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Gespannt beobachte ich, wie Daniel zu uns in die Werkstatt kommt, und aus den Augenwinkeln kann ich genau sehen, dass auch Herr Beck sehr aufmerksam geworden ist. Ob ich noch schnell mit ihm um etwas wette ? Vielleicht, dass er mir eine Fleischwurst aus dem Kühlschrank klaut – er kommt da bestimmt viel besser dran als ich.

»Hallo, Daniel ! Ich habe dich schon vermisst. Wir müssen noch die Lasuren für die Celli absprechen. Frau Hohwenser hätte gern bald eine Auskunft. Ich selbst bin mir da gerade etwas unsicher.«

»Klar, machen wir. Ich musste nur eben ein paar Sachen aus Volksdorf holen. Ziehe tatsächlich erst mal in das alte Zimmer von Alex ein.«

»Oh.«

Mehr sagt Carolin nicht dazu. Ich werfe dem Kater einen ersten triumphierenden Blick zu.

»Und weißt du, wer eine richtige Vollmeise hat ?«

Caro zuckt mit den Schultern.

»Nee, wer denn ? Die Hohwenser ?«

»Nein, die doch nicht. Deine Freundin Nina. Die hat sie nicht mehr alle. Ich habe sie heute im Treppenhaus getroffen. Ich kam von Simon, der ist aus dem Urlaub zurück und hat mir noch mal das Zimmer gezeigt. Sie kam mit in die Werkstatt und hat mich gefragt, was ich in Alexanders Wohnung wollte. Ich habe nur gesagt, das sei nicht mehr Alexanders Wohnung, ich hätte sein Zimmer übernommen.«

»Ja, und dann ?«

»Dann ist sie völlig ausgerastet und hat mich beschimpft. Dass ich mich jetzt zwischen sie und Alexander dränge. Und ob ich ernsthaft von ihrem Unglück profitieren wolle. Ich wusste echt nicht, wie mir geschieht. Na, da habe ich mal kurz darauf hingewiesen, mir sei zu Ohren gekommen, sie selbst sei nicht ganz unschuldig an seinem Auszug. Da hat sie angefangen zu heulen und ist raus. Hysterische Ziege !«

»Auweia ! Das ist furchtbar. Die arme Nina !«

Caro ist sichtbar mitgenommen von der Geschichte.

»Was heißt denn hier arme Nina ? Ist doch selbst schuld. Ich kann jedenfalls echt nichts dafür. Sie hat doch mit dem Kerl gevögelt, nicht ich. Doch das ist wieder typisch Nina Egozentrisch Bogner – es muss jemand anderes für ihr Elend verantwortlich sein, denn sie macht immer alles richtig. Ätzend ! Wenn die nicht aufpasst, wird sie mal einsam und allein enden. Sie ist doch genau der Typ Frau, der irgendwann nur noch ’ne Katze hat. Und die hat Nina ja schon, ha, ha !«

Zusch ! Mit einem eleganten Sprung hechtet Beck von der Decke zielstrebig auf die geöffnete Terrassentür zu – und ist verschwunden. Schade. Für die Wette ist es nun zu spät. Die Fleischwurst wäre eindeutig mein.

SIEBZEHN

Irgendetwas plant Hedwig. Irgendetwas. Ich weiß nur noch nicht, was. Aber die Art, wie ausgesprochen vorsichtig sie heute um Luisa herumschleicht und mit welch sanfter Stimme sie dabei spricht, macht mich extrem misstrauisch. Normalerweise ist Hedwig eine Frau der klaren Ansagen. Wenn Luisa aus der Schule nach Hause kommt, gibt es Mittagessen, dann wird Henri in sein Bettchen verfrachtet, und als Nächstes werden zack, zack die Hausaufgaben gemacht. Heute allerdings von militärischer Ordnung keine Spur. Stattdessen die Frage, ob’s noch ein Dessert sein darf. Hier stimmt doch was nicht !

»Sag mal, Engelchen, so richtig viele Freunde haben Papa und Carolin wohl nicht, oder ?«

Aha ! Ein Ausforschungsversuch !

Luisa löffelt rasch den Rest des Schokopuddings, bevor sie antwortet.

»Doch, wieso ?«

»Ach, ich meine nur so. Ich weiß gar nicht, ob die beiden ab und zu mal mit Freunden verabredet sind und ob sie eigentlich einen großen Bekanntenkreis haben. Wen sie zum Beispiel einladen würden, wenn sie eine Party feiern wollten.«

Nachtigall, ick hör dir trapsen … Party ? Feiern ? Sollte Hedwig wieder auf ihr derzeitiges Lieblingsthema zusteuern ?

