Beck von dem anstehenden Besuch ?«
»Jetzt klingst du schon wie eine Elfjährige. Luisa behauptet auch, Herr Beck hätte sie überhaupt erst dazu gebracht, die Tür zu öffnen, er habe die Flucht bestimmt geplant.«
Daniel kratzt sich am Kopf.
»Und wenn sie recht hat ?«
Genau ! Und wie recht Luisa hat ! Sie hat uns vollkommen durchschaut, das kluge Kind !
»Daniel, Herr Beck ist ein Tier. Bestimmt ein schlaues Tier, aber immer noch ein Tier. Tiere planen so etwas nicht. Luisa brauchte nur eine Ausrede, weil sie vergessen hat, ihre Tür wieder zu schließen. Alles andere ist totaler Quatsch.«
Ich kann nicht anders, jetzt muss ich einfach jaulen. Wahrscheinlich schneide ich mir damit ins eigene Fleisch, denn eigentlich wollte ich den Ball nach Freitag schön flach halten, aber das kann ich nicht so unkommentiert auf uns Haustieren sitzenlassen. Wetten, dass sich selbst der Wellensittich der alten Müller mehr Gedanken über sein Frauchen macht als umgekehrt ? Woher nimmt der Mensch nur diesen Hochmut ? Sicher, ich kann nicht lesen und nicht schreiben, und ich verwechsle auch schon mal, ob etwas einen Monat oder ein Jahr her ist – aber ich bin nicht dumm ! Und Herr Beck ist es schon gleich gar nicht !
Zwischenzeitlich bin ich von Jaulen zu Knurren übergegangen.
Daniel und Caro schauen mich mit großen Augen an, schließlich kniet sich Caro neben mich und krault mich hinter den Ohren.
»Sag mal, was ist denn los mit dir, Herkules ? Habe ich dich beleidigt ? Habt ihr euren Ausflug wirklich geplant ?« Sie schaut zu Daniel hoch. »Meinst du, das kann sein ? Aber wie ist das möglich ?«
Daniel setzt sich auch auf den Boden.
»Ich habe dir doch von unseren Terriern erzählt. Meine Eltern hatten immer welche. Das waren wirklich sehr intelligente Tiere – sie konnten die unglaublichsten Dinge. Also, wenn die sich in den Kopf gesetzt hatten, irgendwohin zu kommen, dann haben sie es auch geschafft. War eine der leichteren Übungen. Und Katzen sind doch auch sehr schlau. Schätze, wenn die beiden wirklich zu Nina wollten, dann war das für die nur eine Kleinigkeit. Eine Elfjährige kriegen die jedenfalls locker ausgetrickst.«
»Aber warum ?«
»Wie gesagt: Herr Beck hat das mit dem Besuch irgendwie mitgekriegt – und war offenbar misstrauisch geworden. Ist wahrscheinlich eine treuere Seele als sein Frauchen.«
Daniels Grinsen reicht von einem bis zum anderen Ohr. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass sich sein Mitleid mit Nina in sehr engen Grenzen hält.
»Ich weiß nicht, ob ich das glauben soll.« Caro wiegt ihren Kopf unschlüssig hin und her. »Aber komisch ist es schon. Immerhin hatten sich die beiden auch sehr zielstrebig ins Schlafzimmer geschlichen. Hätten sie das nicht gemacht, Nina und ihre Affäre wären wahrscheinlich gerade noch einmal davongekommen.«
»Okay. Das lässt nur einen Schluss zu.« Daniel macht eine Kunstpause.
»Nämlich ?«
»Falls du jemals vorhast, deinen angehenden Ehemann zu betrügen: Sperr den Hund gut weg !«
Grrrr, das würde mein Frauchen sowieso niemals machen. Carolin hat schließlich ein Herz aus Gold. Wenn ich wider Erwarten allerdings so einen Betrug mitbekäme – mit dem Burschen würde ich nicht so zärtlich umgehen wie Zottel mit seinen Schafen. Den würde ich gehörig in den Hintern beißen, jawoll !
»Dann ist jetzt wohl Schluss zwischen Alexander und Nina, oder ?«
Carolin nickt.
»Schätze mal schon.«
»Wobei: Vielleicht verzeiht ihr Alexander ja. Ich glaube, er liebt sie sehr.«
»Das glaube ich auch. Umgekehrt bin ich mir da indessen nicht so sicher. Nina ist doch eigentlich niemand, der lügt und betrügt. Wenn sie sich in diesen Sören verliebt hat, dann stimmt zwischen ihr und Alexander definitiv etwas nicht.«
»Die Liebe kommt, die Liebe geht.«
Daniel lächelt, aber auf einmal klingt er traurig. Das ist aber auch eine komplizierte Sache mit der Liebe und den Menschen. Ich weiß nicht, wie lange ich noch mit ihnen zusammenleben muss, um das jemals wirklich zu durchdringen. Wobei: Das Mysterium ist überhaupt nicht auf Zweibeiner beschränkt. Mir geht es mit Cherie nicht anders. Einerseits habe ich mich gestern so sehr gefreut, sie zu sehen, und wünschte, das wäre wieder häufiger der Fall. Andererseits habe ich fast ein bisschen Angst, dass mein Herz unglaublich wehtun wird, wenn ich sie öfter treffe. Ich sollte mir ein Beispiel an Herrn Beck nehmen: In der Beziehung haben es Einzelgänger wirklich deutlich leichter.