»Also, Papa hat ganz viele Freunde. Das kann ich dir auch zeigen.«

»Zeigen ? Wo denn ?«

»Na, in Papas Computer. Bei Facebook kannst du alle seine Freunde sehen. Das sind bestimmt dreihundert oder so. Ich habe sein Passwort. Darfst du aber Papa nicht erzählen, dann krieg ich Ärger.«

»Kind, ich weiß gerade gar nicht, wovon du redest. Wieso kann man Papas Freunde denn im Computer sehen ?«

Eine sehr berechtigte Frage. Versteh ich auch nicht.

»Na, also, Facebook das ist so eine Art Treffpunkt im Internet. Da kann man seine Freunde treffen. Auch die, die man nicht persönlich kennt. Ich zeig’s dir.«

Wie bitte ? Kann man Freunde haben, die man noch nie gesehen hat ? Ich hätte das bis zum heutigen Tage für ausgeschlossen gehalten, aber tatsächlich sitzen Hedwig und Luisa kurz darauf vor dem kleinen Fernseher, der sich Computer nennt, und Luisa erklärt Hedwig, dass Marc viele Freunde hat, die er gar nicht kennt. Verrückt, eindeutig verrückt. Wie soll man jemanden schätzen lernen und ihm vertrauen, wenn man ihm noch nie begegnet ist ? Beim Menschen scheint es so etwas aber zu geben – ich kann es kaum fassen. Marc hat in seinem Computer mindestens dreihundert Freunde. Von denen er allerdings nur die Hälfte persönlich kennt. Die anderen sind nur Facebook-Freunde, so nennt Luisa sie jedenfalls. Hedwig kommt aus dem Staunen nicht heraus – und ich auch nicht.

Facebook-Freunde. Gut, hat wahrscheinlich auch Vorteile, wenn man seine Freunde nicht persönlich kennt. Herr Beck zum Beispiel ist seit dem Vorfall mit der Fleischwurstwette immer noch beleidigt. Und das, obwohl ich ihm die Wette noch nicht einmal vorgeschlagen habe und unsere Nicht-Wette schon ein paar Tage her ist. Wenn wir uns nur per Computer kennen würden, dann hätte ich das ganze Schlamassel mit Alexander nicht mitbekommen und er nicht, dass Daniel umziehen will. Dann wäre zwischen uns alles in bester Ordnung gewesen, und wir hätten uns einfach über etwas anderes unterhalten als Ninas Beziehungsprobleme. Ich frage mich nur gerade, wie man sich überhaupt mit jemandem unterhält, den man nie trifft.

Die gleiche Frage treibt offenbar Hedwig um.

»Und dein Vater ist mit all diesen Menschen befreundet ? Aber wie steht er denn in Kontakt mit denen ? Telefonieren die immer, oder wie geht das ?«

Luisa kichert und schüttelt den Kopf.

»Nein, Oma. Mit Facebook-Freunden chattet man.«

»Man macht was ?«

»Na, man chattet. Das ist eine Unterhaltung per Computer. Guck mal, hier …« – sie zeigt auf etwas, was ich von unterhalb des Schreibtisches nicht sehen kann – »kannst du erkennen, wer im Moment online ist. An dem grünen Punkt.«

»Online ?«

»Ja. Wer sich auch gerade so auf Facebook rumtreibt. Und den kannst du dann anchatten, also gewissermaßen anquatschen. Und wenn der Lust hat, dann chattet der zurück. Und dann seid ihr in der Unterhaltung, dem Chat. Dann tippst du ein, was du sagen willst, und er seine Antwort. Total praktisch. Ich wäre froh, wenn ich schon selbst bei Facebook wäre. Darf ich aber noch nicht. Papa findet, ich bin dafür noch zu klein. Echt mies.« Sie seufzt. »Aber eine E-Mail-Adresse habe ich immerhin schon. Muss ich halt mit meinen Freundinnen mailen. Und das geht tatsächlich nur mit Leuten, die man wirklich kennt. Sonst hat man ihre Adresse nicht.«

Hedwig lächelt und streichelt ihrer Enkelin über den Kopf.

»Ach, mein Schatz, ich finde es gar nicht so schlimm, wenn man die Leute, mit denen man sich im Internet unterhält, auch im wahren Leben kennt. Da hat dein Vater schon recht, wahrscheinlich musst du noch nicht überall mitmachen. Aber sag mal, wenn das alles Freunde von Papa sind, kann man die auch per Facebook zu einer Party einladen ?«

Luisa nickt.

»Klar. Das geht sogar ganz einfach. Du machst bei Facebook eine Seite für die Veranstaltung, und dann schickst du die Einladung an jeden, den du dabeihaben willst. Dann wissen alle, wann die Party ist, und können zu- oder absagen. Wieso ?«

Jaul, Hedwig wird doch nicht etwa … ?

»Oooch, mir scheint, Papa braucht noch ein bisschen Hilfe bei den Einladungen zur Hochzeit. Ich dachte, so könnte ich ihm ein bisschen helfen.«