Es klingelt an der Werkstatttür. Ich trabe nach vorn, Daniel kommt hinterher und öffnet die Tür. Es ist Alexander. Er sieht grauenhaft aus. Und riecht auch so. Außerdem trägt er eine Sonnenbrille, was hier im Hausflur eigentlich völlig unnötig ist. Ich sagte es schon: Menschen und Alkohol. Keine gute Kombination. Aber anscheinend eine für schlechte Zeiten.
»Oh, hallo, Alex !«
»Hi.«
»Willst du nicht reinkommen ?«
»Nee, ich muss gleich wieder los. Ich hab nur eine Bitte – könnt ihr in den nächsten Tagen mal nach meiner Post sehen ? Ich habe zwar einen Nachsendeantrag gestellt, aber es dauert ein bisschen, bis der läuft. Mein Mitbewohner Simon ist gerade im Urlaub, sonst hätte ich den gebeten.«
»Nachsendeantrag ?«, echot Daniel unsicher.
»Tja. Ich hau ab. Bin raus aus der Nummer. Caro wird’s dir ja erzählt haben. Ich halte es mit Frau Dr. Nina Bogner keine fünf Minuten mehr unter einem Dach aus. Möbel hol ich später, ist eh nicht viel – ich muss schlicht erst mal raus hier. Sobald Simon wieder da ist, soll er sich einen neuen Mitbewohner suchen.«
»Äh …«
Eine sehr intelligente Bemerkung.
»Also, würdest du ?«
Daniel nickt stumm.
»Danke, Kumpel. Hier sind Briefkasten- und Wohnungsschlüssel. Und hier«, er drückt Daniel noch einen kleinen Zettel in die Hand, »sind meine Handynummer und die Adresse meiner Eltern. Kannst du mir da einmal pro Woche alles hinschicken ? Falls ein Paket kommt, leg’s einfach in die Wohnung.«
»Ja, okay. Dann mach’s mal gut.«
Nun nickt Alexander wortlos. Daniel klopft ihm auf die Schulter, dann dreht sich Alex um und geht.
»Wer war denn das ?«, will Caro wissen, als wir wieder im Werkraum ankommen.
»Alexander«, antwortet Daniel. »Hier im Haus ist offensichtlich gerade ein Zimmer frei geworden. Vielleicht sollte ich mir das mal anschauen. Schlüssel habe ich schon.«
»Wie meinst du das denn ?«
Genau, wie meint er das ?
»Ach, weißt du, ich habe eigentlich immer weniger Lust, in einem Yoga-Institut zu wohnen.«
SECHZEHN
Meinst du, es ist ein schlechtes Omen für unsere Hochzeit, dass unsere beiden Trauzeugen mitten in den schönsten Beziehungskrisen stecken ?«
Ein paar Tage sind vergangen, seitdem Alexander morgens in der Werkstatt aufgekreuzt war, und tatsächlich ist er seitdem spurlos verschwunden. Carolin mustert Marc über den Rand ihres Wasserglases. Der lächelt.
»Och, ich würde sagen minus mal minus ergibt plus. Und außerdem glaube ich nicht an Omen.«
Carolin und ich haben Marc in der Mittagspause zum Essen abgeholt, jetzt sitzen wir im Café Violetta, und die beiden denken über die Hochzeit nach. Ich hingegen bin nicht wirklich bei der Sache, sondern überlege, wie ich mich verhalten soll, falls Daniel tatsächlich über der Werkstatt einzieht und falls er dann auch Cherie mitnimmt. Okay, ich gebe zu, das sind ungelegte Eier, verbunden mit zwei Falls. Aber ich kann den Gedanken daran einfach nicht abschütteln. Zweimal schon dachte ich, ich sei am Ziel und Cherie würde meine Gefühle erwidern. Zweimal wurde ich enttäuscht, und es tat verdammt weh. Soll ich das meinem kleinen Dackelherzen noch einmal zumuten ? Es noch mal versuchen ? Und was, wenn es wieder nicht klappt ? Sterbe ich dann endgültig an gebrochenem Herzen ? Ich lege den Kopf auf meine Vorderläufe und starre vor mich hin. Das Leben eines kleinen Hundes kann verdammt schwierig sein. Was sind dagegen schon Sorgen bei der Hochzeitsvorbereitung ? Wenigstens haben Marc und Caro überhaupt jemanden gefunden, der sie heiraten will!